Wendet sich Wall Street ab von Obama?

by Dirk Elsner on 21. Januar 2009

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Wall Street würdigt den neuen Präsidenten nicht

Die Wall Street hat den Tag des Amtsantritts von Barack Obama nicht gefeiert. Im Gegenteil: Die US-Börsen haben mit ihren wiederum starken Kursverlusten auch die weiteren Börsenplätze nach unten gezogen. Der Obama-Effekt scheint mit dem Amtsantritt längst verflogen. Der Dow hat  4% oder 330 Punkte verloren und der DAX auf außerbörslicher Basis musste fast 3,5% abgeben. Das ist bitter und nicht angemessen für den Tag. Wo bleibt die Zuversicht der Börsianer?

Möglicherweise gefiel den Investoren die Antrittsrede von Obama nicht. Gleich zu Beginn geißelte er die Gier, die auch von der Wall Street ausging, ohne die Banker selbst zu benennen: “Unsere Wirtschaft ist schwer verletzt, eine Konsequenz der Gier und der Verantwortungslosigkeit einiger von uns – aber auch als Folge des kollektiven Versagens, die richtigen harten Entscheidungen zu treffen und unser Land für die Zukunft vorzubereiten.”

Dabei waren diese Sätze noch zurückhaltend im Vergleich zu den Aussagen auf der neuen Homepage, auf der die ökonomische Agenda prominent platziert ist:

“We arrived at this point due to an era of profound irresponsibility that stretched from corporate boardrooms to the halls of power in Washington, DC. For years, too many Wall Street executives made imprudent and dangerous decisions, seeking profits with too little regard for risk, too little regulatory scrutiny, and too little accountability. Banks made loans without concern for whether borrowers could repay them, and some borrowers took advantage of cheap credit to take on debt they couldn’t afford. Politicians spent taxpayer money without wisdom or discipline, and too often focused on scoring political points instead of the problems they were sent here to solve. The result has been a devastating loss of trust and confidence in our economy, our financial markets, and our government.”

Zu Recht spricht er aber nicht nur die Wall Street an, sondern bezieht die Verantwortung bzw. den Mangel an Verantwortung auf einen breiteren Personenkreis. Aber keine Frage, Banken und Investoren fürchten an die Kette gelegt zu werden. Dafür müssen sie sich aber bei sich selbst bedanken. Ohne diese Kette würde es weder eine politische Akzeptanz für die Rettungspläne noch für die Konjunkturprogramme geben.

Und bevor die Investoren die Flucht antreten, sollten sie selbst Verantwortung zeigen und überlegen, was sie für ihr Land tun können. Nun hat Barack Obama die Macht, und er gibt der Welt die Verantwortung, diese Macht für die Menschen zu nutzen. Oft habe ich die Botschaft von ihm in den letzten Wochen gehört, die die Menschen auffordert, nicht nur an sich zu denken, sondern auch an die Mitmenschen und an das eigene Land. Bei ihm klingt das nicht nach einer Worthülse.

HB: Wall Street nach Obama-Rede auf Tagestief

FTD: Obama drückt Wall Street auf Tagestief

WSJ: Banks Still Under the Microscope

NYT: tocks Plummet on Bank Worries

bankboy Januar 21, 2009 um 19:16 Uhr

Sollten wir die negative Reaktion der Börse als positives Zeichen werten ? Sicher nicht – aber sie zeigt, daß Obamas Botschaft ernst genommen wird. Seine Kritik ist berechtigt. Mehr Augenmass, Realismus, Verantwortung und Beschränkung auf ein vernünftiges Mass beim Verfolgen wirtschaftlicher Ziele sind angesagt im Mutterland des Kapitalismus und auch bei uns. Es gibt keine vernünftige Alternative zur Marktwirtschaft – das heisst jedoch nicht, daß sie sich nicht weiterentwickeln kann und muss. Vielleicht geht Obama mit seiner ökonomischen Agenda als Begründer des „Capitalism 2.0“ in die Geschichte ein.

Melanie Gatzke Januar 21, 2009 um 11:04 Uhr

Die Welt dreht sich nicht nur um die Wall Street. Es soll auch noch Milliarden andere Menschen geben, die eine Überlebensrecht haben.
Die Politik ist nicht dafür da, auch nicht Obama, um der Wall Street den Hof zu machen und deren Privilegien zu sichern, deren Finanzeskapaden und ihre -durch Betrügereien- ergaunerten Gewinne zu sichern.
Das Gemeinwohl des ganzesn Volkes ist vorrangiges Ziel.
Die Wall Street ist nur ein kleiner Teil der Volkswirtschaft, wenn man dieses Unternehmen überhaupt als produktiven Teil der Nationen bezeichnen kann.
Bis jetzt hat es sich nur als Zockerinstitution gezeigt, das viele arm macht und wenige sehr reich. Das kann nicht Sinn einer Volkswirtschaft sein. Schon gar nicht dient es dem Wohl der Menschen, wie wir in dieser Zeit alle sehen können. Sie haben die Welt ins Chaos gestürzt, viele Menschen um ihre Existenz gebracht. Wer sollte da noch Sympatien haben , wer sollte da noch vorrangig auf die Wall Street Rücksicht nehmen. Es gibt keinen Grund dafür. Es kann nicht sein, dass einige in geld ersticken, in sekt baden, während andere die Nahrung in der Mülltonne suchen, Kinder verelenden und Millonen an Hunger sterben. Es wird Zeit, für ein bisschen Schamgefühl.

Joss Januar 21, 2009 um 07:22 Uhr

Was endgueltig vorbei ist an der Wall Street, Boerse und Finanzsektor ueberhaupt ist
jene groteske Idylle, in die das alles hineinfuehrte, in der man teilweise steckt.
Zur Vertiefung oben angesprochener Punkte: die Suchworte
+bank of america secret bailout money+ … ergeben eine Fuelle von Artikeln. Einer davon:
http://www.huffingtonpost.com/2009/01/16/bank-of-america-gets-addi_n_158398.html
dies ist nur eines der momentanen Probleme, daran kann auch ein Praesident nicht
mit so einfach mit quasi uebernatuerlichen Faehigkeiten rangehen. Irgendwie ist das
auch klar:
As Main Street Rejoices, Wall Street is a Basket Case
http://www.huffingtonpost.com/zach-karabell/as-main-street-rejoices-w_b_159508.html

Und dann noch ein Video mit Peter Schiff auf CNBC, Nov 20, als flashback welche
Art von Debatten gefuehrt wurden im Fernsehen:
http://www.youtube.com/watch?v=Mlo8uvlwQeQ

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