Cash im Überfluss und fehlende Nachfrage in Europa

by Gastbeitrag on 14. Juli 2015

Gastbeitrag von Acemaxx Analytics*

Unternehmen (ausserhalb des Finanzsektors) in Europa, dem Nahen Osten und Afrika halten 870 Mrd. EUR als liquide Mittel in der Bilanz, teilt Moody’s gemäss einer aktuellen Studie mit.

Seit 2008 ist der Bargeld-Bestand der Unternehmen um 69% gestiegen, berichtet FuW in einem lesenswerten Artikel. Begründung: Die Finanzkrise hat die Gesellschaften vorsichtiger werden lassen. Im vorigen Jahr hat der Cash-Bestand um 6% zugenommen.

Die Bargeldbestände werden von der in jüngster Zeit steigenden Akquisitionstätigkeit nicht tangiert, da sie zumeist mit Aktien finanziert werden.

Hier kommt nun die in Europa vorherrschende Austeritätspolitik ins Spiel. Wie soll ein nachhaltiger Aufschwung geschaffen werden, wenn private Haushalte sparen, die Unternehmen liquide Mittel horten und auch die öffentliche Hand kein Geld ausgeben darf?

Barbestände von Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors, Graph: FuW Unternehmen horten Liquidität im Überfluss

Woher soll also die Nachfrage kommen, wenn in allen Sektoren der Wirtschaft die Gürtel enger geschnallt werden?

Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen) 2009-2014, Graph: Fabian Lindner, Herdentrieb in Die Zeit

Wie soll das Wachstum generiert werden? In Deutschland setzt man darauf, dass das Ausland sich verschuldet und damit deutsche Waren und Dienstleistungen kauft. Wenn die deutschen Kunden im Ausland aber verschuldet sind, dann erhebt die deutsche Regierung den Mahnfinger und sagt, ihr müsst endlich eure Schulden abbauen!

Das Problem ist, wie Heiner Flassbeck in einem aktuellen Interview mit der Wiener Zeitung unterstreicht, dass es keine Welt gibt, in der alle sparen und keiner Schulden macht. Guthaben und Schulden müssen nämlich immer genau 100 Prozent ergeben.

Wie es Griechenland dabei ergangenen ist, beschreibt Fabian Lindner in einem unbedingt lesenswerten Blog-Eintrag in Die Zeit mit einem konkreten Beispiel.

PS: Auch Schweizer Unternehmen fallen mit einem hohen Bargeldbestand auf: Novartis: 13,8 Mrd. CHF, Roche: 11,7 Mrd. CHF, Nestle: 8,9 Mrd. CHF und ABB: 6,7 Mrd. CHF.


Der Beitrag ist ein erlaubter Crosspost des Blogs Acemaxx-Analytics und ist ursprünglich hier erschienen.

Stefan Rapp Juli 14, 2015 um 09:43 Uhr

Ich denke man sollte sich dazu mal die jeweilige Steuern der Unternehmen in den verschiedenen Ländern betrachten. In Deutschland ist es durch die Steuersituation attraktiv Vermögen so lange in den Unternehmen zu halten bis es wirklich von den Unternehmenseignern für was auch immer gebraucht wird. Gewinne in Unternehmen werden erst mal „nur“ mit knapp 30% besteuert. Man könnte von einer Teilbesteuerung reden wenn man ihn mit dem Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer vergleicht. Erst bei der Ausschüttung haben wir dann durch deren Besteuerung eine in Summe ähnliche Besteuerung wie beim Spitzensteuersatz. Unternehmensgewinne sollten quasi dann immer „voll“ besteuert werden wenn es für deren übermäßigen Hortung keinen ausreichend begründeter Geschäftszweck gibt. Unternehmen sind keine Spardosen! Diese „voll“ versteuerte Liquidität darf natürlich bei einer späteren Ausschüttung nicht nochmal besteuert werden. Deutschland ist hier nur als Beispiel gemeint, ob Deutschland so was braucht ist eine andere Frage.

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