Schutz von Daten und Privatsphäre interessiert nur noch Generation 40+

by Dirk Elsner on 14. März 2010

Hungry spider

Das Netz macht Vielen Angst (Foto: flickr/Marcos Dornbusch Lobo )

In den letzten Wochen und Monaten gab es unzählige Veröffentlichungen zu den “Gefahren des Netzes” für die Privatsphäre. Es wurde und wird gewarnt vor den sozialen Netzwerke als “unerschöpfliche Quelle persönlicher Daten”. Verbunden wird dies mit den Empfehlungen zum Umgang mit privaten Informationen. Klassiker sind stets die Partyfotos, die einem ein Personalchef beim Einstellungsgespräch vorhält und die angeblich zur Ablehnung der Einstellung führen.

Ich halte dieses Beispiel für eine der größten Legenden im Netz. Die Generation 40+, die nämlich vorwiegend vor diesen Gefahren warnt, hat offenbar gar nicht verstanden, was sich derzeit im Netz abspielt und vor allem, wie junge Leute damit umgehen.

Mir sagte kürzlich ein Jugendlicher, den ich nach dieser Thematik fragte: “Warum soll ich die privaten Partyfotos im Netz verstecken? Wenn ich deswegen keinen Job bekomme, dann ist das Unternehmen auch nicht richtig für mich. Auch der Personalchef feiert und bohrt in der Nase.” Ähnlich skizziert jetzt.de die Jugendlichen:

“Es ist uns egal. Und es ist uns auch egal, dass es ein Problem sein könnte. Wir lassen uns auf Partys fotografieren und freuen uns sogar, dass die Bilder sich anschließend im Netz wieder finden, wir dokumentieren unser Leben online, singen peinliche Lieder in YouTube-Clips oder bloggen persönliche Details in Statuszeilen und finden nichts dabei. Vielleicht ahnen wir, dass das nicht der beste aller Wege ist mit der so genannten Privatsphäre umzugehen, aber es ist uns dann doch egal.”

Während der Autor diese Aussagen freilich für überspitzt hält, halte ich sie für tendenziell realistisch. Es wird daher Zeit, diesen Kulturwandel nicht einfach nur skeptisch gegenüber zu stehen, sondern sich aktiver mit ihm auseinander zu setzen. Natürlich sollen deswegen nich alle Bedenken weggewischt werden, dennoch tut die ältere Generation gut daran, zu akzeptieren, dass ihr Nachwuchs ganz anders mit Privatheit umgeht. Ich vermute daher, dass der Facebook-Gründer Marc Zuckerberg Recht hat, wenn er die Ära der Privatsphäre für beendet erklärt. „Die Leute finden es normal, nicht nur mehr Informationen unterschiedlicher Art zu teilen, sondern auch offener und mit mehr Leuten“, zitiert ihn die FTD. „Diese soziale Norm ist etwas, das sich mit der Zeit verändert hat.“

Die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte vor einigen Tagen: „Google macht mich misstrauisch“. Mich auch, dennoch stört dies offenbar immer weniger Menschen. Und woher soll denn die Gefahr von “Street View” tatsächlich kommen? Verweigert jemand die Zusammenarbeit mit mir, nur weil er auf Street View sieht, dass mein Rasen nicht gemäht war? Wohl kaum.

Die Generation 40+ wird sich noch gut an die Diskussion um die Volkszählung in den 80er Jahren erinnern. Damals fällte das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil (Urteilstext hier) und definiert das “Recht auf informationelle Selbstbestimmung“. Die junge Generation definiert die informationelle Selbstbestimmung anders als die älteren Semester und lässt deutlich mehr persönliche Informationen auf SchülerVZ, Facebook und Co, als die damalige Volkszählen zu erheben wagte. Sie wundern sich viel eher, wenn jemand keine oder nur ganz wenig Informationen im Netz von sich veröffentlicht. Das macht sie misstrauisch.

