Praktikum im Jahr 2014: “Ich war jung und brauchte das Zeugnis”

by Gastbeitrag on 17. Dezember 2014

Gastbeitrag einer Praktikantin*

„Ich brauche dieses Zeugnis“, war mein Mantra für die 3 Monate, die ich in einem Theater verbrachte, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Theater an die Stellen zu bringen, an denen es gebraucht wurde. Klartext: Sie arbeiten mit Schauspielern, die eine Geschichte zu erzählen hatten: Drogenabhängigen, Insassen einer JVA und in meiner Zeit dort, unbegleiteten Flüchtlingen, deren Reise sie zu uns geführt hatte.

Klang eigentlich alles ziemlich gut: kleines Team, familiäre Atmosphäre und eine Leitung, die ihr komplettes Herzblut in die Arbeit steckt.

„Oh Gott, so was von alternativ und links!“ wie ich abends meinen Eltern berichtete. Da war jeder „against the system“ und „alles soll jedem gehören“, „unsere Welt ist ja SO materialistisch“ „Die Regierung macht alles falsch, wenn ich was zu sagen hätte..“. Dass ich die SPD gewählt hatte, erzählte ich hier lieber niemandem..

Als ich hörte, dass noch eine zweite Praktikantin für die gleiche Stelle kommen sollte, wurde mir etwas mulmig im Magen, da die offizielle Öffentlichkeitsreferentin nur eine halbe Stelle hatte und ich mich fragte, was ich den ganzen Tag dann dort tun würde.

Die Antwort bekam ich schnell, als mein Blick auf eine Tabelle fiel, die über der Spüle hing. „Aufgaben für die Praktikanten: Spülmaschine ausräumen, Toiletten putzen, Aschenbecher leeren, Foyer saugen, Saal fertigmachen, Saal wischen,..“ und so ging das munter weiter.

Je näher wir der Aufführung kamen, desto chaotischer wurde es. Und desto häufiger trugen wir das komplette Bühnenbild, das aus 113 Umzugskartons, 2 Türmen und einer Menge Musikinstrumente plus Technik bestand, aus dem Saal hinunter in die Turnhalle und wieder hoch, da die Vermietung der Räume für das Theater extrem wichtig war. Und wer trägt alles runter und macht den Saal sauber? Natürlich die Praktikanten.

Wenn eine Hochzeit am Samstagabend war und Montagmorgen wieder geprobt werden sollte, kamen wir natürlich auch sehr gerne mehrmals am Sonntag, damit Montag alles wieder bereit war.

Langsam dämmerte mir, wieso das Theater gleichzeitig 5-6 Praktikanten beschäftigte: Wir waren günstig, ja sogar kostenlos und nicht in der Position uns zu beschweren, da wir entweder aufgrund des Studiums oder, wie in meinem Fall, aufgrund des Zeugnisses auf eine gute Bewertung angewiesen waren.

Von der Öffentlichkeitsarbeit bekam ich wenig, bis gar nichts mit. Zwar wurde uns erlaubt einen Blog über das Theater zu führen, in dem wir die Institution ein wenig vorstellen und zugänglicher machen sollten, jedoch wurde jeder unserer Vorschläge abgeschmettert und am Ende so verändert, dass er nichts mehr mit unserem Text zu tun hatte. Mit uns über unsere Fehler gesprochen oder Tipps gegeben, wurde uns hingegen nicht. Ist ja auch überflüssig. Im Tragen, putzen und Requisite auf und abbauen, unseren eigentlichen Aufgaben, waren wir inzwischen schließlich Vollprofis geworden.

Als die Leiterin des Theaters uns die Aufgabe gab, einen, meiner Meinung nach „Hetzbeitrag“ gegen die Regierung zu schreiben, in dem wir auf die Missstände im Umgang mit den Flüchtlingen aufmerksam machen sollten, stellte ich mich jedoch endlich mal quer. „Ich schreibe keine Hetzreden gegen die Regierung und setze meinen Namen darunter! Informieren ja, linksradikale Äußerungen könnt ihr selber machen.“

Ich wusste schon vorher, dass die Leiterin kein Fan von mir war, da ich ihr viel zu Mainstream und angepasst war, aber danach hatte ich auch meine letzten Punkte verspielt. Die Frau war sowieso ein Exemplar der ganz besonderen Art. Wollte immer die Welt verbessern, vergaß jedoch, dass auch ihre Angestellten Gefühle hatten.

