Wie Deutschland P2P-Lending behindert

by Gastbeitrag on 6. Januar 2015

Gastbeitrag von Jonathan McMillan*

Vergangenen Monat hatte Lending Club seinen Börsengang. Unter dem Jubel der Börsianer wurde der grösste peer-to-peer lender der Welt bereits am ersten Handelstag mit $9 Milliarden bewertet. Das IPO des Start-Ups aus San Francisco stellt einen bedeutenden Meilenstein für den noch jungen Markt der elektronischen Kreditvermittlung dar.

Berlin hinkt nach

Auch im Vereinigten Königreich sorgen peer-to-peer lender für Furore und haben schon mehr als eineinhalb Milliarden Pfund zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern vermittelt. In Deutschland steckt die aufstrebende Industrie allerdings immer noch in den Kinderschuhen. Unter anderem haben Zencap und Lendico einen Anlauf genommen, diesen Zustand zu ändern. Wird peer-to-peer lending in Deutschland auch Fuss fassen können? Sind sie eine Alternative zu Banken?

Peer-to-peer lender erfüllen ähnliche wirtschaftliche Funktion wie Banken. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stehen Ihnen jedoch noch hohe regulatorische Hürden im Weg. In Deutschland dürfen nur Banken gewerbemässig Kredite vergeben. Dies zwingt Peer-to-peer lender zu Partnerschaften mit lizenzierten Banken, welche die Kredite vergeben und dann über die peer-to-peer lender an die Kreditgeber weitergeben.

Zielsetzung der Bankenregulierung

Die Regel zur gewerbemässigen Kreditvergabe zeigt eine grundsätzliche Problematik der Finanzmarktregulierung auf. Deren Hauptmotivation ist es, die Wahrscheinlichkeit und Zerstörungskraft von Finanzkrisen zu vermindern. Zu diesem Zweck gibt es auch eine Einlagenversicherung und eine (Europäische) Zentralbank, welche die Banken im Notfall mit Liquidtät versorgen und deren Solvenz stützen können.

Die umfassende Absicherung auf Kosten der Öffentlichkeit erlaubt es Banken mit wesentlich geringeren Eigenkapitalquoten zu operieren als andere Firmen. Während Firmen in der Realwirtschaft 30%, 40% oder noch höhere Eigenkapitalquoten ausweisen, kommt die Deutsche Bank mit weniger als 4% Eigenkapital aus. Sie muss Ihre Gläubiger nicht von ihrer Bonität überzeugen, da diese ja durch Staatsgarantien geschützt werden.

Die niedrige Eigenkapitalquote motiviert Banken aber, höhere Risiken einzugehen; dieses Problem ist in der Fachliteratur unter dem Begriff „excessive risk-taking“ bekannt. Daher ist es verständlich, dass Regulatoren ein engmaschiges Netz aus Regeln und Kontrollen errichtet haben, um riskanten Bankgeschäften Gegensteuer zu geben. Banken erhalten nur eine Lizenz wenn sie sich diesen Regulierungen unterwerfen.

Regulierung mit Kollateralschaden

Der unerwünschte Nebeneffekt der Bankenregulierung ist, dass es auch die peer-to-peer lender trifft – und zwar zu unrecht. Das Geschäftsmodell von peer-to-peer lendern unterscheidet sich fundamental vom Bankenwesen. Banken finanzieren langfristige Kredite mit kurzfristigen Einlagen. Sie tragen dadurch ein erhebliches Liquiditäts- und Kreditrisiko auf ihrer eigenen Bilanz. Peer-to-peer lender hingegen vermitteln lediglich Kredit; sie tragen weder Liquiditäts- noch Kreditrisiko Dritter auf ihrer Bilanz.

Eine Abdeckung durch die Einlageversicherung und der Zugang zu Zentralbankliquidät ist demzufolge kein Thema für peer-to-peer lender. Sie können nicht systemisch relevant werden, solange sie keine Kreditrisiken übernehmen oder versichern. Im jetzigen Regulierungsumfeld sind sie jedoch von Bankenregulierungen betroffen die auf eine Kontrolle dieser systemischen Risiken abzielen.