Dies gilt übrigens nicht nur für Personen, sondern auch für Unternehmen. Firmen mit unzureichender Webpräsenz, die außerdem jeden öffentlichen Dialog mit ihren Kunden verweigern, werden es in den nächsten Jahren immer schwerer haben. Die Schlagworte vom “Schweigen ist Gold” oder “Wissen teilt man nicht” werden irgendwann nicht mehr verstanden werden.

Natürlich ist es erschreckend, was “Facebook über Nicht-Mitglieder weiß”. Man muss diese Entwicklung nicht gut finden oder fördern, aufhalten lässt sie sich aber dennoch nicht. Steve Lohn forderte in der New York Times das Redrawing der Route zur Online Privatsphäre über neue Regelungen und Tools. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Weg richtig ist. Wir müssen zunächst einmal verstehen lernen, was hier genau passiert.

So sollten wir mehr darüber lernen, wie wir mit Informationen im Netz über Personen und Institutionen umzugehen haben. Wie sind private Informationen, wenn ich sie für relevant halte, überhaupt zu deuten? Lehne ich einen Bewerber, der gute Noten vorweist und einen Top-Eindruck hinterlässt, nur ab, weil er sich vor fünf Jahren auf der Abifeier mit seinen Kumpels in “Lloret De Mar” unvorteilhaft hat fotografieren lassen? Das wäre ein fataler Fehler. Mich persönlich machen eher Menschen misstrauisch, die mir ein viel zu glattes und perfektes Profil präsentieren. Auffällig ist das etwa bei Xing, wo ja viele Mitglieder ihre Profile anderen Mitgliedern öffnen. Es gibt wohl keinen Webseite, wo mehr “Missbrauch” mit persönlichen, sprich angepassten und manipulierten Lebensläufen getrieben wird, als in diesem Businessnetzwerk.

thsch August 14, 2010 um 17:59 Uhr

Hallo,
als gerademal noch Angehöriger der Generation „40 plus“ fühle ich mich denn doch angesprochen. Es mag ja sein, dass die derzeit jüngere Generation derzeit ein anderes Verhältnis zum Umgang mit persönlichen Daten im Web hegt, aber das heißt doch nicht, dass dies unbedingt richtig sein muss und dass dies von Dauer sein muss. Zu allen Argumenten, die in Richtung Transparenz gehen, könnte man nämlich Gegenargumente bringen. Nehmen wir das Beispiel von nicht ganz vorteilhaften Bildchen und Filmchen im Web. Da sagen die Befürworter solcher Offenheit, ein Personalchef würde sich nicht davon beeinflussen lassen. Ich glaube, es könnte das Gegenteil der Fall sein. Möchten Sie denn von einem Rechtsanwalt vertreten werden, der derlei sorglos mit eigenen Daten umgeht. Wer schon solche Bilder von sich preisgibt, der kann möglicherweise auch ihm anvertraute vertrauliche Dinge nicht für sich behalten. Ich möchte solchen Personen weder als Rechtsanwalt oder Bankberater gegenübersitzen, noch möchte ich mich von einem solchen Versicherungsvertreter beraten lassen und ich glaube auch nicht, dass ein Ingenieuro bei solchen Mitarbeitern sicher sein, kann dass der vertrauliche Dinge nicht ganz aus Versehen an die Konkurenz weitertratscht.
Sicher wird es Branchen geben, für die so etwas ganz karreierefördernd ist, aber es gibt eben auch Lebensbereiche, in der eine solche Offenheit eher davon zeugt, dass derselbe wohl nicht ganz dicht ist – im doppelten Sinne. Also warten warten wir es einfach einmal ab, ob nicht die Kinder- und Enkelgeneration der Web-Generation darüber nicht ganz anders denkt.

Thomas März 17, 2010 um 09:59 Uhr

Ach, weil es gerade aktuell ist:

„MySpace verkauft nun die Daten seiner Anwender“
http://winfuture.de/news,54207.html

Thomas März 17, 2010 um 09:57 Uhr

@jonwetzlar

„Das halte ich für unrealistisch: Durchsuchen der letzten zwanzig Jahre twitter. Die Einträge müßten wahr sein. Blödsinn deine Vorstellung.“

Blödsinn ist es allein diese Vorstellung pauschal abzutun.