Von den ständigen Botengängen zum Bäcker oder Supermarkt abgesehen, bekam sie zwischendurch immer leichte Tobsuchtanfälle, die sich dann darin äußerten einen Praktikanten zur Schnecke zu machen. Und das machte sie auf ihre ganz eigene theaterpädagogische Art. Ein Beispiel: Nachdem sie uns mal wieder wegen einer Kleinigkeit angebrüllt hatte und ich sie nicht freudestrahlend ansah, sagte sie mir, dass sie mir „einfach nicht in die Augen gucken kann, da mein Gesicht so ausdruckslos ist, dass sie dabei müde und destruktiv wird.“ Es täte ihr Leid, aber es ginge einfach nicht. Versuchen Sie mal nach einer solchen Aussage nicht in Tränen auszubrechen. Mir in die Augen gesehen, hat sie ab diesem Moment auch nicht mehr, aber das war wohl besser so.

Je näher wir der Aufführung kamen, desto schlimmer wurden die Tage. Wir trugen inzwischen fast täglich entweder Requisiten oder Büromöbel, bei denen 2x jemand im Krankenhaus landete oder fuhren mit dem Fahrrad durch die komplette Stadt, um Flyer und Plakate zu verteilen. Das war glaube ich meine naheste Berührung mit Öffentlichkeitsarbeit. Da die Aufführung draußen stattfand, hatten wir bereits am Vortag einen 12 Stunden Arbeitstag, der, wenn es nach der Leiterin gegangen wäre, die ganze Nacht gedauert hätte, da man sich ja so den Wachdienst hätte sparen können. Der Tag der Aufführung war der glaube ich anstrengendste meines Lebens, da nach der Aufführung noch abgebaut, alles eingeladen und bis 3 Uhr in der Nacht im Theater wieder ausgeladen wurde. Schließlich wollte man sich die Kosten für einen weiteren Tag für den Laster sparen. „Das muss alles Montag weggeräumt sein, da haben wir hier ein Schulprojekt. Wir fahren morgen früh aber schon in den Urlaub. Die Praktikanten treffen sich morgen, also Sonntag um 12 Uhr hier zum aufräumen.“ Ich war kurz davor hinzuwerfen. Ich war noch niemals zuvor so müde, so ausgelaugt und so wütend gewesen. Aber was tut man nicht alles für ein gutes Zeugnis. Also standen wir natürlich am nächsten Morgen wieder pünktlich auf der Matte und bedienten jedes Klischee des Praktikantenlebens. Nachdem das Stück vorbei war und Ruhe einkehrte, kamen die Aufgaben des täglichen Geschäfts zurück. Wir karrten täglich Stühle durch die Gegend und putzten das Theater. Der Moment, als ein Mädchen von einem Schulprojekt mich fragte, ob ich die Putzfrau sei, während ich gerade die Außentreppe mit einem Messer von Unkraut befreite, gab mir den absoluten Rest. „Wäre ich die Putzfrau, würde ich wenigstens Geld dafür bekommen!!!“

Verstehen sie mich bitte nicht falsch, ich drücke mich nicht vor Arbeit, aber ich habe dieses Praktikum gemacht, um etwas über den Beruf der Öffentlichkeitsreferentin zu lernen und Erfahrung zu sammeln und nicht weil ich absolut nicht weiß, was ich mit meiner Zeit anfangen soll. Abschließend kann ich sagen, dass ich bei sogenannten „Weltverbesserern“ inzwischen sehr sehr vorsichtig bin. Es ist fantastisch, was sie für die Flüchtlinge und andere Menschen in Not tun, doch vergessen sie, dass auch ihre Praktikanten mit Respekt zu behandeln sind und wir nicht nur billige Arbeitskräfte darstellen.


* Name bekannt.

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