Die aktuelle rechtliche Situation ist ein entscheidender Wettbewerbsnachteil für innovative Kreditvermittler die ihr Geschäftsmodel auf neuen Technologien aufbauen. Sie tragen regulatorische Kosten wie die Banken, aber nur die Banken kommen auch in den Genuss von grosszügigen Staatsgarantien. Das aktuelle Regulierungsumfeld begünstigt Banken und verhindert somit eine Entwicklung hin zu neuen Finanzmarkttechnologien.

Hinter Fintech kann Banking stehen

Dabei muss klar unterschieden werden, ob die neuen Technologien tatsächlich für die reine Kreditvermittlung oder für eine neue Form des Bankenwesens verwendet werden. Banken und Bank-ähnliche Institutionen nutzen nämlich ebenfalls Informationstechnologien um Regulierungslücken auszunutzen.

Das Geschäft mit verbrieften Hypothekenpapieren, mit dem deutsche Banken auf Kosten des Steuerzahlers hohe Profite erzielt haben, ist das Paradebeispiel für eine Finanzinnovation die hilft, Regulierungen zu umgehen. In diesem Falle wurden Eigenkapitalregulierungen mittels Verbriefungen ausgehebelt. Der technologische Fortschritt ermöglichte auch ein rasantes Wachstum der Derivatemärkte. Dabei wurden sogar Referenzzinsen wie der Libor manipuliert, um mehr zu verdienen. In beiden Fällen haben unbeteiligte Dritte wie Kleininvestoren, Hausbesitzer und Steuerzahler die Gewinne der Banken finanziert.

Die Nutzung neuer Technologien durch Banken hat zu einer Welle neuer Regulierungen wie beispielsweise der Repo-Geschäften geführt. Auch wenn sich Banken derzeit einer massiven Ausweitung der Regulierung gegenüber sehen, sind peer-to-peer lender im Wettbewerb benachteiligt. Peer-to-peer lender profitieren weder von einer Einlageversicherung noch von einem Zugang zu Zentralbankliquidät, sind aber dennoch von der Verschärfung von Bankenregulierungen betroffen. Das Bundesamt für Finanzaufsicht (BAFin) sollte sich dem Umstand bewusst werden, dass das aktuelle regulatorische Umfeld Banken bevorzugt und diese Ungleichbehandlung bereinigen.

Regulatorische Änderungen unabdingbar

Dabei gilt es nicht, Vorschriften zum Schutz der Konsumenten zu verwässern. Diese Vorschriften sollten genauso für die peer-to-peer lender gelten. Vielmehr sollte den neuen Kreditvermittlern jene regulatorische Hürden aus dem Weg geräumt werden, die aus systemischen Risikoüberlegungen herrühren. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass peer-to-peer lender in Deutschland weiterhin keine systemischen Risiken schaffen – dies ist in den USA und dem Vereinigten Königreich teilweise bereits der Fall.

In der kurzen und mittleren Frist kann mit der Beseitigung der Behinderungen der peer-to-peer lender die Abhängigkeit vom Bankensystem verringert werden. Langfristig müssen allerdings fundamentalere Änderungen am Finanzsystem vorgenommen werden. Die Finanzkrise 2007-08 war die erste globale Bankenkrise im digitalen Zeitalter. Der Ursprung der Krise lag ausserhalb des regulierten Bankensektors. Banken haben Informationstechnologien nicht nur zur Optimierung ihrer Prozesse verwendet, sondern auch um systematisch Lücken im Regulierungsnetz auszunutzen. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden, wenn das Finanzsystem in ein digitales Zeitalter überführt werden soll.


* Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Jonathan McMillan, einem Pseudonym hinter dem zwei Autoren stehen: Der eine arbeitet als Investmentbanker in New York. Der andere ist Wirtschaftsjournalist und war zuvor in der Wissenschaft tätig. Zusammen haben sie das Buch The End of Banking: Money, Credit, and the Digital Revolution veröffentlicht.

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