Wahrnehmungsverzerrung? Apples Marktwertüberholung von Microsofts und Foxconn-Selbstmorde

by Dirk Elsner on 31. Mai 2010

Ich hege größten Respekt vor den Anstrengungen Apples und den Managementleistungen von Steve Jobs. Was der iGuru seit seiner Rückkehr geschaffen hat, ist außerordentlich bemerkens- und bewundernswert. Dennoch wünsche ich mir gerade von den professionellen Medien mehr Distanz in der Berichterstattung. Offenbar haben aber die Verlagshäuser nach der Verheißung, der iPads werde endlich paid content zum Durchbruch verhelfen (hat Apple übrigens nie versprochen), jede Distanz zu dem Unternehmen aus Cupertino und seinem charismatischen Boss verloren.

Passend zum Verkaufsstart des iPad in Europa konnte verkündet werden, dass Apple an der Börse mehr wert ist als Microsoft. Herzlichen Glückwunsch dazu aus Bielefeld. Bei dem Vergleich der beiden IT-Riesen hätte ich mir aber wenigstens von einem Profi den Hinweis gewünscht, dass Apple trotz eines riesigen Cash-Bestandes in den letzten Jahren (oder noch nie?) eine Dividende ausgeschüttet hat. Erst im Februar lehnte es Jobs ab, etwas von den 25 Mrd. US$ Barmitteln auszuschütten. Hätte Microsoft eine ähnliche Politik verfolgt, würde der Konzern aus Seattle weiter vorn liegen (ob dauerhaft, sei mal dahin gestellt).

Apropos Wahrnehmungsverzerrung bei Apple. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum die Selbstmordserie beim weltgrößten Elektronik-Hersteller und Computer-Zulieferers Foxconn stets im Zusammenhang mit Apple genannt wird. Einzig der Blog egghat hat sich die Mühe gemacht und die Selbstmordraten des Unternehmens mit denen in China insgesamt verglichen:

“Wenn wir jetzt mal schauen, wie die Selbstmordrate in China generell aussieht. Aha, WHO scheint eine gute Quelle zu sein, auch wenn die Zahlen relativ alt sind (WHO: Suicide rates per 100,000 by country, year and sex (Table)).
Etwas unklar, was jetzt genau der richtige Vergleichswert für die Selbstmordrate bei Foxconn ist. Ja nach Geschlecht und Region schwankt der Wert zwischen 11,5 und 19,3 je 100.000 Einwohner.
Jetzt noch ein bisschen Dreisatz und die 48 Selbstmorde auf 100.000 normiert und Zack sind wir bei 12 Selbstmorde je 100.000 Foxconn Mitarbeiter. Einem Wert, der am unteren Ende der Durchschnittszahlen liegt.”

Wahrscheinlich hätte sich für die erschreckenden Arbeitsbedingungen und das Selbstmordproblem in China ohne diesen etwas konstruierten Zusammenhang mit Apple niemand interessiert. So hat es also etwas Gutes für die 800.000! Mitarbeiter des Konzerns, die nun auch mehr Lohn erwarten dürfen.

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