Tierisch! Animal Spirits finden Eingang in ökonomische Modelle

by Dirk Elsner on 29. April 2011

Es ist ja außerhalb der Zunft der professionellen Mainstream-Ökonomen bekannt, dass die neoklassischen Modelle der Wirtschaftstheorie zwar gut geeignet sind für Examensklausuren, jedoch so gut wie kein Phänomen der ökonomischen Praxis erklären können. Die Liste der (vorwiegend nichtakademischen) Beiträge, die mit der Lehrbuchökonomie abrechnen, ist lang (siehe Auswahl hier). Zu den prominenten Kritikern gehören Robert Shiller und George Akerlof, die mit ihrem Buch “Animal Spirits – Wie Wirtschaft wirklich funktioniert” einen gut zu lesenden Gegenentwurf vorlegten, dem freilich noch die wissenschaftliche Tiefe fehlte. Sie erhoben aber mit dem Buch nicht den Anspruch, ein vollständiges wissenschaftliches Paradigma vorzulegen, sondern wollten die Diskussion anstoßen (ausführlich zu dem Buch in “Mit Animal Spirits durch die Finanzkrise”).

In dem Buch schrieben sie u.a.:

“Keynes räumte sehr wohl ein, dass ökonomisches Handeln großenteils von rationalen ökonomischen Motiven bestimmt wird, setzte dem aber entgegen, dass es häufig von Instinkten beeinflusst wird, den von ihm so genannten Animal Spirits. Der Mensch verfolgt nicht allein ökonomische Ziele. Und auch dann, wenn er seine ökonomischen Interessen im Auge hat, handelt er nicht immer rational. Nach Keynes’ Auffassung sind die Animal Spirits die wichtigste Ursache für Schwankungen der Konjunktur und für unfreiwillige Arbeitslosigkeit.”

Beim Blättern in der März-Ausgabe der Zeitschrift Wisu stieß ich dann auf einen kurzen Beitrag des Kieler Professors Andreas Thiemer über den belgischen Forscher Paul De Grauwe (Wirtschaftsprofessor für Internationale Wirtschaft an der Katholieke Universiteit Leuven). Er versucht die “Animal Spirits” in ein verhaltensökonomische Konjunkturmodell (“behavioural macroeconomic model”) mit entsprechenden (hier nicht abgeschriebenen) Formeln zu gießen. Thiemer schreibt dazu:

„Statt der im Grundmodell üblichen rationalen Erwartungen unterstellt De Grauwe eine heuristische Erwartungsbildung. Dabei stehen sich zwei Typen von Prognostikern auf den Märkten gegenüber. Die Fundamentalisten erwarten, dass die Gesamtwirtschaft auf den Gleichgewichtspfad zurückkehrt, während die übrigen Akteure glauben, dass die aktuelle Konjunkturlage andauert (extrapolative Erwartung). Je erfolgreicher eine Methode gemessen an ihren Prognosefehlern in der Vergangenheit ist, desto mehr Akteure wenden sie an. Ausgeprägte Konjunktzyklen können so mit wechselnden Stimmungslagen auf den Märkten erklärt werden, …”

Wer es ausführlich mag, der kann selbst im Arbeitspapier von De Grauwe nach lesen, das unter dem Titel “Booms and Busts: New Keynesian and Behavioral Explanations” (38 Seiten, pdf) im Dezember erschienen ist. Das Arbeitspapier dürfte aber eher etwas für fortgeschrittene Ökonomen sein. Als Wirtschaftspraktiker kann und will ich die Qualität dieses Modells nicht beurteilen (vielleicht kann das ja der eine oder andere Leser).

Ich finde den Ansatz eine Entwicklung in die richtige Richtung, nämlich verhaltensökonomische Ansätze in die Modelle zu integrieren. Ich befürchte allerdings, dass wir noch zwei bis drei Wirtschaftskriesen über uns ergehen lassen müssen, bis man aus solchen und weiteren Modellen Rückschlüsse für die praktische Wirtschaftspolitik ziehen wird.

nigecus April 29, 2011 um 23:28 Uhr

Das De Grauwe Paper kann man verstehen, wenn man 2-Agenten Modelle schon kennt. Im Paper wird ja explizit gesagt, dass man sich die beiden Agenten Fundamentalanalyst vs Technische Analyse aus der Marktmikrostrukturtheorie ausgeborgt hat (Der „Fundamentalist“ strebt immer auf irgendein vordefiniertes Gleichgewicht, während der „Chartist“ positives oder negatives Feedback-Trading betreibt bzw. Bubbles reitet bzw. die jüngere Vergangenheit in die Zukunft extrapoliert). De Grauwe bastelt diese 2-Agenten in die großen Demand-, Supply- etc. Formeln rein (Dazu sollte ich dann lieber doch ein Makroökonom etwas sagen..). Auf jedenfall klingt es plausibel dass es da 2 heterogene Zukunftserwartungen geben muss, damit Autokorrelation im BIP entstehen (sprich Konjunkturzyklen).

Lesetip: Diese 2-Agenten Modelle bestehen immer aus 3,4,5,… Teilmodellchen, was die Sache am Anfang kompliziert erscheinen lässt. Wenn man zwei oder drei solcher Paper gelesen hat fällt es einfacher. Man muss wirklich einmal vorher Querlesen um zu Blicken wo etwas steht. Erst danach sollte man an die Details gehen und sich über die Interpretation von Parametern erfreuen.

@Tobias: Auf Seite 14 im Fuster/Liabson/Mendel Paper wird erwähnt, dass nicht berücksichtigt wird dass zwischen den 2 Erwartungsbildungsarten gewechselt wird (bzw. die Anzahl/Menge der Agenten die eine best. Erwartungsbildung benutzen sich ändert). Dieses Switching ist aber ganz wichtig um Schwankungen/Fluktuationen/etc. zu erzeugen. Im Fuster/Liabson/Mendel Paper wird gesagt „es gibt das (Teil)modellchen und das (Teil)modellchen“ zur Erwartungsbildung, und um zu gucken wie deren Systemverhalten „geben wir mal einen einmaligen Schock oder Impuls“ rein.

Tobias April 29, 2011 um 01:06 Uhr

Wie gut das Papier ist vermag auch ich nicht zu beurteilen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Ansatz sehr ähnlich dem in einem vor Kurzem im JEP erschienenen Artikel von Fuster, Laibson und Brock Mendel zu sein scheint: http://www.economics.harvard.edu/faculty/laibson/files/JEP%2BFuster%2BLaibson%2BMendel%2Bfinal.pdf

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