Warum sollen wir uns um Ungleichheit kümmern?

by Gastbeitrag on 6. November 2014

Gastbeitrag von Acemaxx Analytics’’*

„Ungleichheit“ ist in aller Munde. Die Frage wurde zunächst durch die „Occupy-Bewegung“ wiederbelebt und hat dann durch das Buch von Thomas Piketty politisch an Brisanz gewonnen. Mit der Debatte über Mindestlohn steht sie nun endgültig im Mittelpunkt der Tagesordnung der Öffentlichkeit.

Bevor wir eine Antwort darauf suchen, warum wir uns um Ungleichheit kümmern sollen, ist es wichtig, darauf hinzudeuten, dass der Begriff „Ungleichheit“ in vielen Zusammenhängen verwendet wird.

Damit es klar wird, was gemeint ist, wenn man über Ungleichheit redet, sind drei Aspekte zu vergegenwärtigen, wie Dietz Vollrath in seinem Blog nahelegt:

  1. Die 1% versus 99%. Das heißt der Unterschied im durchschnittlichen Jahreseinkommen der obersten 1% aller Haushalte im Vergleich zum durchschnittlichen Jahreseinkommen der unteren 99%.
  2. Die Stagnation der Reallöhne (median real wages) und diejenigen unter dem Median.
  3. Das College Premium oder die Lücke im Verdienst zwischen denjenigen, die einen College-Abschluss haben und denjenigen, die keinen College-Abschluss haben.

Warum sollen wir uns aber um die Stagnation der Reallöhne (median wages) kümmern?

Erstens; weil ich besser gestellt werde, wenn jeder am Wohlstand teilhaben kann, erklärt der an der University of Houston lehrende Wirtschaftsprofessor. Was er damit meint, sind Dienste wie Bildung, Gesundheitsversorgung Reparaturen zu Hause usw, die leicht verfügbar und billig sind.

Die Art und Weise, dies zu erreichen, liegt an der Entwicklung eines großen Vorrats an Fachkräften wie z.B. Lehrer, Krankenschwestern, Elektriker, Zimmerleute usw. Diejenigen Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung haben oft nicht genug Einkommen, um solche Investitionen privat zu tätigen, sodass es der öffentlichen Bereitstellung dieser Investitionen (z.B. Schulen) bedarf oder Transfers, um private Auslagen zu unterstützen.

Man kann aus ideologischen Gründen öffentliche Investitionen oder Transfers ablehnen. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass stagnierende Löhne ein Hindernis für diese Investitionen sind.

Zweitens, weil die Menschen am unteren Rand der Einkommensverteilung einfach da sind und nicht verschwinden werden. Wir können in diese Menschen investieren oder wir können mit unserem Geld versuchen, uns vor diesen Menschen mit dem Bau von Gefängnissen und dem Einsatz von Polizeibeamten zu schützen.

Es gibt aber auch Gegenargumente: „Ich kümmere mich nicht um Ungleichheit per se, sondern darum, dass es auf dem Arbeitsmarkt strukturelle Probleme gibt. Warum packen wir nicht solche grundlegenden strukturellen Probleme nicht an?“

Vollrath antwortet darauf, dass diese strukturellen Fragen ein Problem der Unterinvestitionen sind. Die gegenwärtige Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Bevölkerung kann organisch nicht dafür sorgen, dass solche Investitionen getätigt werden. Die Allokation ist also ein Problem.

Kurzum: Wenn man sich um diese strukturelle Probleme kümmert, kommt man nicht darum  herum, über die Verteilung von Einkommen und Vermögen im Besonderen zu reden.

Was ist zu tun? Vollrath befürwortet die Anhebung der Grenzsteuersätze und Vermögenssteuersätze, und zwar zurück auf die Ebene in den 1990er Jahren.

Exkurs:

Der typische Haushalt beruht auf dem „Median“, dem Haushalt in der „Mitte“. Das heißt, dass die Hälfte der Haushalte im Land ein höheres Einkommen hat und die Hälfte ein niedrigeres.

Median-Einkommen: Jenes Haushaltseinkommen, bei dem die Hälfte der Haushalte ein höheres und die Hälfte an niedrigeres Einkommen hat.


Der Beitrag ist ein erlaubter Crosspost des Blogs Acemaxx-Analytics und ist ursprünglich hier erschienen.

DerWarner November 8, 2014 um 12:37 Uhr

Vielleicht ein ganz Interessanter Beitrag dazu:

http://future.arte.tv/de/wachstum

H.Ewerth November 8, 2014 um 11:35 Uhr

Soziale Weltpolitik? Bei allem Respekt, täglich sterben einhunderttausend Kinder an Hunger und deren Folgen von Hunger auf der Welt, während der sog. Westen mit gerade einmal ca. 12% der Weltbevölkerung täglich tonnenweise Lebensmittel wegwirft? Seit Jahrzehnten hat die sog. westlich Welt „Freihandelsabkommen“ mit diversen Dritte Welt Länder geschlossen, ( mehr oder weniger fand Erpressung statt) wovon in ersten Linie der sog. Westen profitiert.

Die Menschen vor Ort aber verlieren ihr Existenzgrundlagen, weil sie mit den hoch subventionierten Waren aus dem Westen nicht konkurrieren können. Aber die prekär Beschäftigten, Arbeitslosen Europas, mit den dritte Welt Ländern zu vergleichen, um damit diese dann gegeneinander auszuspielen, zeigt doch welch Zynismus dahinter steckt.

Tim November 10, 2014 um 09:14 Uhr

Noch nie ist die globale Armut so wirksam bekämpft worden wie in den letzten 20 Jahren. Inzwischen gibt es sogar in Afrika Aufbruchstimmung! Natürlich gibt es noch viel Elend auf der Welt, aber die Tendenz ist höchst ermutigend.

Daß alle Subventionen in den Industrieländern abgebaut werden sollten, stimmt aber natürlich.

3CS November 7, 2014 um 11:48 Uhr

Na was meint Ihr, wie lange kann man dieses System noch aufrecht erhalten? Es wird der Zeitpunkt kommen an dem die 99% die Schnauze voll haben. Wir glauben hier in Deutschland das wir auf einer Insel der Glückseligen leben, aber dem ist nicht so. HATZ4 lässt grüßen, nichts mit sozialer Hängematte sondern sozialer Ausschluss ab der frühsten Kindheit. Kein Geld fürs Schwimmbad, kein Geld für Strom, kein Geld für gesundes Essen und Eltern die schon lange die Hoffnung verloren haben jemals aus dieser Scheiße heraus zu kommen. Das ist die Realität für sehr viele Menschen auf unserer Insel der Glückseligen.
Warum sollen bitteschön 1 – 5 Prozent auf dem Rücken der anderen ein leben in Saus und Braus leben? Gib es dafür eine vernünftige Erklärung? Das amerikanische Modell ist einfach nicht erstrebenswert und ich denke das sieht die Mehrheit der deutschen Bürger genau so.

Tim November 6, 2014 um 12:17 Uhr

Es ist etwas merkwürdig, zunehmende Ungleichheit innerhalb von Staaten zu beklagen, wenn die globale Ungleichheit doch seit langem abnimmt. Ist der deutsche Arbeitnehmer mehr wert als der chinesische? Das kann doch keine plausible Position sein.

Die globale Arbeitsteilung führt seit mehreren Jahrzehnten dazu, daß wir eine sensationell erfolgreiche Weltsozialpolitik betreiben. DAS ist doch die Hauptbotschaft.

rafa64 November 6, 2014 um 11:33 Uhr

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