Dubai hat sich gigantische wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationen vorgenommen. Der seit den 80ern von 54 auf 7 % zurückgehende Anteil von Öl und Gas am Bruttosozialprodukt fordert eine aktive Strukturpolitik. Das zunächst hohe Wachstumstempo Dubais wurde in und von der Finanzkrise jäh unterbrochen. Der Einbruch ist gestoppt. Haben sich die Investitionen in die Infrastruktur bezahlt gemacht? Hat Dubai von den Auswirkungen der Übertreibungen gelernt? Hier ein Blitzlicht von Dubai, unserer letzten Station einer Reise durch den mittleren Osten.
Stolz und Ehre sind Kraftquellen und Ziele arabischen Handelns. Der Status und die Entwicklung des Emirates Dubai wird der Welt durch die palmenförmigen künstlichen Inseln bei Jumeirah und bald auch bei Deira, die Entwicklung der künstliche Inselgruppe The World und das höchste Gebäude der Welt, den Burj Khalifa, gezeigt. Dubai als Drehscheibe zwischen Abendland und Asien, für den internationalen Handel, den Flugverkehr und als boomender Standort für den Tourismus wurde die neue materielle Basis der Transformation. Insbesondere der Burj Khalifa wird despektierlich des Öfteren als „Turm von Babel“ bezeichnet. Die Bibel interpretiert das architektonische Meisterwerk der Babylonier als den von Gott bestraften Versuch der Menschen, einen Turm in den Himmel zu bauen, um sich selbst zu Göttern machen zu wollen. Doch Obacht: der Historiker Gerd Lüdemann weist darauf hin, dass „diese Geschichte … eine Kritik an dem (enthält), was eine andere Religion oder ihre Vertreter tun“. Deshalb nehme ich mir auch nur das Recht, das Projekt Dubai immobilien- und volkswirtschaftlich zu bewerten. Und da überwiegt meine Skepsis.
Die Informationen über den Büromarkt sind recht widersprüchlich. Auf der einen Seite stehen im Central Business District (CBD) fast ein Drittel der Büroflächen leer, während nach Angaben von Maklern gleichzeitig Wartelisten bestehen sollen. Trotz wachsender Nachfrage sinken die Leerstände nicht, da gleichzeitig neuer Büroraum entsteht. Die Leerstandsraten außerhalb des CBD erreichen teilweise 90%. Ich konzentriere mich in meinem Blitzlicht auf die technische und wirtschaftliche Verfassung des von Dubai selbst gewählten Symbols für den gelungenen Transformationsprozess, das höchste Gebäude der Welt.
Zugegeben, ich finde den Burj Khalifa nur technisch beeindruckend. Er ist an dieser Stelle weder schön und noch dazu ein immobilienwirtschaftliches Desaster. Was ein Grundmuster dubaianischer Immobilienentwicklung zu sein scheint. Ende 2009 hat Frank Elsner in Dubai: Erinnerungen an Hochzeiten und “vergessene” Prognosen der Experten alle Projekte vom rotierenden Hotel bis zum damals noch als Burj Dubai immer höher werdenden Gebäude kritisch beschrieben. Die Umbenennung war der Preis, den Scheich Khalifa bin Said al-Nahjan aus Abu Dhabi verlangte, um dem klammen Dubaianer Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum unter die Arme zu greifen. Die technischen Herausforderungen sind nur eine Seite beim 828m hohen Burj Khalifa, von dessen insgesamt 206 Stockwerken 162 als Netto-Geschoßfläche geplant, davon jedoch 26 Etagen aus technischen Gründen nicht nutzbar sind. Die beim Burj Khalifa vom Start weg bekannten technischen Probleme sind unbedeutend gegen das, was technisch an diesem Ort gestemmt werden musste. Auch dies symbolisch: Transformationsprozesse in diesen Dimensionen hinterlassen Blessuren; und bieten den abendländischen Beobachtern Gelegenheit, dem Scheich eine lange Nase zu machen.
Das höchste Gebäude der Welt ist unwirtschaftlich und als rundum voll verglastes Gebäude energetisch für diese Klimazone eine Absurdität. Die dadurch entstehenden Kosten für die laufende Unterhaltung haben bereits zu erstem Ärger geführt. Hintergrund ist jüngst ein Streit um die Nebenkosten, die im Burj Khalifa noch einmal ein kleines Vermögen kosten. 25.000 USD kommen für ein Ein-Zimmer-Apartment schnell zusammen. Der Betreiber hat nun damit gedroht, den Widerspenstigen den Aufzug (es gibt davon 57) oder die Klimaanlage abzustellen. Während das technische Facility Management die feinsten durch den Wüstensand verursachten Schäden an der Verglasung beseitigen muss, um Instabilität verursachende Druckschwankungen zu verhindern und die Statik des Turms dem tückischen Wind standhält, gerieten bereits Ende 2008 die euphorischen Erwartungen zur Entwicklung der Immobilienmärke in Dubai ins Wanken. Dies ist die wirtschaftliche Seite der Medaille. Die Rentabilitätsrechnung kapituliert spätestens an den gigantischen Übertreibungen.
Noch 2009 schien alles zu platzen. Doch Dubai habe die Wirtschaftskrise überwunden, schreibt zumindest die NZZ. Ein wenig wundert es schon, dass sie dies allein am Beispiel der positiven Entwicklung des Hotelmarktes zu belegen versucht. Dieser Markt hat frühzeitig auf die Überhöhungen reagiert. So eröffnete der französische Konzern Accor ein Vier(!)-Sternehotel. Weitere Standbeine sind auch wichtig angesichts der Tatsache, dass die energetische Bewirtschaftung der Gebäude und des gesamten Emirats endlich ist. Jeder der ca. 1 Mio. Einwohner verbraucht durchschnittlich 550 Liter Wasser täglich (Deutschland 127 l/EW); 18 Prozent der eigenen Ölvorkommen werden mittlerweile für den energieintensiven Lebensstil selbst verbraucht. Tourismus und die Bauindustrie (sic) sind neben dem Dubai International Airport die treibenden Kräfte der wirtschaftlichen Erholung. Die Fluglinie Emirates transportiert mehr Passagiere als die Lufthansa.
Dubai wird die Weltausstellung Expo 2020 veranstalten und plant, eine völlig neue Stadt um das Ausstellungsgelände zu errichten. Nach meinen Beobachtungen ist die errichtete Infrastruktur weitgehend ausreichend. Dennoch haben sich Deutsche Unternehmen bereits vor zwei Jahren wieder gefreut, dass sich hier nach wie vor rund 25 Prozent der Baukräne der Welt drehen. Es bleibt die Frage, ob Stolz und Ehre des Scheich von Dubai eine maßvolle Immobilienentwicklung befördern und er 2020 eine gelungene Transformation präsentieren kann oder neue Überhitzungen am Immobilienmarkt zu erwarten sind. Auch wenn der Scheich von Abu Dhabi ein Auge auf den ehrgeizigen Nachbarn hat und der Kapitalmarkt zurückhaltender spekuliert, da der Staat Dubai nicht für die Verbindlichkeiten der staatlichen Investmentgesellschaft eintreten will, bin ich skeptisch.
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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen tätig.
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