Das Netz vergisst nichts, was einmal getwittert oder im Blog veröffentlicht ist, landet auch in den Suchmaschinen. Darüber eine Analyse laufen zu lassen sollte technisch kein unlösbares Problem darstellen. Und ob Informationen wahr sind spielt dann auch erst mal nur eine untergeordnete Rolle, sobald sich Verdachtsmomente erhärten dass im Antrag zur PKV etwas „vergessen“ wurde, gibt’s schlicht ne Ablehnung.

David Abel März 16, 2010 um 14:52 Uhr

Ich (23) sehe das absolut ähnlich. Bei Dingen wie Wohngemeinschaften oder Mitfahrgelegenheiten ist es heutzutage eben bei <30-jährigen eher verdächtig, wenn einer kein Facebook-, StudiVZ- oder XING-Profil hat. Hingegen erlauben Profile mit einer sorgsamen Informationsauswahl und passenden Privacy Settings eine sinnvolle Darstellung nach außen, die eben bei vertrauensbasierenden Sachen wie den oben genannten stark von Vorteil sein kann.

Man sollte einfach versuchen, vor der Veröffentlichung jeder Information 2-3 Szenarien durchzugehen:

a) Wie werde ich diese Information wahrscheinlich in sechs Monaten oder sechs Jahren bewerten?
b) Wie wird mein aktueller Arbeitgeber (unabhängig davon ob er direkt Zugriff hat oder nicht und natürlich nur falls anwendbar) die Information bewerten?
c) Welche Maßnahmen muss ich treffen, wenn ich die Information später eventuell wieder entfernen möchte?

Ich glaube allerdings, dass das keine Prozesse sind, die man "der Jugend" explizit beibringen muss. Das sind einfach Kulturtechniken, die sich bei jedem Nutzer natürlich entwickeln dürften. Manche brauchen evtl. mal ein Warnschild oder einen leicht verständlichen Sicherheitshinweis, aber keinen "Medienunterricht" eines fünfzigjährigen Pädagogen, der ihnen einen paranoiden Umgang mit dem Internet empfiehlt.

Duktus März 16, 2010 um 15:48 Uhr

@David Abel: Den Satz werde ich mir einrahmen:
„Manche brauchen evtl. mal ein Warnschild oder einen leicht verständlichen Sicherheitshinweis, aber keinen „Medienunterricht“ eines fünfzigjährigen Pädagogen, der ihnen einen paranoiden Umgang mit dem Internet empfiehlt.“

Ich glaube, wir haben hier tatsächlich wieder ein Feld, in dem sich die jüngere Generation nichts mehr sagen lässt, vor allem wenn diejenigen, die den Zeigefinger heben, keine Medienkompetenz mitbringen.

Holger März 16, 2010 um 14:05 Uhr

Interessanter Gedanke, stimmt. Ich teile die Wahrnehmung aber nicht. Man muss sich nur mal ein paar fremde Profile bei StudiVZ oder Facebook anschauen, um zu sehen, dass die große Mehrheit auch der jungen Erwachsenen Fremde nur sehr eingeschränkt bis gar nicht an der eigenen Privatsphäre teilhaben lässt. Und das Zitat des Jugendlichen, der seine Fotos nicht verstecken will, weil eine Firma nicht zu ihm passt, wenn sie das Foto nicht mag: Ein bisschen rebellisch und naiv waren wir doch alle mal. Das ist für mich einfach nur Ausdruck der Wahrnehmung eines Menschen, der noch nicht so recht mit der Realität des Erwachsenenlebens konfrontiert worden ist – eines Jugendlichen halt. Das ändert sich auch noch.

Ist in jedem Fall eine sehr spannende Zeit im Moment. Ob die Entwicklung sich aber einfach so linear fortschreiben lässt, ist eine andere Frage. Ich habe eher den Eindruck, dass heute eher bewusster mit den eigenen Daten umgegangen wird als vor zwei oder drei Jahren (siehe oben).

