Hintergrund: Carry Trades als Verursacher von Währungsturbulenzen

by Dirk Elsner on 8. November 2008

Depth Of Coins

Währung: Gegenstand von Carry Trades

Die sogenannte Carry Trades sorgten in den vergangenen Wochen für erhebliche Unruhe an den Devisenmärkten. Sie werden u. a. verantwortlich gemacht für den starken Anstieg des japanischen Yens. Was genau hinter den Carry Trades steckt, hat im vergangenen Jahr der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2007/08 erklärt (S. 105 ff):

Carry Trade führt zu destabilisierender Wechselkursentwicklung

Der Mechanismus der Wechselkursanpassung wurde in den letzten Jahren nicht nur durch Devisenmarktinterventionen, sondern auch durch den so genannten Carry Trade erheblich beeinträchtigt. Dabei handelt es sich um kurzfristige Kapitalströme, die sich im Wesentlichen an den Zinsdifferenzen zwischen zwei Währungen orientieren. In einer Währung mit niedrigen Zinsen werden kurzfristige Kredite aufgenommen und in einem Land mit höheren Zinsen investiert. Diese Strategie ist vor allem dann attraktiv, wenn die Wechselkurse eine niedrige Volatilität aufweisen.

Insbesondere der Yen wurde in den letzten Jahren als Kreditwährung für den Carry Trade genutzt. So kam es in den Jahren 2005 bis 2007 zu starken kurzfristigen Kapitalabflüssen von Japan in die Vereinigten Staaten, die zu einer Abwertung der japanischen Währung gegenüber dem US-Dollar führten. In Anbetracht des sehr hohen Leistungsbilanzüberschusses von Japan und des gleichzeitigen Defizits der Vereinigten Staaten ist von dieser Wechselkursbewegung eine destabilisierende Wirkung ausgegangen.

Riskante Anlagestrategie mit …

Die Anlagestrategie des Carry Trade ist mit hohen Wechselkursrisiken verbunden und sie kann daher vor allem von Investoren wahrgenommen werden, die wie Hedgefonds keinen rechtlichen Beschränkungen für das Eingehen von offenen Positionen in Fremdwährungen unterliegen. Neben dem Yen ist besonders der Schweizer Franken eine beliebte Finanzierungswährung für den Carry Trade und neben dem US-Dollar sind als Zielwährungen insbesondere der australische und der neuseeländische Dollar sowie der brasilianische Real und der ungarische Forint begehrt.

… unerwünschten Nebenwirkungen

Der Carry Trade hat nicht nur unerwünschte Wechselkurseffekte, er bietet risikofreudigen Investoren zugleich die Möglichkeit, sich zu niedrigen ausländischen Zinsen zu finanzieren, womit die Wirksamkeit der inländischen Geldpolitik reduziert wird. So konnten nach dem Anziehen der US-Leitzinsen in den Jahren 2005 und 2006 die sehr niedrigen Zinsen in Japan weiterhin für Finanzanlagen in den Vereinigten Staaten genutzt werden. Dies verdeutlicht eine Studie von Hattori und Shin (2007). Sie zeigt, wie Finanzbeziehungen zwischen einer US-amerikanischen Bank und ihrer Niederlassung in Japan (Net Interoffice Accounts) für eine Kreditaufnahme in Japan genutzt wurden, um Liquidität in den Heimatmarkt zu transferieren. Konkret verschuldet sich die japanische Niederlassung einer US-Bank am japanischen Geldmarkt und vergibt diese Mittel als Kredit an die Mutter in den Vereinigten Staaten. In der Vergangenheit war der Saldo der Interoffice
Accounts traditionell negativ, das heißt, die Auslandstochter transferierte per saldo Mittel aus den Vereinigten Staaten nach Japan. Dies hat sich jedoch seit dem Jahr 2006 gewandelt (siehe Schaubild), wobei ein recht enger Zusammenhang zwischen der Zinsdifferenz und dem Volumen dieser
Konten besteht.

Einfluss der Zinsdifferenz auf die Finanzbeziehungen zwischen US-Banken und Niederlassungen in Japan

Einfluss der Zinsdifferenz auf die Finanzbeziehungen zwischen US-Banken und Niederlassungen in Japan

Auch Kleinanleger sorgten für Destabilisierung

Ähnlich destabilisierende Effekte werden zudem durch das Verhalten von Kleinanlegern ausgelöst. In Japan ist seit einiger Zeit zu beobachten, dass private Haushalte bestrebt sind, ihr Vermögen verstärkt in höher verzinslichen ausländischen Anleihen (Uridashi Bonds) anzulegen. Diese Anlagestrategie führte dazu, dass der Yen als Währung eines Überschusslandes unter Abwertungsdruck geraten ist, womit die Ungleichgewichte in den Vereinigten Staaten tendenziellverstärkt wurden. Nach Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich belaufen sich die Fremdwährungsanlagen japanischer Haushalte auf rund 150 Mrd US-Dollar.

Kreditnehmer aus Hochzinsländern verschulden sich in Niedrigzinsländern

Ein vergleichbarer Übertragungskanal besteht darin, dass Kreditnehmer in Hochzinsländern immer wieder der Versuchung erliegen, sich in ausländischen Währungen mit niedrigen Zinsen zu verschulden. Damit untergraben sie die Möglichkeiten der nationalen Notenbank, die heimische Wirtschaft zinspolitisch zu steuern. Entwicklungen dieser Art haben in den neunziger Jahren wesentlich zur Asienkrise beigetragen. Sie sind heute vor allem in Osteuropa und in der Türkei zu beobachten (Valgreen, 2007). In einigen osteuropäischen Ländern lautet mittlerweile ein Großteil der Hypothekarverschuldung auf Schweizer Franken. Diese Entwicklung ist insofern bedenklich, als unklar ist, ob private Haushalte in der Lage sind, das Wechselkursrisiko zu tragen. Wie das Beispiel der Asienkrise verdeutlicht, haben diese Kreditnehmer − anders als Hedgefonds − bei einer plötzlichen Aufwertung der für den Kredit genutzten Währung nicht die Möglichkeit, ihre Schulden kurzfristig zurückzuzahlen. Es steht zu vermuten, dass sich die meisten dieser Haushalte kaum der Tatsache bewusst sind, dass sie sich als unprofessionelle Carry Trader betätigen.

Markt für Carry Trades ist intransparent

Das genaue Ausmaß des Carry Trade ist relativ schwierig zu ermitteln, da hierfür häufig derivative
Geschäfte, wie zum Beispiel Devisentermingeschäfte oder Währungs-Swaps, gewählt werden,
die statistisch nur teilweise zu erfassen sind. Indizien für das steigende Volumen des Carry
Trade in Yen sind − neben dem bereits erwähnten Anstieg der Interoffice Accounts − der stark
steigende Anteil der Mittelaufnahme ausländischer Banken am japanischen Tagesgeldmarkt sowie
hohe ausstehende Positionen in Yen-Terminkontrakten (OECD, 2007).

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