Blagojevich-Verhaftung: Erste Schatten auf Obama?

by Dirk Elsner on 10. Dezember 2008

Obama

Hier begrüßen sich Obama und Blagojevich auf einem Treffen am 2. Dezember

Rod Blagojevich ist der Gouverneur des Staates, den Barack Obama als Senator im US-Kongress vertreten hat. Gestern ist Blagojevich unter Korruptionsverdacht verhaftet worden, weil er er den frei werdenden Senatssitz für Illinois an den Meistbietenden verschachern wollte.

Obama selbst äußerte sich gestern Abend enttäuscht über den Vorfall. Er sei betrübt und fühle sich ernüchtert, sagte er in Chicago. „Das ist ein trauriger Tag für Illinois.“ Der künftige Präsident betonte, er habe wegen der Besetzung seines Sitzes keinen Kontakt mit dem Gouverneur gehabt. „Ich wusste nicht, was da vor sich geht.“

Für Obama klingen diese Aussagen bemerkenswert naiv. In Deutschland und vielen Teilen der Welt dürfte vor der Verhaftung Blagojevichs kaum jemand gewusst haben, dass in Illinois die Senatsnachfolger bei Ausscheiden außerhalb der Legislaturperiode vom Gouverneur bestimmt werden. Obama ist dies aber klar gewesen. Es ist daher kaum zu glauben, dass er sich keine Gedanken darüber gemacht hat, wer seine Nachfolge im Senat übernimmt, und nicht einmal mit Rod Blagojevich darüber gesprochen hat.

Obama hatte lt. Reuters bereits Mitte November seinen Sitz im Senat niedergelegt und nicht mehr an Sitzungen des Senats teilgenommen. Obama hatte Blagojevich z.B. am 2. Dezember auf einem Treffen mit US-Gouverneuren in Philadelphia getroffen.

Poitical Punch, der Blog des Fernsehsenders ABC, erinnert außerdem an Äußerungen seines Beraters David Axelrod:

„While insisting that the President-elect had not expressed a favorite to replace him, and his inclination was to avoid being a „kingmaker,“ Axelrod said, „I know he’s talked to the governor and there are a whole range of names many of which have surfaced, and I think he has a fondness for a lot of them.“

Das Video auf YouTube, das laut Political Punch diesen Ausschnitt zeigen soll, ist seit heute nicht mehr verfügbar.

Axelrod soll gestern seine Aussage mit folgender Erklärung widerrufen haben:

„I was mistaken when I told an interviewer last month that the President-elect has spoken directly to Governor Blagojevich about the Senate vacancy. They did not then or at any time discuss the subject.“

Die Widersprüche, das Dementi und das Verschwinden des Videos werden sicher noch in der Blogszene für Diskussionen sorgen. Eine „Verschwörung“ sollte man hier nicht gleich wittern.

Es wäre außerdem nicht einmal verwerflich gewesen, wenn Obama mit Blagojevich über seine eigene Nachfolge gesprochen hätte. Im Gegenteil, ich halte es sogar für wahrscheinlich, dass Obama konkrete Vorstellungen hatte und gern eine Empfehlung gegeben hätte. Der Blog Barackobama.de weißt außerdem darauf hin, dass sich die beiden anscheinend relativ nahe stehen und Obama Blagojevich bereits vor sechs Jahren politisch tatkräftig unterstützt hatte.

Derweil wird in Illinois darüber nachgedacht, die Ernennungsprozedur für Obamas Senatsnachfolge zu ändern.

Persönlich hoffe ich, dass Obama ohne Schaden aus der schon als „Senatgate“ bezeichnete Affäre kommt. Für das internationale Krisenmangement hätte ein beschädigter Barack Obama fatale Folgen, über die ich lieber nicht nachdenken möchte.

Weitere Meldungen dazu

NYT: Obama’s Effort on Ethics Bill Had Role in Governor’s Fall

Spon: Festnahme wegen Korruptionsverdacht: Gouverneur wollte Obamas Senatssitz verschachern

Blick Log: Hier geht es zur Anklageschrift gegen Blagojevich

Blick Log: Gouverneur von Illinois wg. Korruptionsverdacht um Obamas Senatsnachfolge festgenommen

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Coien Dezember 10, 2008 um 18:07 Uhr

Vermutlich gibt es noch Schatten aus der Vergangenheit. Die sind mir allerdings nicht bekannt. Ich verfolge mehr die präsidiale Politik und die aktuellen wirtschaftlichen Auswirkungen. Aber wenn Sie mehr wissen, nur raus damit.

Martin Dezember 10, 2008 um 17:38 Uhr

Einzig und alleine die Überschrift ist zu bemängeln bei diesem sonst sehr gutem Artikel.

Wieso „erste“ Schatten?

Gab da nicht schon andere – oder sie die jetzt vergessen?

Achja, – er ist ja jetzt Präsident – da zählt vergangenes nicht mehr…

Ich hätte von Obama ein eher umfangreicheres Dementi erwartet 😉

Coien Dezember 10, 2008 um 13:24 Uhr

@ Daniel
vielen Dank für die zusätzlichen Informationen.
Ach so und „Lieber“ ist richtig 🙂

Daniel Grinsted Dezember 10, 2008 um 13:08 Uhr

Liebe(r) DECoien, vielen Dank für Ihren Kommentar auf barackobama.de. Diese Angelegenheit, von einigen bereits als „Senategate“ bezeichnet, könnte Barack Obama tatsächlich in ein schlechtes Licht rücken. Wie wahrscheinlich es ist, dass Obama wirklich nicht mit Blagojevich über seine Nachfolge gesprochen hat, bleibt zu sehen. Immerhin stehen sich die beiden anscheinend relativ nahe und Obama hatte Blagojevich bereits vor sechs Jahren politisch tatkräftig unterstützt. Ich halte vor allem die Verfassung von Illionois in diesem Punkt für überarbeitungswürdig, da nach dessen Gesetzen der Gouverneur selbst zum jetzigen Zeitpunkt noch Obamas Nachfolger bestimmen könnte. Und dieser dürfte sogar er selbst sein. Mehr dazu unter: http://www.barackobama.de/blog/neuigkeiten/blagojevich/

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