Zalando, Amazon und Springer: Digitale Wirtschaft ohne Angst vor Kannibalisierung

by Dirk Elsner on 29. August 2016

Der Hype um die Digitalisierung der Wirtschaftspraxis geht mir ja zuweilen wirklich auf den Wecker. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendeine Studie erscheint, dass Unternehmen den digitalen Wandel nicht ernsthaft genug betreiben oder ein Berater anruft, der ganz genau weiß, was ein Unternehmen tun sollte, um für das digitale Zeitalter gerüstet zu sein. Die Digitalisierung ist zu einem großen Buzz geworden.

Tatsächlich gilt aber das, was schon immer in der Wirtschaftspraxis gegolten hat. Es tauchen neue Technologien auf und viele Unternehmen machen sich Gedanken, wie sie diese für ihre Zwecke einsetzen und verbessern können. Manche fürchten sich freilich auch vor den neuen Entwicklungen.

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In Frankfurt nimmt die Furcht vor der Kannibalisierung ab

In der Praxis fällt auch bei dem aktuellen Trend zur Digitalisierung auf, dass sich einige etablierte Unternehmen mit neuer Technologie schwertun. Das zeigt sich etwa daran, dass sie wegen eines starken stationären Vertriebs zu wenig Energie in den digitalen Vertrieb stecken oder Angst haben, mit neuen Mitspielern zu kooperieren. In beiden Fällen steckt dahinter die Furcht vor der Kannibalisierung analoger Geschäftsmodelle. Die Angst, das bestehende Kerngeschäft zu schwächen, gehört zu den klassischen Hürden in etablierten Unternehmen, neue Geschäftsmodelle voranzutreiben. Mir fallen dazu etliche Beispiel aus der Bank- und Versicherungspraxis ein, mit denen ich hier aber nicht langweilen will.

In den letzten drei Tagen sind mir jedenfalls drei Meldungen über Unternehmen aufgefallen, die den Schluss zulassen, dass diese Unternehmen die Angst vor der Kanibalisierung überwunden haben.

  1. Zalando: Nach einem Bericht des Handelsblatts vom 26.8. will der Onlinehändler selbst kreierte Mode künftig auch über Konkurrenten wie Amazon verkaufen. Ziel ist das kräftige Wachstum der Eigenmarken. Zalando sieht die die Chance, über neue Plattformen mehr zu verkaufen als weitaus größer an als der mögliche Kannibalisierungseffekt der eigenen Plattform.
  2. Amazon. Die News ist zwar schon etwas älter, war aber an mir vorbeigegangen. Der Killer des stationäre (vulgo analogen) Buchhandels hatte schon Ende letzten Jahres angekündigt, bis zum 400 Buchhandlungen einzurichten. Die Preise sollen die gleichen wie auf der Plattform sein. Furcht die eigene Onlineplattform zu schädigen hat Amazon offenbar nicht. Amazon folgt damit eher dem Trend, dass die Markenbildung durch den persönlichen Kontakt verbessert wird.
  3. Springer Verlag: Der Verlag setzt nun ein seit 20 Jahren in den Schubladen schlummerndes Konzept einer täglichen Sportzeitung um. Bisher, so war auf Meedia zu lesen, “scheiterten alle Konzepte einer täglichen Sportzeitung an der Angst der Manager vor der Kannibalisierung der jeweils eigenen Tageszeitungen, von denen viele oft nur wegen des Sportteils gekauft werden. Einen Verlagsmanager zitiert Meedia so: “Dass es zu einer Kannibalisierung kommt, können wir nicht ausschließen, würden wir allerdings auch in Kauf nehmen.“

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll mit Beispielen, in denen Unternehmen neue Geschäftsmodelle, Produkte und Verfahren zunächst lieber ignoriert haben, weil sie sich vor den Folgen für ihr traditionelles Geschäfts fürchteten. Erst wenn das Kerngeschäft unter Druck gerät, haben sie reagiert. Der Fall Zalando zeigt darüber hinaus, dass es auch durchaus Sinn machen kann, mit ärgsten Konkurrenten zusammenzuarbeiten, wenn man dort eine Zielgruppe erreicht, die man auf der eigenen Plattform nicht trifft.

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