Gastbeitrag von Dr. Franz-Josef Lerdo*
Dass Lena erstmals seit 28 Jahren für Deutschland den Grand Prix gewann und dabei sogar die Höchstpunktzahl aus der Schweiz erhielt, ist fast schon wieder Geschichte. Sie wurde bereits Wochen vorher als Mitfavoritin gehandelt. Dass der Euro an den Finanzmärkten schon seit Wochen nicht mehr seiner Favoritenrolle, neben US-Dollar und Yen eine wichtige Reservewährung
zu sein, gerecht wird, ist ebenfalls offensichtlich. Und das seit Jahren schlechte Abschneiden des Schweizer Beitrags am Grand Prix der europäischen Sangeskünstler steht in völligem Kontrast zur Beliebtheit der Schweizer Währung am Devisenmarkt.
Der Schweizer Franken wird zur Fluchtwährung aus dem Euro. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die kurz- und langfristigen Zinsen tiefer liegen als in der Euro-Zone. Auch der australische Dollar oder die norwegische Krone, ebenfalls beliebt bei den Investoren, weisen deutlich höhere Zinsen auf. Aus der jahrelangen Rolle als Refinanzierungswährung im Rahmen von Carry Trades mutiert der Schweizer Franken zurück zum Safe Haven für internationale Anleger. Diese Rolle hat er zuvor schliesslich
schon jahrzehntelang gespielt.
Revival des Schweizer Frankens als Safe Haven
Auch in Deutschland ist neues Interesse für Schweizer-Franken-Anlagen erwacht. Die deutschen Anleger wählen dabei nicht nur den Weg, bei ihren deutschen Bankinstituten Anlagen in der Schweizer Währung vorzunehmen, sondern sie suchen häufig direkt eine Bankverbindung in der Schweiz. Beide Effekte werten den Schweizer Franken auf; der zweite Effekt führt auch wieder
zu Kapitalzuflüssen bei den hiesigen Banken. Die alten Steuervermeidungsstrategien sind dabei nicht relevant. Es handelt sich vielmehr um klassisches «cross-border onshore», also Geld in der Schweiz und Kunde mit Domizil im Ausland, alles mit den
erforderlichen Steuerbescheinigungen für den deutschen Fiskus.
Was mag das Motiv dafür sein? Offensichtlich wird positiv eingeschätzt, dass mit dem Währungs-Swing auch ein Wechsel der Jurisdiktion vorgenommen wird. Also Safe Haven im doppelten Sinn. Gerade deutsche Kunden schätzen es offenbar, zweigleisig
zu fahren, also onshore in Deutschland und cross-border onshore in der Schweiz. Ob man dabei bereits von einer Neuen Deutschen Welle sprechen kann, werden die offiziellen Statistiken der Schweizer Nationalbank und Kommentare der hiesigen Banken noch zeigen müssen. Falls ja, dann ist die Diskussion um die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes bereits durch ökonomische
Fakten beendet worden.
Finanzplatz Schweiz im Umbruch
12 Punkte gehen an Griechenland bzw. die internationalen Investoren, die auf die Budgetprobleme von Griechenland und anderen Ländern reagiert haben, was die Schwäche des Euros ausgelöst hat. Andererseits ist die Kaufkraftparität US-Dollar zu Euro wahrscheinlich sowieso eher bei 1,15 bis 1,20 anzusiedeln. Die Globalisierung, die ja nicht nur den internationalen Güteraustausch,
sondern vor allem auch den freien Kapitalverkehr betrifft, hat diese Angleichung beschleunigt. Der weitere Gewinner am Devisenmarkt ist daher folgerichtig der Schweizer Franken.
Aus dem Schweizer Blickwinkel betrachtet ist daran – neben der verminderten Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz – schade, dass mit diesen Kapitalzuflüssen strukturelle Schwächen des hiesigen Bankings zugedeckt werden. Die Transformation vom sogenannten
«steueroptimierten alten Geld» zum «neuen Geld», das den sicheren Hafen ansteuert, verlief viel schneller als gedacht.
Schweiz bleibt Spitze im Private Banking
Damit steigen aber auch die Erwartungen der Investoren dieses neuen Geldes. Diese betreffen die Beratung unter Berücksichtigung der steuerlichen lokalen Rahmenbedingungen des Heimatlandes. Der hiesige Finanzplatz befindet sich daher im Umbruch und hat
dafür wenig Zeit: Auf der einen Seite stehen Themen der Vergangenheitsbewältigung, wie neue Doppelbesteuerungsabkommen
mit den europäischen Nachbarn mit der wichtigen Frage, wie das leidige Thema des «old Money» zu regeln ist, und möglicherweise eine weitere Welle von Selbstanzeigen, speziell in Deutschland, je mehr Datensätze dort angekauft werden. Auf der anderen Seite strömt wieder Kapital zu, was zu einer Höherbewertung des Schweizer Frankens führt. Und dabei geht es nicht nur um deutsche «Fluchtgelder » in den Safe Haven, sondern auch um Zuflüsse aus vielen anderen europäischen Ländern – ein europäischer Grand Prix der ganz speziellen Art. Die Schweiz mit ihren verschiedenen Sprachregionen und ihrer Internationalität
kommt damit wieder in ihre traditionelle Rolle, die sie bestens kennt. Beim Singen war sie in den letzten Jahren europäisch wenig erfolgreich, aber im Private Banking/Wealth Management ist die Schweiz weiter Spitze. Auch ohne Stefan Raab.
fj.lerdo@ifwniggemann.ch.
*Institut für Wirtschaftsberatung, Niggemann, Dr. Lerdo & Partner, Family Office GmbH, Herrliberg. Gastbeitrag zunächst erschienen in dem Schweizer Magazin Private. Mit Genehmigung des Verfassers für den Blick Log übernommen.
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