Digitaler Hedge-Fonds gehackt? GAU beim Ethereum-DAO (Teil 1)

by Dirk Elsner on 20. Juni 2016

Ich habe erst nach Hinweis einer Kollegin am Samstag die Meldungen vom “Angriff” auf das DAO-Projekt gelesen. Die Schlagzeilen haben mich zunächst etwas ratlos gemacht, weil ich mich mit dem Blockbuster “DAO” bisher nicht besonders beschäftigt habe. Ein mutmaßlicher “Angreifer” auf das Projekt soll Kryptowährungen im Wert von ca. 60 Millionen Dollar zu seinen Gunsten umgebucht haben.

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Im Kern streiten auch diese vier Herren um Geld und Bankguthaben

Wenn man sich nur oberflächlich mit der Materie befasst, könnte man zu dem voreiligen Schluss kommen, dies sei ein großer Rückschlag für alle Blockchain-Projekte. Ich sehe das derzeit nicht. Beim DAOHack wurde nicht die Blockchain geknackt, sondern eine Lücke bzw. ein Fehler in einem Kontrakt ausgenutzt, der auf Basis der Blockchain-Technologie basiert. Man hält ja auch nicht Autos generell für Fehlkonstruktionen, nur weil VW im Abgasskandal getäuscht hat. Die in faktischer Konkurrenz zu Bitcoin und ebenfalls auf Blockchain-Technologie basierende Kryptowährung Ether von Ethereum hat aber deutliche Kursverluste hinnehmen müssen.

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Ethereum Chart in US-Dollar und Bitcoin (Quelle der Grafik: Coinmarketcap)

Um aber wirklich zu verstehen, was in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die Blockchain-Community erschüttert hat, müsste man zunächst vorweg erklären, was DAO ist bzw. sein soll. Das ist gar nicht so einfach, wenn man das mit erlernten Begriffen beschreiben will.

Ich habe am Wochenende versucht, mich durch das Begriffsgewirr zu schlagen. Das Aufschreiben hilft mir bei der Sortierung der Gedanken. Ich verarbeite das in dieser Woche in einem zweiteiligen Beitrag.

Was ist das DAO-Projekt?

Das DAO-Projekt hatte in den letzten Wochen über die Krypto-Szene hinaus Schlagzeilen gemacht, weil es die bisherigen Crowdfunding-Rekorde gebrochen und in nur 3 Wochen 160 Millionen Dollar einsammeln konnte. Nun konnte man am Wochenende lesen, dass Unbekannte dieses Crowdfunding-Projekt DAO um 56 Millionen US-Dollar zumindest virtuell beraubt haben sollen. Ob es tatsächlich ein Raub war oder nur eine zwar unerwartete, jedoch regelkonforme Umbuchung, wird derzeit noch heftig diskutiert.

Ich habe mich bisher wenig mit dem DAO-Projekt befasst, weil es mir dazu im Vorfeld zu viel Revoutions- und Disruptions-Hype gab. Mich schreckt das ja meist ab. In den letzten Jahren wurden einfach zu viele “Revolutionen” und Disruptionen in der Finanzwirtschaft ausgerufen, von denen die meisten verpufft sind.

Ob das DAO-Projekt überhaupt eine Firma ist, ist juristisch unklar. In jedem Fall handelt es sich um einen sogenannten Ethereum-Kontrakt, der hier einsehbar ist. Ethereum ist eine dem Bitcoin ähnlicheKryptowährung mit einer Plattform für programmierbare Verträge (= Smart Contracts. Um sich an DAO zu beteiligen mussten Interessenten zunächst die Kryptowährungen Ether erwerben und haben diese dann die Kryptowährung DAO gewechselt. Das kann man sich vorstellen, wie als wenn man seine Zahlungsmittel zunächst in Zigaretten eintauscht, um diese dann in Zigarren zu wechseln, mit denen dann wieder bezahlt wird. Das Konstrukt basiert also letztlich auf Token der Token. Mit den DAO-Token sollen dann wieder Investment in andere Ethereum-Projekte getätigt werden.

Die bisher am besten verständliche tiefere Erklärung habe ich von Hannes Grassegger auf Zeit Online in “Die erste Firma ohne Menschen” gelesen. DAO steht für Decentralized Autonomous Organisation und besteht nur aus Smart Contracts und einem Voting-System.

Streng genommen ist also DAO “nicht mehr als ein Vertrag, der eine Adresse auf der Ethereum-Blockchain hat. Man kann ihn aufetherscan anschauen.” Das schreibt Christoph Bergmann in einem ebenfalls gut zu lesenden Grundlagenbeitrag für den Bitcoinblog: Die Genese der DAO (siehe weitere Literaturhinweise am Ende des Beitrags zu Ethereum).

