Die Ökonomie beansprucht als angewandte (Real-)Wissenschaft ihre Rolle Wegweiser für die Wirtschaftspraxis und -politik zu sein.[1] Sie soll helfen in der (realen) Welt ökonomische Prozesse, Erscheinungen und Fragen zu erklären.[2] Das gelingt ihr aber mit dem Standardmodell der Ökonomie nicht.
Solche Fragen könnten etwa sein: Warum macht Reichtum ab einer bestimmten Höhe nicht glücklicher, warum gibt es Nationen, die trotz niedrigeren Wohlstands als zufriedener gelten? Warum wirkt manche Werbung gut und manche nicht. Wieso kooperieren manche Marktteilnehmer und Volkswirtschaften (z.B. über Handelsabkommen) während andere auf Konfrontation gehen (USA unter Donald Trump)? Wie bekommt man verbesserte Verhaltensvorhersagen mit Hilfe künstlicher Intelligenz? Wie bemessen Menschen den Nutzen von etwas? Warum sind manche Menschen kreativ während anderer komplizierter Regelwerke vereinbaren? Warum wird für Spitzenpositionen oft nicht die geeignetste Person ausgewählt, sondern jemand mit einer bestimmten Herkunft und Habitus. Arbeiten Menschen wirklich besser, wenn sie mehr verdienen? Die Liste der Fragen, die die Ökonomie aus ihrer Modellwelt[3] nicht zufriedenstellend beantworten kann, ließe sich beliebig verlängern. Insbesondere kann die Ökonomie nicht erklären, warum es ökonomisch nicht rational ist, wenn unterstellt wird, dass jeder andere Akteur ökonomisch rational handelt. Wenn die Ökonomie weiter eine theoretische und praktische Stütze der politischen und betrieblichen Praxis sein möchte, dann reichen die bisherigen Modelle nicht mehr aus. Das ist jedenfalls eine seit Finanzkrise 2008 verstärkt geäußerte Auffassung.[4]
Die Evolution variiert Leben und Verhalten in vielen Verzweigungen
Nach bisher 21 Beiträgen durch Evolutions- und Neurowissenschaften wird es daher Zeit, daraus einen Erkenntniskern für ökonomische Anwendungen zu schälen[5]. Weil ich keine Einzeldarstellung[6] gefunden habe, versuche ich mit diesem Beitrag zentrale Erkenntnisse dieser Reihe zu kondensieren. [7] Das ließe sich zu einem „Minimum Viable Model“ (MVM)[8] für einen modernisierten ökonomischen Denkansatz erweitern. Damit meine ich eine erste anwendbare Iteration eines Modells, das zahlreiche ökonomische Sachverhalte besser erklären kann als traditionelle Ansätze. Ich gestalte diesen Beitrag daher als „lebenden Text“, den ich mit Hilfe von Feedback[9] und weiterer Literatur in unregelmäßigen Abständen anpasse. Vielleicht könnte ein solches Modell sogar eine methodische Klammer um die verschiedenen Subwissenschaften der Ökonomie bilden und diese gleichzeitig naturwissenschaftlich verankern. Dies könnte auch die Akzeptanz der Ökonomie außerhalb der Sozialwissenschaften erhöhen und zu realistischeren Handlungsempfehlungen führen.
Ich arbeite hier mit einem außerhalb der Sozialwissenschaften verbreiteten Zwei Stufen-Modell[10]:
1. Einer evolutionsbiologischen Stufe und daraus abgeleitet einer
2. speziellen neurobiologische Stufe für uns Menschen.
Inhalt
1. Erweiterung des ökonomischen Blickfelds
2. Evolutionstheorie: Erweiterter Synthese und Multilevel-Selektion
3. Fundament für ein Minimum Viable Model of Economics
a. Evolutionsbiologische Bausteine
b. Neurobiologische Bausteine
4. Graben zwischen Ökonomie und Naturwissenschaften überwinden
1. Erweiterung des ökonomischen Blickfelds
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