Zukunft der Finanzierung: ICOs sind tot, es lebe der STO

by Dirk Elsner on 29. April 2019

Es ist selten, dass meine Wünsche an die Finanzmärkte erhöht werden. Bei dem Finanzinstrument ICO scheint das aber der Fall zu sein. Vor einem Jahr wünschte ich mir in der Kolumne “Kryptowährungen und ICOs zwischen Wildnis und Zähmung” eine Professionalisierung des noch jungen Instruments, mit dem sich vor allem viele Startups finanzierten.

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ICO steht für Initial Coin Offering. Die Bezeichnung ist an den englischen Begriff für Börsengang „Initial Public Offering“ (IPO) angelehnt. Damit hat der ICO aber prinzipiell wenig zu tun. Meist handelt es sich um eine nicht regulierte Methode des Crowdfundings (siehe etwa Darstellung in einer Studie der Frankfurt University of Applied Sciences). Ein IPO ist dagegen der an zahlreiche gesetzliche Vorgaben  gebundene Erstverkauf von Aktien.

Bei einem ICO werden digitale Token (Token = Wertmarke) für verschiedenste Zwecke erstmalig verkauft. Nach einer jüngst veröffentlichten Erklärung der deutschen Finanzaufsicht BaFin bezeichnet ein Token “eine digitalisierte Form von Vermögenswerten. Ihm wird eine bestimmte Funktion oder ein bestimmter Wert zugesprochen. Weitreichende Einsatz- und Erscheinungsformen sind denkbar.” Ein Token kann dabei bestimmte Vermögensansprüche und Rechte in digitaler Form repräsentieren.

Technisch realisiert werden die Token mithilfe von Varianten der auch für Kryptowährungen verwendeten Distributed-Ledger-Technologie (DLT). Mit der DLT-Technologie, wie etwa einer Blockchain können Verfügungsrechte über materielle und immaterielle Güter über kryptografische Verfahren manipulationssicher dezentral und digital dokumentiert werden. Dies ermöglicht es, Informationen in digitaler Form vor Fälschung und Duplizierung zu schützen. DLT und Blockchain dienen damit als eine Art digitales Vertrauensprotokoll.

In meiner aktuellen Kolumne für Capital geht es um die Professionalisierung der ICOs. Damit verschwindet die alte Bezeichnung wird derzeit in den Fachpublikationen ersetzt durch STO. Dieser Abkürzung steht für Security Token Offerings. 

ICOs sind tot, es lebe der STO

Tatsächlich sieht es so aus, als entwickele sich das Finanzinstrument weiter. Gefördert wird dies auch durch verschiedene Klarstellungen der Finanzaufsicht. Sie sperrt sich übrigens nicht gegen das Instrument, setzt aber Leitplanken. Sie hat bereits im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass es sich bei einem Token um Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG handeln kann. Ein Wertpapier müsse nämlich nicht auf Papier dokumentiert werden:

„Ausreichend ist, dass Transaktionen anhand der Distributed Ledger- oder Blockchain-Technologie so dokumentiert werden können, dass die in den Token verkörperten Rechte eindeutig einer Adresse (nicht zwingend einem Namen) zugeordnet werden können.”

Die Bundesregierung plant eine Blockchain-Strategie und führte eine öffentliche Konsultation u.a. mittels eines ausführlichen Fragebogens durch. Eine besonders lesenswerte Antwort ist

Stel­lung­nah­me des Fin­Tech­Rat zur Block­chain-Stra­te­gie

Hier findet man neben eine Einordnung auch viele Erklärungen und Definitionen rund um das Thema Blockchain, Distributed Ledger, Token und mehr. Zur Begriffsbestimmung von Token verweist der Fintechrat eines Gesetzentwurfs in Liechtenstein (S. 7):

“Allgemein stellen Token im Sinne der Definitionen kein alleiniges Recht in einem digitalen Kontext dar, sondern sollten vielmehr als eine plattform-basierte Hülle bzw. Container verstanden werden. Diese kann “Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einer Person, Rechte an Sachen oder andere absolute oder relative Rechte verkörpern.” Ein Beispiel dafür ist das Besitzrecht an einem (physischen) Wertgegenstand oder einem Wertpapier. Andere Beispiele reichen von traditionellen Währungen (z.B. Euro, US-Dollar) über in Token formierten Lizenzrechte an geistigem Eigentum bis hin zu Token, die reale Assets (z.B. Maschinen, Autos etc.) betreffen. Innerhalb dieses Rahmens können dann die spezifischen, in Token aufgenommenen, Rechte, z.B. das Kapitalmarktrecht, angewandt werden. Drittparteien, die mit den Token interagieren (z.B. im Rahmen einer sicheren Verwahrung, Handel, Bewertung oder auch Anbindung von Identitäten an Personen/Firmen/Objekten), sollten in einer möglichen Gesetzgebung wiederum zusätzlichen separaten, dienstleistungsbezogenen Regeln unterworfen werden, um eine Rechtsprechung auf allen Ebenen sicherzustellen. Wir werden dieser Argumentation dieses Textes in weiten Teilen folgen.”

Die Tokenesierung von Urkunden dürfte die Art, wie künftig Aktien, Anleihen, Schuldscheine, Derivate und andere Kapitalmarktgeschäfte abgewickelt werden, erheblich verändern. Bis dahin sind aber noch viele Fragen zu beantworten. Dazu gehören etwa auch die digitale Verwahrung und Verwaltung sowie neue Formen des Risikomanagements.

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