Die Arten der Staatspleiten

by Gastbeitrag on 6. Februar 2009

Auch der Blick Log kann sich der Faszination des Untergangs nicht immer entziehen. Gern ist auch das Thema Staatspleite. Diese Option lässt sich zumindest anhand der Veränderungen der Länderrisiken gut durchspielen. Angeführt wird diese Liste übrigens derzeit von der Ukraine, deren Risikoaufschlag derzeit 30% kosten würde.

Dr. Georg Erber erklärt in der Readers Edition was ein Staatbankrott ist und differenziert drei Typen.

Im Zuge der anhaltenden globalen Finanzmarktkrise taucht zunehmend die Frage auf, ob die zunehmenden Staatsdefizite verursacht durch Bailouts von Finanzinstituten und die ständig größer werden Volumina der Konjunkturpakete nicht über kurz oder lang zu einem Staatsbankrott führen können.

Hinzu kommt das Problem von Staaten, die einen im Vergleich zur ihrer Wirtschaft überproportional großen Finanzsektor haben und aufgrund ihrer globalen Finanzverflechtungen, wie bereits der Fall Islands gezeigt hat, bei einem Zusammenbruch einer großen ausländischen Bank wie im Falle von Lehman Brothers in den Staatsbankrott getrieben werden, weil die Forderungssummen in ausländischen Währungen durch die Währungsreserven des jeweiligen Landes nicht beglichen werden können. Das Land wird dann de facto gegenüber dem Ausland insolvent, wenn niemand bereit ist, dem Land einen Kredit in ausländischen Währungen noch zu geben.

Unterschiedliche Typen des Staatsbankrotts

Wir müssen daher drei unterschiedliche Typen eines Staatsbankrotts voneinander unterscheiden.

