Ein Herz für Mehdorn

by dels on 31. März 2009

Am Montag hatte ich den Eindruck, es herrsche im Lande eine große Erleichterung über den Rücktritt von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Ehrlich gesagt stört mich das, denn ich finde diese Debatte beweist, dass wir die falschen Prioritäten in dieser Zeit setzen. Zugegeben, ich habe mich nicht sehr intensiv mit der “Spähdorn-Affäre” auseinandergesetzt. Meine unmaßgebliche Meinung zu diesem Auslöser für das Rücktrittsangebot: Inhaltliche Fehler, schlechte Kommunikation und schlechte interne Organisation. Das ist schlecht und Lauschangriffe gegen Mitarbeiter und Journalisten sind immer zu verurteilen. Aber sind das Gründe für einen Rücktritt? Ein ganz deutliches Nein.

Natürlich hat Mehdorn die Vorkommnisse in seinem Konzern zu vertreten, dabei ist es egal ob er davon Kenntnis hatte oder nicht. Aber Mehdorns vorrangige Aufgabe war es, das Unternehmen Deutsche Bahn betriebswirtschaftlich vernünftig auf die Schiene zu bringen. Und diese Aufgabe hat er offenbar glänzend erfüllt, wenn ich auf die zu Randnotizen verkommenen Berichte über den Jahresabschluss 2008 schaue.

Es mag nach Personality-PR klingen, aber der Job des Bahn-Chefs in diesem Land gehört aus vielen Gründen zu den anspruchsvollsten Spitzenposten in der deutschen Wirtschaft. Welcher CEO muss schon 80 Mio. Aufsichtsratsmitgliedern Rechenschaft ablegen, die politökonomischen Interessen von zig Regierungsmitgliedern und Abgeordneten austarieren und sich gegen eine Medienmeute wehren, die jeden Fehler vollmundig auskocht?

Es spricht gegen unsere Wirtschaftskultur, wenn der Chef eines betriebswirtschaftlich erfolgreichen Unternehmens letztlich nur aufgrund kommunikativer Defizite gezwungen wird, seinen Job hinzuwerfen. Viele Manager, die weitaus weniger erfolgreich sind oder gar mit Milliardenverlusten die Steuerzahler belasten, verharren dagegen auf ihren Posten. Die Datenaffären der Deutschen Bahn werden bis ins kleinste Detail “investigativ” ausgeleuchtet, während die Ursachen kostspieliger Verfehlungen vieler Banken kaum hinterfragt werden.

Wer mit seinen Vorstandskollegen so breite und schwere Rucksäcke trägt wie Mehdorn, der darf, nein der muss zwischendurch stolpern, sprich auch Fehler machen dürfen. Aber unsere öffentliche Kultur verzeiht offenbar keine Fehler. Diese Kultur führt dazu, dass viele Führungskräfte ihre Entscheidungen mehr daran orientieren, ob ihnen daraus die Verantwortung für Fehler zugerechnet werden kann. Viele handeln erst, wenn sie sich nach allen Seiten abgesichert haben, idealerweise durch das Gutachten eines teuren Wirtschaftsprüfers. Dabei haben wir eine neue Fehlerkultur nötiger als je zuvor. Mir ist ein kantiger und handlungsfreudiger CEO allemal lieber, als ein sich nach allen Seiten schützender und deswegen inaktiver Boss, der nur darauf achtet, nicht persönlich in ein schiefes Licht zu geraten.

Berichte zum Rücktritt von Hartmut Mehdorn

HB: Bahn stürzt in Führungskrise

Welt: Große Erleichterung nach Mehdorn-Rücktritt

HB: Mehdorn-Nachfolger betritt Minenfeld

Spon: Mehdorn-Rücktritt: Politiker und Gewerkschaften erleichtert

HB: Deutsche Bahn: Eine tragische Geschichte

Spon: Abgang eines Dickkopfs

Zeit: Bahn – Mehdorn scheitert an Mehdorn »

Parkster: Es fährt ein Zug nach… ja wohin eigentlich?

NZZ: Die Ära Mehdorn ist zu Ende

DSB: Bahn-Datenaffäre geht weiter

raivo pommer-eesti-www.google.ee März 31, 2009 um 20:58 Uhr

Raivo Pommer

WOLKSWAGEN INDIEN-billiger arbeiter

Mitten in der tiefsten Automobilkrise eröffnet die Volkswagen AG ein großes Werk in Indien. Mit 580 Millionen Euro ist es die bislang größte Einzelinvestition eines deutschen Unternehmens auf dem Subkontinent. Wie sehr die Krise aber die Welt umspannt, zeigte sich bei der Feier am Standort Pune, 150 Kilometer östlich der Wirtschaftsmetropole Bombay (Mumbai): Der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn sagte im letzten Moment seine Teilnahme ab, da er in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel über die Lage der Branche sprach.

Pune wird das zweite Werk des Volkswagen-Konzerns in Indien. Denn die Marke Skoda besitzt schon eine Fertigung in Aurangabad. Dort sollen auch künftig angelieferte Bausätze zusammengebaut werden. In Aurangabad werden vier Skoda-Modelle, Audi A4 und A6, Passat und Jetta gebaut. Die Kapazität liegt bei rund 30.000 Einheiten im Jahr. Im Außenbezirk Chakan vor Pune aber ist eine Vollproduktion entstanden. „Wir haben hier alle Komponenten: Presswerk, Karosseriebau, Lackierstraße und Montage“, sagt Jörg Müller, Präsident von Volkswagen India Pvt Ltd.

Julie März 31, 2009 um 16:03 Uhr

Das Schlimmste und verwerflichste ist, dass Mehdorn sich auch noch als Opfer sieht, anstatt seine Fehler zuzugeben.