DAO als digitaler Hedge-Fonds

Lassen wir mal das komplizierte Begriffsgetümmel wie Smart Contract, Blockchain, Ethereum bzw. Ether weg, dann klingt die Philosophie von DAO wie ein digitaler Hedge-Fonds, der nach “demokratischen” Grundsätzen von den Anlegern direkt verwaltet wird.

Peter Buchmann fasst für den Schweizer Rundfunk das Konzept klar zusammen:

“The DAO ist ein Investmentfond, der Projekte und Produkte finanziert und sich am Gewinn beteiligt. Mitmachen können alle, auch Menschen mit kleinem Budget. Wer sich beteiligen will, der muss sein Geld zuerst in die digitale Währung Ether konvertieren und kann dann den Betrag übers Internet auf ein Konto von The DAO überweisen. Das ist der einzige Weg, um an sogenannte DAO-Tokens zu gelangen, die wie DAO-Beteiligungsscheine funktionieren.”

Christoph Bergmann erklärt in einem anderen Artikel:

“Die eingezahlten Ether sind nicht für ein spezifisches Projekt reserviert, sondern bleiben vorerst in einer Art Pool, der von den Mitgliedern der DAO verwaltet wird. Ausgegeben werden die Ether dann für Projekte, die sich mit Proposals bei der DAO vorstellen müssen und für die sich die DAO-Mitglieder per Voting entscheiden. Ziel ist es, dass die DAO so wie ein Unternehmen Eigentum erwirbt um damit Profit zu machen. All dies läuft über Smart Contracts.”

DAO schließt also Verträge, um daraus Gewinne zu erzielen. “Oder, wie Christoph Jentzsch im DAO-Whitepaper schreibt, etwas abstrakter: “… eine Organisation, in der (1) die Teilnehmer direkt und in Echtzeit die Einlagen verwalten und (2) Regeln formalisiert, automatisiert und durch Software durchgesetzt werden.” (Christoph Bergmann im Bitcoinblog).

Der Altcoinspekulant bezeichnet das Projekt als eine Symbiose aus Social Lending, Crowdfunding und Private Equity.

Aus Grasseggers Artikel wird deutlich, dass DAO wirklich Hardcore-Ökonomie ist, wie sich das Ökonomen nicht besser hätten vorstellen können. Theoretische Basis ist nämlich ein Teilbereich der Neuen Institutionenökonomik und zwar die Vertragstheorie. Danach ist “eine Firma nichts anderes als ein Netzwerk aus Verträgen, in denen Ziele, Befugnisse und Zeiträume definiert werden.”

Wie soll das funktionieren?

Nach der DAO-Idee wird dieses Prinzip als Programmcode umgesetzt als “eine Reihe von elektronischen Wenn-dann-Beziehungen. Smart Contracts heißen solche sich automatisch ausführenden Digitalverträge. In der Theorie sind sie objektiver als Manager, die gerne mal ihre eigenen Interessen über Firmenvorgaben stellen.” (Hannes Grassegger für Zeit Online. Weiter schreibt Grassegger:

“Im Fall der DAO ersannen die …Gründer ein einfaches Prinzip: Zuerst können sich Interessierte in die Firma einkaufen, indem sie elektronische Token erwerben. So kommt Geld auf das Firmenkonto, also den Fonds. Die Token wiederum repräsentieren Stimmrechte. Nach einer vierwöchigen Tokenauktion zum erstmaligen Geldsammeln kann der digitale Investmentfonds entscheiden, wohin mit dem gesammelten Geld. Das bestimmen die Besitzer der Stimmrechte – in einer elektronischen Abstimmung, ähnlich dem E-Voting. Die DAO ist also im Kern eine Geldsammelmaschine plus Entscheidungsgremium.

Dabei dient die Ethereum-Währung Ether hierbei als eine Art Lastwagen für Informationspakete. “Die Ethereum-Blockchain ist dafür geschaffen, dezentral komplexe Handlungen auszuführen. Richtige Programme. Beispielsweise die Vertragsprogramme, aus denen die DAO besteht.”

Gründerszene versteht DAO als eine Organisation, “die nur aus Code besteht. Sie basiert vollständig auf der Blockchain-Technologie und einer Plattform namens Ethereum. Die Crowdfunder zahlen ihr Kapital in der Kryptowährung Ether ein, dem jüngeren Bruder der Bitcoin.”

Am Mittwoch geht es weiter mit dem zweiten Teil des Beitrags und vertiefenden Literaturhinweisen.

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