Handelsblatt Ökonomie Newsletter – R.I.P.

by Karl-Heinz Thielmann on 20. März 2014

Ich weiß nicht, wie es den Lesern dieses Blogs geht, aber innerhalb der Flut der Gratis-Newsletter, die unsere Email-Posteingänge überfluten, habe ich einen doch ganz gerne dann und wann gelesen: den „Handelsblatt Ökonomie Newsletter“.

Dies lag natürlich einerseits daran, dass gelegentlich auch Beiträge aus diesem Blog dort weiterempfohlen wurden (und manchmal sogar meine Gastbeiträge), wie ich nicht ganz uneitel zugeben muss. Andererseits wurde regelmäßig auch auf interessante ökonomische Beiträge aus verschiedenen Blogs oder anderen Quellen des Internets hingewiesen. Zwar gab es immer auch dezente Hinweise auf bestimmte Angebote des Handelsblatts. Dennoch war klar zu erkennen, dass sich die Macher bemühen, einen vielfältigen Querschnitt von interessanten und innovativen Ökonomenmeinungen darzustellen.

Zu meinem größten Bedauern musste ich dann in der Ausgabe vom 6. März lesen:

„Vom kommenden Freitag an erhalten Sie an Stelle des Ökonomie-Newsletters jede Woche das neue Wirtschaftsbriefing „Der Chefökonom“ direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Es bietet pointierte Kommentare und Analysen zum aktuellen Wirtschaftsgeschehen von den Experten des Handelsblatt Research Institute um Professor Dr. Bert Rürup, eine Bewertung der wichtigsten Konjunkturdaten sowie eine Vorschau auf die kommende Woche.“

Inzwischen habe ich die erste Ausgabe von „Der Chefökonom“ erhalten, und muss sagen, er ist grauenhaft. Zwar beginnt er vielversprechend mit dem Röpke-Zitat:

„Wirtschaften ist nichts anderes als die fortgesetzte Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten und die Nationalökonomie im Grunde nichts anderes als die Lehre von den Alternativen.“

Was dann kommt, sind keine neuen Alternativen, sondern der ein Einheitsbrei aus Selbstbeweihräucherung, Allgemeinplätzen und Produktwerbung, mit dem deutsche Ökonomen auch an anderer Stelle ihren Beitrag zur Volksverdummung liefern. Der 70jährige Institutsleiter Bert Rürup wird als Superökonom inszeniert. Banale Erkenntnisse werden als besondere Weisheiten präsentiert, wie z. B. dass Mütterrente und Rente mit 63 ökonomisch höchst fragwürdig sind; oder, dass Russland ein Schwellenland ist.

Zwar gibt es noch ganz weit hinten im Newsletter als „Must-read der Woche“ ein paar Links zu externen Blogs bzw. Ökonomenseiten. Dies geht aber zwischen „Unsere Analysen“; „Rürup direkt“; „HRI in der Presse“; „HRI im Dialog“ usw. sowie diversen nutzlosen Terminübersichten unter. Wer will so etwas wirklich lesen?

Die Verlagsleitung des Handelsblatts hat wahrscheinlich viel Geld für Herrn Rürup und sein Research Institute ausgegeben. Ich habe ja Verständnis dafür, dass man versucht, hierfür Werbung zu machen und die Erzeugnisse irgendwie zu vermarkten. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Herr Rürüp versucht, dem langweiligen Rentnerdasein zu entgehen. Vielleicht treibt ihn ja auch blanke Not, weil er sein ganzes Geld in die nach ihm benannten Rentenpläne gesteckt hat und jetzt erkennen muss, dass die nicht reichen. Warum man dafür den Ökonomie Newsletter killen musste, ist mir allerdings nicht einsichtig.

Vielleicht liegt es ja daran, dass eine Vermarktung des sog. Research auf konventionellem Wege sehr schwierig zu sein scheint, und man jetzt zu Verzweiflungstaten schreitet. Wenn ich mir z. B. anschaue, was das Handelsblatt Research Institute z. B. als Unternehmensdossier ab ca. 2.000,00 € anbietet (ein Beispiel ist auf der Website anzusehen), finde ich dieses als gelernter Finanzanalyst schon sehr witzig. Offenbar sind den „Experten“ dieses Instituts so banale Dinge wie Kennzahlenanalyse völlig unbekannt. Auch konkrete Aussagen zu möglichen zukünftigen Entwicklungen fehlen komplett. Stattdessen finden sich eine Kurzfassung des Geschäftsberichts, ein Aktienchart, allgemeine Aussagen zur Marktsituation und zum Wettbewerb, sowie aktuelle Pressenotizen. Insgesamt also Informationen, die ein Praktikant in 5 Minuten aus dem Internet ziehen kann, aber keinerlei Anzeichen für irgendein analytisches Vorgehen. Ein Wikipedia-Eintrag und auch die meisten Handelsblatt-Artikel sind weit informativer. Konkurrenten wie beispielsweise Reuters bieten übrigens auch Dossiers als Bezahlresearch an, dies sind dann aber vollständige Analysen und kosten US$ 20,- pro Ausgabe.

Ich finde es sehr schade, dass man für die Vermarktung von solchem Pseudo-Research einen der wenigen wirklich lesenswerten Newsletter geopfert hat, der sich tatsächlich um Meinungsvielfalt und innovatives ökonomisches Denken bemüht hat. Deswegen ein Kompromissvorschlag am Schluss: Vielleicht kann man beim Handelsblatt den „Ökonomie Newsletter“ wiederbeleben und parallel zu „Der Chefökonom“ anbieten, damit der Leser selber entscheiden kann, was er will. Damit würde man auch dem Sinn des eingangs genannten Röpke-Zitates zum Aufzeigen neuer Alternativen näher kommen. Darüber würde nicht nur ich mich freuen.

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