Die Immobilienbranche wird sich auf strukturelle Veränderungen einstellen müssen

by Karl-Heinz Goedeckemeyer on 8. Februar 2018

Die Rallye an den weltweiten Immobilien-Investmentmärkten, insbesondere auch in Deutschland hat auch im Jahr 2017 unvermindert angehalten. Nicht zuletzt wegen der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, des globalen synchronen Wirtschaftsaufschwungs und des Mangels an Anlagealternativen wird auch im laufenden Jahr voraussichtlich viel Kapital in die Immobilienmärkte fließen. Da auch der Optimismus vieler Akteure ungebrochen scheint und der Immobilienzyklus weit fortgeschritten ist, stellt sich zunehmend die Frage, ob ein „Schwarzer Schwan“ den Boom ein jähes Ende setzen könnte. Dabei sind laut dem Ökonomen Prof. Dr. Hans-Werner Sinn einige Gefahren absehbar, wozu auch der Brexit gehört. Auf der BIIS-Jahrestagung Immobilienfonds am 15. Januar in Frankfurt betonte Sinn, dass Europa die Folgen des bevorstehenden Austritts unterschätze. Als weitere Gefahren wies der der Wissenschaftler auch auf das keynesianische Strohfeuer in Südeuropa und die politischen Unsicherheiten in Italien hin.

Run auf Risiko Assets wird anhalten

Mit Blick auf die allgemeinen Aussichten an den Investmentmärkten erklärte Georg Schuh, EMEA CIO, von der Deutschen Asset Management, dass der „Risk-on“-Investmentzyklus auch im Jahr 2018 anhalten wird und begründete seine Einschätzung mit der Mischung aus solidem, weltweit synchronem Wachstum und der üppigen Geldversorgung. Unter Berufung einer Studie der Dt. Asset Management (DAM) betonte Schuh auf der BIIS-Konferenz, dass die Ankaufsrendite-Spreads gegenüber Staatsanleihen unverändert attraktiv seien. Gemäß dem 20-jährigen Jahresdurchschnitt (1997-2017) würden sich Immobilieninvestments in vielen Ländern Europas noch rentieren. Bereits zu teuer seien Länder wie Singapur, Korea, Frankreich und Norwegen. Gemäß der DAM-Analyse sind die höchsten Rendite-Spreads (3,5% – 4,0%) in Ländern wie Japan, Finnland, Norwegen und UK zu erzielen. Auch in den deutschen Top 7-Städten ist der Renditepuffer – Vergleich Spitzenrendite vs. 10-jähriger Bundesanleihen – mit ca. 300 Basispunkte unverändert hoch, ist einer Präsentation von Warburg-HIH Invest zu entnehmen. Festzuhalten ist allerdings, dass die Spitzen-Nettoanfangsrenditen vor allem im Logistik- und Hotelsegment in den letzten zwei Jahren spürbar zusammengeschmolzen sind.

Preisniveau von 2007 fast erreicht

Vor diesem Hintergrund müssen Investoren, um Gewinne zu erzielen, stärker auf das Mietwachstum statt auf die zunehmende Renditekompression schauen. Zu den Hotspots zählen Märkte, die sich bisher im aktuellen Zyklus relativ langsam entwickelt haben. Hierzu gehörten insbesondere Amsterdam und Stockholm, wo sich die Mieten dynamisch nach oben entwickeln. In Deutschland liege das Mietwachsrum in Städten wie Berlin, Stuttgart und München über den europäischen Durchschnitt. Ausblickend dürfte nach Berechnungen von Warburg HIH das höchste Mietwachstum in Tschechien (rd. 2% p.a. zwischen 2020-2022) sowie Finnland und Polen zu erzielen sein. In Spanien und Irland soll sich das Mietwachstum nach dem starken Anstieg zwischen 2017-2019 um etwa 2% bzw. 4% verringern. In diesem Kontext weist TH Real Estate daraufhin, dass sich das Preisniveau in vielen Städten Europas, wozu auch Berlin und Frankfurt zählen, insbesondere für EU-Investoren spürbar verteuert hat. Deutlich günstiger erscheinen dagegen London, Kopenhagen und Warschau. Insofern kann nicht überraschen, dass sich das Preisniveau fast dem Level von 2007 annähert.

