Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte alias Donald Trump

by Udo Stähler on 20. Februar 2017

Hatten wir das Alles schon mal? Erleben wir nun den Weg von Louis Bonaparte über Napoleon III. zu Donald Trump? Ereignisse sollen sich wiederholen (© große Geister); einmal als Tragödie und beim zweiten Mal als Farce. Ist das eine gute Nachricht, wenn ich erwarte, dass die Ereignisse in den USA sich als Farce der Umwälzungen, die Mitte des 19. Jhd. in Frankreich von der Presse verschwiegen wurden, wiederholen?

 

Dazu schaue ich mir die pointierteste mir bekannte1) Analyse der Ereignisse in Frankreich an: Die Aktualität des „achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte“, Karl Marx‘ ironische und sarkastische Kritik der französischen Tragödie -­bereits im Titel verwendet er für das Datum von Bonapartes Staatsstreich ausgerechnet den französischen Revolutionskalender-, liegt

  • in der frappierenden Analogie des Geschehens und
  • in der Untersuchung dessen, wie unter bestimmten Bedingungen gesellschaftliche Stimmungen und Strömungen entstehen.

Doch es ist kein amerikanisches, es ist ein europäisches Phänomen, das wir verstehen sollten, um die Übernahme der amerikanischen Farce in Europa aufzuhalten. Allerdings: mit der Auflösung des Wohlfahrtsversprechens der westlichen Gesellschaften haben die „Konsensparteien“ dem postfaktischen Zeitalter die Tür aufgemacht. Tragödie 2.0 oder eine Farce klopfen an die Tür.

Der „achtzehnte Brumaire“ hilft uns weiter, wenn wir wissen wollen, wer bei Louis Bonapartes (im Folgenden liebevoll LB) die Rolle von Donald Trumps Klientel vom weißen Mittelstand über prekär Beschäftigte bis zu seinen Sympathisanten in der Wall Street (sic! Steven Mnuchin) spielte:

„Auf der einen Seite stand die Finanzaristokratie, die industrielle Bourgeoisie, die Mittel(schicht), die Kleinbürger, die Armee, das als Mobilgarde organisierte Lumpenproletariat2), die geistigen Kapazitäten, die Pfaffen und die Landbevölkerung.“

Es gab zu LB’s Zeiten allerdings kein die Gesellschaft stabilisierendes Modell der Wohlstandsbildung. Wir haben (noch) das Modell Deutschland, das allerdings gerade in Auflösung ist. Dennoch: Es wird keine erneute Tragödie werden, weil für den industriellen Mittelstand, den ökonomischen Kern unserer sozialen Stabilität, die Prinzipien seines wirtschaftliches Handelns eine gesellschaftliche Verpflichtung sind. Ludwig Erhard 1955 in Bad Godesberg:

„Der Mittelstand ist „ausgeprägt … durch seine Gesinnung und eine Haltung im gesellschaftswirtschaftlichen und politischen Prozess“.

Mittelständische Wertschöpfung ist -jenseits von Shareholder-Value und Casino-Kapitalismus- gerade dadurch ein Stabilitätsfaktor im Modell Deutschland. Die aktuell festzustellende Verunsicherung belegt, dass in der Wirtschaft Erwartungen das Faktische, das Handeln, beeinflussen. Wichtiger Unterschied zum postfaktischen schwadronieren:

→ Mit beiden Beinen in der Realität, nicht der Realität ein Bein stellen.

→ Erwartungen stehen vor wirtschaftlichen Entscheidungen.

Wirtschaftliches Handeln generiert Wertschöpfung. Postfaktische werfen nach ungewollten Ereignissen mit Nebelkerzen.

Zurück zur Tragödie: LB gewann im Dezember 1848 die Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Drei Jahre später erzwang er durch einen Staatsstreich diktatorische Vollmachten und ließ sich, nach einem Plebiszit (!), im Dezember 1852 zum Kaiser Napoleon III. ausrufen. Sein Instinkt half, seine Chance in den sozialen Umbrüchen zu nutzen. In einem coup d’état hat er schließlich die Machtverhältnisse für sich entschieden. LB erkannte das Bedürfnis vieler Menschen nach einem „Chef der Gesellschaft“, das Bedürfnis, Frankreichs geschichtliche Bedeutsamkeit wiederhergestellt zu sehen; in der Regel -so Oskar Negt– durch Abenteuerpolitik. Was bekanntlich 1871 ein militärisches Ende fand.

Kaiser oder Freiheitsstatue?

„Aber wenn der Kaisermantel endlich auf die Schultern Louis Bonapartes  fällt, wird das eherne Standbild Napoleons von der Höhe der Vendomesäule herabstürzen“ (Schlusssatz der 1.Ausgabe und im Vorwort 1869).

 

Ist zu befürchten, dass wir am 2. Dezember, nicht 1851, sondern 2017 LB durch „Donald Trump“ und Standbild Napoleons durch „Freiheitsstatue“ ersetzen können? Karl Marx hatte seinerzeit feststellen müssen, dass

„Der Auswurf der bürgerlichen Gesellschaft … schließlich die heilige Phalanx der Ordnung (bildet), und Held Krapülinski3) … in die Tuilerien ein(zieht) als ‚Retter der Gesellschaft‘“.

Auch hier: haben wir alles wieder? Nein, etwas Wichtiges unterscheidet unsere Demokratie von autokratischen Staatsformen. Fortschritt und Stabilität unserer Gesellschaft sichert das Gerüst der mittelständischen Wirtschaft. Bei allem Misstrauen gegenüber Sonntagsrednern: Ludwig Erhard hat wie kein anderer einen wichtigen Baustein der sozialen Marktwirtschaft erkannt. So kann zusammen gehalten werden, was, getrieben von reaktionären Rattenfängern und von prekären Kleinbürgern der „Mobilgarde“4) auseinander zu fallen droht. Mittelstand ist nicht nur ein Prinzip der Wertschöpfung, sondern zugleich eine marktwirtschaftliche Basis für verantwortliche Politik.

 

Anmerkungen

1) Siehe oben: Hinweis zur mangelhaften Berichterstattung durch die freie Presse

2) Das Pariser Lumpenproletariat, auf das sich Bonaparte bei seinem Staatstreich gegen die Republik stützte, beschrieb Karl Marx mit der allergrößten Verachtung: „Neben zerrütteten Lebeherren mit zweideutigen Subsistenzmitteln und von zweideutiger Herkunft, verkommene und abenteuerliche Ableger der Bourgeoisie, …“

3) Anspielung auf Heinrich Heines „Held“, hier Synonym für Louis Bonaparte.

4) Ob als Pegida etc oder Heimatschutz

 

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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager, der über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft sowie im Projektmanagement von Bankkonzernen tätig war.

 

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