Und von der Bespitzelung mal abgesehen, hat er sowohl verkehrspolitisch, als auch betriebswirtschaftlich auf ganzer Linie versagt. Der Rücktritt war überfällig und er wurde schon viel zu lange „durchgeschleppt“. Jeder „kleine“ Angestellte, der so wie Herr Mehdorn arbeiten würde, wäre längst aus der Firma entlassen worden.

Ich empfehle dazu den Artikel auf den Nach-Denk-Seiten:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=3858

decker März 31, 2009 um 14:09 Uhr

Ich weiß jetzt, warum der Blick Log ein Herz für Mehrdorn hat. Laut Bild-Zeitung ist Herr Mehdorn Mitglied von Werder Bremen und wenn ich diesen sehr gut gemachten und lesenwerten Blog richtig interpretiere, dann zeigt er eine eindeutige Präferenz für diesen norddeutschen Verein.
Aber lassen wie die humorigen Seite.

Ich finde die Diskussion in diesem Thread zwar recht interessant. Ich denke aber, es gibt ganz andere Prioritäten in diesem Land. So kann ich überhaupt nicht verstehen, dass Politik und Medien nicht viel mehr auf die Banken schauen. Die meisten Manager sitzen trotz des Milliardendesaster weiterhin in ihren gut dotierten Job. So manch einer wird sich freuen, dass Politiker und Medien ihre Aufmerksamkeit von ihnen wegnehmen. Richtig ist das nicht. Im Gegenteil: Ich wünsche, dass die Politiker mal das Geschäftsgebahren zumindest der Banken, die jetzt Staatshilfe erhalten haben, mal in einem Untersuchungsausschuss betrachten.

Beste Grüße
decker

Seb März 31, 2009 um 11:56 Uhr

Mehdorn ist jemand der über sehr stark ausgeprägte selektive Wahrnehmung verfügt. Hätte der Bund nicht in letzter Minute eingegriffen, hätte er letzten Oktober die Bahn an die Börse gebracht, dieser *************

Fred März 31, 2009 um 11:42 Uhr

@Coien
Ich kann nicht an die Unschuldstheorie des Herrn Mehdorn glauben. Ich bin überzeugt davon, dass er über die meisten Dinge Bescheid wusste und vieles billigend in Kauf genommen hat. Klar, ich kann dir nur Recht geben: Würde man jeden Manager für das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter zur Verantwortung ziehen, gäbe es keine mehr. Aber bei allen großen Affären (Siemens, Telekom, etc) wußten die Vorsitzenden Bescheid.
Ich glaube, das streitet niemand mehr ernsthaft ab. Und da liegt das Problem. Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Ich kann nur hoffen, dass die Mehdorns und Wagoners, die stellvertretend für viele andere Manager stehen, von dieser Krise die rote Karte erhalten und zur Rechenschaft gezogen werden.
Aber das ist, wie du schreibst, alles nur Illusion. Denn nicht nur die Manager, sondern auch die Politiker, die an diesen Zuständen etwas ändern könnten, stecken mindestens genau so tief mit drin.
Und sobald die Krise halbwegs überstanden ist, geht es weiter wie bisher. Das zeichnet sich jetzt schon ab.

Fred März 31, 2009 um 09:26 Uhr

Dieser Kommentar zeigt ganz deutlich woran es bei uns am meisten krankt. An fehlender Moral und Ethik. Die Bespitzelung von Tausenden von Mitarbeitern greift tief in die Privatsphäre von Menschen ein. Dies als Kavaliersdelikt hinzustellen ist für mich ein Witz. Und noch eins sollte man dabei nicht vergessen: Dieser Mann ist schon öfters mit seinen dubiosen Methoden und Winkelzügen aufgefallen. (Radsätze der ICE, Bonus für Börsengang, Kinder ohne Fahrkarte in der Pampa aussetzen, etc.) Dies zeigt an, welch Geistes Kind den Hut nehmen durfte. Zuerst müssen die Zahlen stimmen, dann kommen die Menschen. Der Abgang war überfällig.

Coien März 31, 2009 um 09:48 Uhr

@FRed
Ich sehe das Problem der Moral und Ethik sehr genau. Und ich will die Probleme der Bahn weder schönreden noch rechtfertigen. Aber es ist doch Illusion zu glauben, dass nur Herr Mehdorn bzw. seine Mitarbeiter und die Bahn anstößig handeln. Die unterschiedlichsten und vor allem widersprüchlichsten Anforderungen an die Bahn führen letztliche immer dazu, dass gegen bestimmte Vorstellungen oder Interessen verstoßen wird.
Wenn jeder Manager oder auch Politiker sich falsches Handeln seiner Mitarbeiter mit der Konsequenz zurechnen muss, dass er seinen Hut nimmt, dann hätten wir weder Manager noch Politiker. Auch Barack Obama wäre dann schon nicht mehr im Amt.

RZ März 31, 2009 um 14:42 Uhr

Das Mitlesen dienstlicher Mails greift in die Privatsphäre ein? Wohl kaum. Und das Leute, auch jugendliche, ohne Fahrkarte an die frische Luft gesetzt werden war in meiner noch nicht zu weit zurückliegenden Jugendzeit übrigens völlig selbstverständlich. Dafür, daß Mehdorn irgendwas mit einer dieser Sachen zu tun hat sehe ich übrigens auch keinen Beleg irgendwo. Unschuldig, bis die Schuld (an einer wirklich schlimmen Sache natürlich, nicht an so einer Empörungsnummer) bewiesen ist? Nicht, wenn Fred den angeblich Schuldigen nicht leiden kann! Wozu rechtsstaatlich sein, wo man doch moralisch überlegen ist?

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