Alternative Investments und Logistik gehören zu den strukturellen Gewinnern

Auch hinsichtlich der Attraktivität der Segmente scheinen sich Veränderungen anzudeuten. Während sich das Investitionsvolumen in Büroimmobilien in Europa den letzten Jahren auf rund 44% einpendelte, sind die Investments in Einzelhandelsimmobilien von 29% im Jahr 2010 auf 22% zum dritten Quartal 2017 zurückgegangen, sagt Stefan Wundrak, Head of Research bei TH Real Estate. Die Rückgänge dürften mit der geringeren Kundenfrequentierung in den Shopping-Centern und der Marktsättigung in Europa zusammenhängen. Im Kontrast dazu scheint das Logistiksegment zu den strukturellen Gewinnern in der Immobilienbranche zu zählen. Laut diverser Studien könnte z.B. der Versandhandel seinen Umsatzanteil im Einzelhandel von rund 10% im Jahr 2015 auf 22% im Jahr 2025 verdoppeln. Daneben dürften auch die Lebensmittel-Discounter ihren Umsatzanteil ausweiten. Noch stärker in den Fokus institutioneller Investoren werden laut Wundrak auch Alternative Nutzungsarten geraten, wobei vor allem „Bildungsimmobilien“ wie Studentenwohnungen zählen. Derzeit würden nur für 28% der Studenten Wohnungen zur Verfügung stehen. Auch bei Gesundheitsimmobilien werde sich die Nachfrage aufgrund der weltweit alternden Bevölkerung erhöhen.

Co-Working Spaces: Unternehmen wie WeWork oder Mindspace erobern die Büros – nicht nur in London

Neben dem Einzelhandel deuten sich – mit Blick auf die gestiegene Flächennutzung seitens der Immobiliendienstleister – auch bei Büroimmobilen strukturelle Veränderungen an. Vorreiter dieser Entwicklung ist Großbritannien, genauer London. Hier habe sich der Anteil der Dienstleister von rund 5% im Jahr 2010 auf inzwischen 25% in den Randlagen der Londoner City erhöht, erklärte Wundrak. Da nicht nur in London, sondern zunehmend auch in Deutschland Anbieter moderner Arbeitskonzepte dem Wunsch der Unternehmen und Mitarbeiter nach mehr Flexibilität Rechnung tragen, stellt sich die Frage, ob durch Co-Working das klassische Bürokonzept ausgedient hat. Hier scheint der Technologieboom mit zahlreichen Start-Up-Unternehmen wie WeWork oder Mindspace die Nachfrage nach Anbietern von Co-Working-Flächen zu beflügeln.

Festzuhalten ist, dass die digitale Transformation in keine Branche mehr wegzudenken ist – auch nicht im Immobiliensektor. Davon wird auch die Arbeitswelt berührt. Denn mit der Zunahme von selbstständiger Arbeit und wachsenden Mitarbeiteranforderungen werden auch die traditionellen Arbeitsplätze neu definiert und Geschäftsprozesse auf den Kopf gestellt, sagt Michael Schmutzer von Design Office. In Frankfurt bietet das Unternehmen flexible Raumlösungen wie Office Spaces, Co-Working Spaces, Conference Spaces und Event Spaces. Im Jahr 2030 würden rund 30% aller Büroflächen in Frankfurt sogenannte Co-Working Spaces sein, betont Schmutzer, der sich hierbei auf eine Studie von JLL bezieht. Dabei würden insbesondere mittelständische Unternehmen diese Flächen nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu testen. Dass nicht alle Job- und Nutzungsprofile ins Co-Working passen gibt Jens Böhnlein, Global Head Office Solutions & Design, CA Immo, zu bedenken. Nach seiner Einschätzung dienen Co-Working-Flächen primär Selbständigen, jungen Unternehmen und Projekt-Teams. In diesem Zusammenhang wundert sich Böhnlein, warum Co-Working-Flächen eigentlich so hohe Innovations-Potenziale zugetraut werden.
Weltweit ist Großbritannien an der Spitze. 21 % der Vermietungen in London im Jahr 2017 entfielen auf die Co-Working Branche, verglichen mit knapp 8,5 % im Jahr 2016. Damit kann Großbritannien 32 % des weltweiten Anteils an flexiblen Arbeitsplätzen auf sich vereinen. Festzuhalten ist, dass überall in den europäischen Märkten die Nachfrage an flexiblen Büros zunimmt, wobei in London, Berlin, Frankfurt und Paris die höchsten Wachstumsraten vermutet werden.

Ausblickend ist davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Investmentzyklus globale institutionelle Immobilieninvestoren höhere Risiken eingehen werden, um ihre Renditeziele einzuhalten. Ferner dürften europäische Immobilienmärkte und somit auch pan-europäische Immobilienunternehmen mittelfristig eine bessere Performance verzeichnen als jene aus Nordamerika oder Asien. Gemäß dem MSCI Global Property Index ist Europa in den letzten Jahren hinter den amerikanischen und asiatisch-pazifischen Märkten zurückgeblieben.


Karl-Heinz Goedeckemeyer ist unabhängiger Finanzanalyst für börsennotierte Immobilienunternehmen, Finanzwerte sowie internationale , Immobilienmärkte mit Fokus auf die Segmente Wohnen, Büro und Hotels. Daneben ist als freier Autor für einzelne Publikationen tätig. Davor hat er rund 10 Jahre als Aktienanalyst börsennotierte Immobilienunternehmen aus dem deutschsprachigem Raum sowie europäische und US-amerikanische Banken analysiert.  Karl-Heinz Goedeckemeyer schreibt regelmäßig für das Blick Log

 

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