Duktus März 16, 2010 um 14:05 Uhr

Ich vermute, dass die hier gemachten Aussagen definitiv richtig sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir das gut oder schlecht finden. Es gibt in der jüngeren Generation tatsächlich ein anderes Gefühl im Umgang mit Privatsphäre. Allerdings wird es vermutlich auch nicht lange dauern, bis es mal wieder deswegen in welcher Form auch immer knallt.

jonwetzlar März 16, 2010 um 13:44 Uhr

@Thomas: Das halte ich für unrealistisch: Durchsuchen der letzten zwanzig Jahre twitter. Die Einträge müßten wahr sein. Blödsinn deine Vorstellung. Denn die interessierten Stellen haben heute schon Möglichkeiten des Datenabgleichs und können das Risiko zB. einer PKV eines Bewerbers damit einschätzen.
Ich wünschte mir, dass die Behörden mit meinen Daten so einsehbar für mich umgehen wie google. Schnarre startet hier mal wieder ein Manöver, um von den eigenen Mauscheleien abzulenken. Seit kurzem gibt es ELENA, niemand scheint das wahrzunehmen, alle fokussieren die Sozial Plattformen im Netz als den großen Feind. Dabei verstößt dieser Regierungs-Daten-Sammel-und-Breitstellungsdienst schon in seiner Anfangsphase massiv gegen das BDSG (http://www.lawblog.de/index.php/archives/2010/03/15/kein-abruf-durch-die-abrufenden-stellen/). Das weiß auch die Frau Ministerin.

H.T März 16, 2010 um 13:36 Uhr

Sehr interessante Betrachtung. Ich glaube da ist viel mehr dran, als wir registrieren. Wenn ich meine Kinder im Teenageralter so betrachte, dann gehen die deutlich sorgloser, sie würden das selbst wohl unbefangen nennen, mit dem Netz um. Unternehmen ohne Webseite existieren quasi nicht.

Maurice Morell März 16, 2010 um 13:34 Uhr

Die Generation 40+ (dazu gehöre ich auch) hat viel zu lernen und vor allem viel zu entlernen. Liebgewonnene Glaubenssätze stehen auf dem Prüfstand.

Thomas März 16, 2010 um 12:32 Uhr

„aufhalten lässt sie sich aber dennoch nicht“ … so fatalistisch sollte man die Sache nicht betrachten, auch wenn es vielleicht realistisch gesehen so ist. Aber wenn man das Nachdenken über Schattenseiten der Entwicklung, Alternativen zu ihr, gleich einstellt, dann wird der ganz große Bumerang in Form von Missbrauch schneller kommen als wir uns das jetzt vorstellen können. Und ob man das, was wir heute als Missbrauch betrachten, später auch noch so bewertet, darf in Frage gestellt werden.

Das Beispiel mit der Bewerbungssitutaion ist ja nur eines. Ein anderes, in meinen Augen sehr viel realeres, zugegeben aber konstruiertes: Lass jemanden über mehrere Jahre twittern, den belanglosesten Scheiß ins Netz kippen. Darunter aber hin und wieder Informationen zum Gesundheitsstatus (verdammt, 3. Erkältung diesen Winter, Heuschnupfen hier, Augen schon wieder schlechter geworden usw.). In 5, 10 oder 20 Jahren geht’s dann um eine private Krankenversicherung … du weißt, worauf ich hinaus will. Personensuchmaschinen gibt es schon heute, ob es Firmen gibt die derartige Informationen auswerten weiß ich nicht, aber es wird sie geben.

Dafür muss ein Bewusstsein her. Und zwar bei möglichst vielen, allen Usern, gleich welchen Alters. Da sollte man nicht einfach mit Verweis auf einen Generationenwechsel einen Haken hinter machen.

Comments on this entry are closed.

{ 7 trackbacks }

Previous post:

Next post: