“Lynch” Justiz der Bank of America an John Thain

by Dirk Elsner on 26. Januar 2009

Wenn die Finanz- und Wirtschaftskrise in der aktuellen Beschleunigung so weiter rollt, dann werden eines Tages nicht nur, wie jetzt in Island zu beobachten, die Menschen vor Rathäusern und in Regierungsvierteln demonstrieren, sondern ein aufgebrachter Mob könnte vor den Villen einiger Hauptfiguren auf ganz andere Ideen kommen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass es dazu kommt, aber bedanken könnten sich die Betroffenen bei solchen Protagonisten der Finanzkrise wie John Thain, dem Ex-Chef des untergegangenen, sorry von der Bank of America übernommenen Brokerhauses Merrill Lynch.

Unter anderem soll er für 1,2 Mio. $ sein neues Büro möbliert haben – mit einer Anrichte aus dem 19. Jahrhundert, ist z.B. in der FTD zu lesen. Am Tag, an dem Lehman Insolvenz anmeldete, reichten sich der Chef der Bank of America, Kenneth Lewis, und der John Thain noch lächelnd die Hände, weil die Notübernahme des angenschlagenen Brokers gerade noch ein weiteres Desaster verhinderte.

Genüsslich werden jetzt die Details in der Öffentlichkeit breit getreten:

“Der Nachrichtensender „CNBC“ listet ausführlich auf, mit welchen Möbeln sich Thain sein neues Büro einrichten ließ: Ein kleiner Beistelltisch aus Mahagoni für 25.713 $, eine Kommode für 35.115 $, ein George-IV-Stuhl für 18.468 $, ein Teppich für 87.784 $, eine Anrichte aus dem 19. Jahrhundert für 68.179 $. Nicht zu vergessen Lampenschirme für 7315 $. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 1,22 Mio. $. Auch den Designer des noblen Interieurs will „CNBC“ kennen: Michael S. Smith heißt der Mann, der auch schon das Weiße Haus ausstattete und Regisseur Steven Spielberg, Schauspielerin Michelle Pfeiffer, Top-Model Cindy Crawford und Sir Evelyn de Rothschild zu seinen Kunden zählt. Nicht nur für Möbel gab sich Thain freigiebig. Auch seinem persönlichen Fahrer räumte er ein Top-Managergehalt ein. 230.000 $ soll er dem Chauffeur gezahlt haben – im Jahr. Andere Fahrer von Top-Managern müssen sich mit weniger als der Hälfte zufrieden geben. “

Man darf sich schon fragen, wie solche internen Details an die Öffentlichkeit geraten. Vermutet wird, dass Kenneth Lewis einen Vorwand suchte, um Thain abzuservieren, weil der für Merrill Lynch gezahlte Preis im Nachhinein betrachtet viel zu hoch war und Lewis deswegen selbst in die Schusslinie geraten ist. Man darf sich aber auch fragen, welche Gelder an anderen Stellen und in anderen Instituten immer noch vergeudet werden, wenn gerade nicht nach einem Grund gesucht wird, einen Manager loszuwerden.

Auch Barack Obama kritisierte das Verhalten Thains deutlich, wie Bloomberg schreibt: “

“Without citing any individual or company, Obama said recent reports “about companies that have received taxpayer assistance, and then going out and renovating bathrooms, or offices, or other ways not managing those dollars appropriately” show the need for more scrutiny.”

Die New York Times ist nach dem Rücktritt von Merrill Lynch-Chef John Thain empört. Noch im Dezember 2008 hat er einen Bonus von zehn Millionen Dollar gefordert. Außerdem habe er kurz nach der Bekanntgabe der Allianz mit der Bank of America drei bis vier Milliarden Dollar an Bonus-Zahlungen verteilt. Das Problem sei nach Auffassung der NYT nicht der eine Banker. Die gesamte Finanzindustrie muss verstehen, dass die Milliarden, die sie aus dem öffentlichen Portemonnaie bekommen hat, keine Belohnung für die Verwüstung sind, die sie im Finanzsystem und im Leben so vieler Amerikaner angerichtet hat.“ Mit Blick auf den Finanzkonzern JPMorgan Chase, der trotz sinkender Profite seine Dividenden nicht gekürzt habe, und im Ausblick auf das „nächste Kapitel der Bankenrettung“ schreibt das Blatt weiter: „Jetzt sind klare Regeln erforderlich, die Dividenden beschränken und der Regierung die Option geben, Zusammenschlüsse von Banken, die Steuergelder erhalten, zu blockieren.“ Außerdem müssten die bisher vagen Gesetze zur Vergütung von Führungskräften im Rahmen der „Rettungs-Gesetzgebung“ verschärft werden.

Menschen wie John Thain leben in einer komplett anderen Welt. Sie zeigen nicht ein Fünkchen an Sensibilität für die aktuelle Situation. Da hilft weder ein Code of Conduct noch allgemeine Ethikregeln. Auch die Personen, die solche Leute wie Thain an prominente Stellen platziert haben, müssen sich Fragen nach ihren Beurteilungskriterien  gefallen lassen. Es gibt genügend gute Leute, die auch Geld für Unternehmen verdienen ohne in derartigen Größenwahn zu verfallen. Thain hat seiner Familien, seinen Vorstandskollegen in anderen Instituten und auch seinen ehemaligen Mitarbeitern sehr großen Schaden zugefügt. Dafür trägt er allein die Verantwortung, unabhängig davon, wie die Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Weitere Beiträge

WSJ: The Economy Needs Corporate Governance Reform

NYT: It’s Not Their Money

NYT: Thain’s Office Overhaul Said to Cost $1.2 Million – DealBook Blog …

NYT: Thain Resigns Amid Losses at Bank of America

NÝT: John Thain Departs

Fiercefinance: Can John Thain salvage his reputation? – FierceFinance

HB: In der Zwickmühle

egghat: Zahl des Tages (23.01.2009): 4.000.000.000

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: