Je renommierter der Fachmann, desto schlechter die Prognose oder im Prophetengeschäft gibt es keine Qualitätskontrolle

by dels on 27. Mai 2011

Zwei interessante Artikel habe ich jüngst über Philip Tetlock gelesen. Der amerikanische Politologe hat sich intensive über die Qualität und Treffsicherheit von Fachleuten geforscht. Tetlock fand heraus, so schrieb John Kay in der Printausgabe für des Handelsblatts:

“dass seine Fachleute keine sehr guten Prognostiker waren. Insgesamt waren ihre Expertisen etwas schlechter als naive Extrapolationen. Ein wenig Fachwissen hilft allerdings: Die Auguren schlugen Schimpansen, die ihre Wahl nach dem Zufallsprinzip trafen. Das Niveau an Wissen, das sich als nützlich erwies, war recht bescheiden: Es entsprach ungefähr dem, das ein eifriger Tageszeitungsleser erreicht. Größere Expertise war nicht hilfreich. Aber Tetlocks überraschendste Konklusion war, dass die Qualität einer Prognose vom Bekanntheitsgrad der Person abhing. Nicht in der Art, die Sie erwarten: Gerade schlechte Prognostiker werden am meisten von Politikern, Unternehmern und Journalisten herangezogen.”

Der Mitherausgeber der Wochenzeitung DIE ZEIT, Josef Joffe, setzte noch eins drauf und erklärt uns, warum Experten als Weissager so gut sind wie Bleigießer. Joffe kommt zu der für Leser dieses Blogs wenig überraschenden Erkenntnis (siehe dazu “Erweckt das Echtzeitweb den Laplaceschen Dämon?”), dass sich komplexe Sacherhalte in Politik und Wirtschaft nicht vorhersehen lassen und fragt, warum wir dennoch ständig wieder “Expertenprognosen lesen. Seine Antwort:

“Davon leben die sogenannten Experten, und je wilder die Vorhersage, desto höher die Aufmerksamkeit. Wer bedacht und bescheiden die unendliche Komplexität menschlicher Existenz analysiert (»Vielleicht so, aber vielleicht ganz anders«), wird nie wieder in die Talkshow eingeladen. Die Bühne beherrschen immer die Pauken, nicht die Piccoloflöten. Noch besser: Keiner wird für den Unsinn geächtet oder gefeuert. Im Prophetengeschäft gibt es keine Qualitätskontrolle.”

Tetlock gehört übrigens zu den Wissenschaftlern, die sich für Prognosemärkte interessieren. Das sind virtuelle Handelsplätze, auf denen Marktteilnehmer Erwartungen über den Ausgang von Ereignissen handeln (siehe dazu insbesondere “Vorhersagebörsen stellen Expertentum in Frage”).

Olaf Storbeck Mai 28, 2011 um 08:14 Uhr

Zu diesem Thema kann ich das neue Buch von Tim Harford aus ganzem Herzen empfehlen. „Adapt“, ich werde es demnächst in meinem Blog rezensieren. Wirklich super!

dels Mai 30, 2011 um 09:49 Uhr

Na dann werde ich es auf meine Bestellliste packen und freue mich auf die Rezension.

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