  • Bei Typ 1 entsteht der Staatsbankrott dadurch, dass er gegenüber Forderungen ausländischer Gläubiger Forderungen in ausländischen Währungen zu begleichen illiquide wird. Dies ist der Fall Islands und steht symptomatisch auch für alle kleinen Länder mit eigener Währung, die insbesondere wie bei Offshore Bankplätzen, nur als juristische Exklave herhalten, um im Ausland ansässigen Banken, Private Equity Firmen, etc. oder einfach nur Steuerflüchtlingen à la Zumwinkel in Liechtenstein einen Finanzplatz zu bieten, der ihnen Finanzgeschäfte gestattet, die außerhalb der Finanzaufsicht der Heimatländer stehen. Würden diese Mittel kurzfristig wie auch zuletzt im großen Stil in der Asienkrise aus solchen Ländern abgezogen, dann kann aufgrund einer solchen Situation der Geschäftsbankensektor die Zahlungsforderungen nicht mehr in Fremdwährungen begleichen, da nicht genügend liquide Mittel innerhalb des Landes mehr zur Verfügung stehen. Die Bankenkrise führt zur Zahlungsverweigerung des Landes ausländische Forderungen noch zu begleichen, da hierfür die erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. In der Regel springt dann der IMF oder große Länder ein, die als Lender of last Resort diesen Ländern aus dem de facto Staatsbankrott heraushelfen.
  • Bei Typ 2 entsteht der Staatsbankrott aufgrund der Überschuldung des Staates, so dass er den laufenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Inländern nicht mehr nachkommen kann und deshalb die Zahlungen einstellt. Ursache ist in diesem Fall, dass der Staat seine Kreditwürdigkeit gegenüber der Öffentlichkeit verloren hat. Wenn also wie derzeit in historisch ungeahntem Ausmaß die Staaten sich gegenüber dem privaten Sektor weltweit verschulden wollen, dann müssen sie hierfür Staatsschuldverschreibungen emittieren. Diese müssen jedoch einen aufnahmebereiten Markt finden. Bestehen jedoch Zweifel an der Solvenz des Staates, dann sind Abnehmer solcher Staatsschuldverschreibungen entweder nur unter hohen Risikoaufschlägen überhaupt bereit solche Papiere zu erwerben oder es gibt einfach keine Abnehmer. Wenn der Staat daher in seiner Schuldenaufnahme an de facto Grenzen stößt, dann wäre dies ein Staatsbankrott, da er danach keine liquiden Mittel mehr besitzt, seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Diese Form des Staatsbankrotts ist meist ein schleichender Prozess, wenn Staaten sich über längere Zeiträume immer stärker verschulden. Die Maastricht-Kriterien, die eine Obergrenze von 60 Prozent Schuldenquote am Bruttosinlandsprodukt festlegen. Allerdings sind diese derzeit innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten außer Kraft gesetzt worden. Da langfristige Problem einer Überschuldung des Staates besteht letztendlich darin, dass er allein aufgrund der jährlichen Zinszahlungen für diese Schulden stetig höhere Defizite aufnehmen muss. Die so genannte Schuldenfalle ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die Defizitquote des Staatshaushalts bereits durch die Zinsquote des Staatshaushalts jeweils gemessen am Bruttoinlandsprodukt überschritten wird. Der Staat wäre dann gezwungen alle anderen Zahlungen sukzessive einzuschränken, um seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Staatsschulden noch nachkommen zu können. Insbesondere kann der Prozess des Staatsbankrotts dann beschleunigt werden, wenn die Zinssätze für Staatschuldverschreibungen am Kapitalmarkt aufgrund sinkender Bonität deutlich ansteigen. Könnte ein Staat seine Schuldenlast noch bei niedrigen Zinsen schultern, dann führt ein deutlicher Zinsanstieg in die rasche Zahlungsunfähigkeit. Derzeit haben bereits eine große Zahl von EU-Mitgliedsländer mit entsprechenden Problemen zu kämpfen. Während für zehnjährige Staatsanleihen aus Deutschland nur 3,1% Jahreszinsen fällig werden, liegen sie in Griechenland mit 6%, Irland mit 5,7% Italien und Portugal mit 4,5% und Spanien mit 4,3% deutlich höher. Öffnet sich dieser Zinsspread noch weiter, dann treibt diese Entwicklung die Zinsquote über diejenige der Defizitquote und diese Länder stecken in einer Schuldenfalle. Nur durch drastische Kürzung der Staatsausgaben wäre dann der Vertrauensverlust der Finanzmärkte in die Solvenz des jeweiligen Staates wieder herzustellen. Dies kann aber an politischen Grenzen scheitern, weil die gesellschaftspolitischen Verhältnisse eine solche Austeritypolitik nicht zulassen. Dann tritt de facto und de jure der Staatsbankrott ein.
  • Bei Typ 3, der oftmals aus Ausweg vor dem Staatsbankrott des Typ 2 gewählt wird, wirft der Staat über die Zentralbank die Notenpresse an. Er lässt Geld und Deckung durch die Realwirtschaft in wachsender Menge überproportional drucken und bezahlt mit diesem gesetzlichen Zahlungsmittel seine Rechnungen. Die simple Folge: Die Inflationsrate steigt und es kommt nach einer schleichenden zu einer galoppieren und schlussendlich, wenn der Prozess vorher nicht gestoppt wird zu einer Hyperinflation. Deutschland hat dieses Verfahren der Entschuldung des Staates 1923 bis zum bitteren Ende vorgeführt. Hier wird der Staat zwar nicht im eigentlichen Sinne zahlungsunfähig, aber er bezahlt seine Bürger und Gläubiger mit wertlosen Papierschnitzeln. Wer diese aber nicht für reale Wert hergeben möchte, wird diese vom Markt zurückhalten oder nur noch gegen andere wertbeständige Zahlungsmittel tauschen. Im Prinzip vernichtet der Staat mit einer solchen Inflationspolitik das Einkommen und Vermögen seiner Bürger. Friedman hat in diesem Zusammenhang auch von einer Inflationssteuer gesprochen. Diese kann so hoch ausfallen, dass großte Teile der Bevölkerung verarmen. Russland hat dies nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion exemplarisch vorgeführt.

Wohin treibt die Weltwirtschaft?

Folgt man der derzeitigen Debatte, dann kann einem nur noch schwindelig werden, wenn man das Ausmaß und die Summen der geplanten Staatsverschuldungen zur Kenntnis nehmen muss. Es überrascht zugleich, wie wenig sich doch ein massiver öffentlicher Widerstand artikuliert, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Die Rettung der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft kann doch letztendlich nicht um den Preis von eine Folge von Staatsbankrotten geheilt werden? Wenn die globale Wirtschaft sich aufgrund exzessiver Spekulationen auf den Finanzmärkten in einem Zustand befindet, der einen Bankrott des Weltfinanzsystems zur Folge hat, dann könnte dies immer noch eine adäquatere Lösung darstellen als zusätzlich dazu noch die Staaten in den Staatsbankrott zu treiben. Damit würde am Ende die letzte handlungsfähige Instanz beseitigt.

Man kann nur in großer Sorge sein, wenn man verfolgt, wie die Politik derzeit die Grenzen der Staates zur Lösung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise überschätzen. Der Lender of last resort muss auch die Grenzen seiner finanziellen Belastbarkeit realistisch einschätzen, ansonsten droht der vermeintliche Retter mit in die Tiefe gezogen zu werden. Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Es gibt immer Alternativen zu den derzeit als alternativlos diskutierten Lösungen.

Der Beitrag ist übernommen unter den Lizenzbedingungen der Readers Edition, der Creative Commons-Lizenz 2.0

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