Über Apples Steuergeheimnisse: Geisterfirmen, die nirgendwo Steuern zahlen: (Teil 2)

by Gastbeitrag on 10. September 2014

Von Bastian Brinkmann, exklusiver Auszug aus dem Buch „DIE GEPRELLTE GESELLSCHAFT“*

Die geprellte Gesellschaft Bastian Brinkmann DVA

Fortsetzung von Teil 1

 

Die Holdings, die die iPhones verkaufen, müssen ihre Gewinne eigentlich in Irland versteuern. Der irische Staat hat bereits eine der niedrigsten Körperschaftsteuern, die auf Konzernprofite fällig wird: 12,5 Prozent. Die US-Senatoren gehen allerdings davon aus, dass Apple einen Deal mit der irischen Regierung ausgehandelt hat, damit der Konzern noch weniger zahlen muss: zwei Prozent. Denn Apple ging bereits 1980 nach Irland, als die Insel noch händeringend nach ausländischen Investoren suchte und Firmen mit niedrigsten Steuersätzen anzulocken versuchte.

Doch nicht mal die zwei Prozent zahlt Apple in Irland. Denn die Gewinne aus den iPhone-Verkäufen fließen größtenteils an die staatenlose Firma Apple Sales International. Von 2009 bis 2012 hat Apple weltweit 88 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Davon verbuchte die Geisterfirma Apple Sales International74 Milliarden Dollar. Mehr als achtzig Prozent der Einnahmen landen so im staaten- und steuerlosen Niemandsland.

Der Trick funktioniert, weil Apple Sales International die Rechte am wertvollen geistigen Eigentum des Konzerns besitzt, dem sogenannten intellectual property. Der Begriff bezeichnet die nichtphysischen Bestandteile, die ein Apple-Produkt aus­ machen: die Marke, das Design. Teure Zutaten, die entscheidend zum Erfolg der iPhones und iPads beitragen. US-Senator Levin bezeichnete diese Rechte als Apples »Goldesel«, den derKonzern nach Irland transferiert habe. Geregelt ist das in einemVertrag aus dem Jahr 2008 zwischen Apple Inc., dem Mutterkonzern, und Apple Operations Europe, einer der Geisterfirmen,auf der einen Seite sowie der ebenfalls staatenlosen Apple SalesInternational auf der anderen Seite. Darin erklären die Firmen,die Kosten zu teilen, die durch Forschung und Entwicklung anfallen, für innovative neue Produkte. Apple Inc. behält die Rechte, diese Produkte in Nord- und Südamerika zu vermarkten und zu verkaufen. Apple Sales International kommt zum Zug, wenn iPhones und iPads im Rest der Welt verkauft werden.

Die Unterschriften unter dem Vertrag lesen sich bizarr. Apples Finanzvorstand Peter Oppenheimer signiert für den Mutterkonzern Apple Inc., Schatzmeister Gary Wipfler für die staatenlose Apple Operations Europe, und Apple-Chef Tim Cook selbst für die ebenso staatenlose Apple Sales International. Drei führende Apple-Manager aus Cupertino schließen miteinander einen Vertrag, in dem zwei der drei Männer Geisterfirmen repräsentieren. Für Senator Levin haben sie mit ihren Unterschriften darüber entschieden, wie viel des Konzerngewinns richtig besteuert werden soll und wie viel über Steueroasen fließt. Profite aus USA, Kanada und Mexiko werden zu 35 Prozent in Amerika besteuert, Einnahmen aus Deutschland, Frankreich oder Südkorea gar nicht. »Sie verlagern ihre Kronjuwelen«, sagt Levin.

Zu 95 Prozent findet die innovative Arbeit, die hinter neuen Apple-Produkten steckt, in den Vereinigten Staaten statt, so die Senatoren. Zwischen 2009 und 2012 hat der Mutterkonzern Apple Inc. 38 Milliarden Dollar an Gewinn erwirtschaftet. Davon steckte die Mutter 4 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung, so sieht es die Kostenvereinbarung mit Apple Sales International vor. Die Geisterfirma zahlte rund 5 Milliarden Dollar der Entwicklungskosten. Die Gewinne beliefen sich aber auf 74 Milliarden Dollar. Ist das eine faire Vereinbarung? Der Mutterkonzern steckt zehn Prozent des Gewinns in neue Produkte, die Geisterfirma prozentual nur halb so viel? »Der gesunde Menschenverstand sagt, dass Apple einen so lukrativen Deal nie einer Fremdfirma angeboten hätte«, sagt Levin. Wenn die Kostenvereinbarung steuerlich wirksam sein soll, muss sie so geschlossen sein, wie es fremde Firmen untereinander tun würden. Die Amerikaner sprechen von sogenannten Arm’s-lenght-Verträgen, von Abkommen zwischen Parteien, die sich nicht zu nahekommen, sodass quasi noch eine Armlänge Abstand zwischen ihnen ist. Das zweifelt Levin in Apples Fall an. Aber selbst wenn die irische Tochter einhundert Prozent der Entwicklungskosten tragen würde, führt er fort, würde der Vertrag immer noch dazu dienen, »massiv Profite in einer Steueroase zu konzentrieren«.

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* Das Buch „Die geprellte Gesellschaft – Warum wir uns mit der Steuerflucht von Reichen und Konzernen nicht abfinden dürfen“ ist im DVA Verlag erschienen und seit dem 8.9.2014 im Verkauf. Der exklusiver „Abdruck“ hier erfolgt auf Anfrage des Blick Logs und mit Genehmigung des Verlages und des Verfassers. Eine Leseprobe gibt es hier.

Bastian Brinkmann, geboren 1988, hat Volkswirtschaftslehre und Politik studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Nach Stationen in Korea, Dublin und Brüssel arbeitet er heute als Wirtschaftsredakteur im Online-Team der „Süddeutschen Zeitung“. Seit dem Frühjahr 2013 hat er dort die Enthüllungen der Offshore-Leaks mitrecherchiert und das gigantische Datenleck aus dem Inneren der Steueroasen ausgewertet. Für diese Arbeit wurde er mit seinem Team im Oktober 2013 mit dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis ausgezeichnet (aus der Verlagsinformation).

Bastian betreibt eine eigene Webseite: Bastian Brinkmann

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