Krisenindikator Target2-Salden auf Rekordniveau und niemand stört es

by Dirk Elsner on 19. April 2017

Die Finanz- und Eurokrise ist in den letzten Monaten aus meinem Blickfeld verschwunden. Das mag an der gefühlten Entwarnung liegen, für die es aber eigentlich keine Grundlage gibt. So war mir vollkommen entgangen, dass der Saldo von Target 2 auf ein neues Rekordniveau von über 800 Mrd. Euro geklettert ist.

Target 2? Da war doch mal was. Veteranen unter den Wirtschaftsbloggern werden sich daran erinnern werden. Vor sechs Jahren tobte eine überaus spannende und anspruchsvolle Debatte durch deutsche (vor allem Verlorene Generation und Weissgarnix (Blog gibt es nicht mehr)) und internationale Wirtschaftsblogs sowie durch die internationale Wirtschaftspresse: Die Target2-Debatte. Ausgelöst hatte sie damals der Chef des Ifo Instituts, Hans Werner Sinn, und zum Kochen brachte sie Olaf Storbeck, damals Ökonomiekorrespondent des Handelsblatts. Olaf hatte eine sehr hilfreiche Leseliste in seinem Handelsblog zusammengestellt.

TARGET2 ist eigentlich ein Zahlungsverkehrssystem, über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld schnell und endgültig abgewickelt werden. Da, vereinfacht dargestellt, die internationalen Zahlungen im Euroraum selten ausgeglichen sind, bauen sich Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegen das im Zahlungssystem der europäischen Notenbanken auf. Die dadurch entstehenden Ungleichgewichte haben mittlerweile einen neuen Rekordstand erreicht und betrugen per 31.3.2017 über 829 Milliarden Euro.

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Quelle: Bundesbank

 

Als damals heftig über die Risiken aus den Target-Salden diskutiert wurde erreichte der Saldo auf dem Höhepunkt der Euro-Krise Mitte 2012 in der Spitze 751 Milliarden Euro im August 2012 (siehe dazu Zeitreihe der Bundesbank). Bis Juli 2014 nahm der Saldo bis auf 443 Milliarden Euro ab und steigt seither unter Schwankungen auf den aktuellen Wert.

Philip Plickert hat für die FAZ ein paar Aussagen zu der Bedeutung des Target-Saldos zusammengetragen. Sie reichen von “rein technischer Effekt” aufgrund von Notenbankoperationen (konkret Anleihekaufprogramm) zur Geldpolitik bis hin zum Anzeichen von einem Aufflackern der Eurokrise.

Die Bundesbank selbst erklärt die Target-Salden sehr technisch:

“Die so entstehenden TARGET2-(Netto)-Salden sind demnach das Ergebnis der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld innerhalb der dezentralen Struktur des Eurosystems.”

Die offiziellen Aussagen sind widersprüchlich und werden hinter komplizierter Abwicklungstechnik versteckt. In jedem Fall steckt ein Ungleichgewicht dahinter, denn eigentlich sollten diese Salden relativ ausgeglichen sein. Sind sie aber nicht. Und wenn Deutschland hohe Nettoforderungen an das System hat, dann haben andere Länder hohe Verbindlichkeiten. Klar ist aber, dass diese “technischen Target-Salden” dann zur Gefahr werden, wenn ein EURO-Land aus der Währungsunion ausscheidet. In diesem Fall müssten die Salden ausgeglichen werden. Dies könnte dann zur Zahlungsunfähigkeit des entsprechenden Landes führen (siehe auch Wiwo “Die Target2-Salden sind ein Weckruf”) und für die Bundesbank zu entsprechend hohen Verlusten.

Mehr Hintergrund hier vom Wirtschaftsdienst:  Target2-Salden: Datenquellen und Informationsgehalt als Krisenindikator und

in dieser Bachelor-Arbeit von Stephan Herget:  Target2-Salden: Ursachen und Problematik

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