Paparazzi-TV, skandalöse Boni und Wall Street Lobbying

by Marsman on 25. März 2009

Dass mancher Tabloid-Fernseh Kanal in den USA mit Paparazzi-Aufnahmen großen Erfolg beim Publikum hat, ist mittlerweile gewissermaßen offiziell. Offiziell in der Weise, als die New York Times in typischer Grey Lady Manier nicht als erste, sondern erst dann über langen Regen und Überflutungen berichtet, wenn das Wasser tatsächlich schon da und dort allerhand überschwemmt, diese Tatsache dann freilich als große Neuigkeit bringt, trifft auch diese mediale Entwicklung und Veränderung zu. Auf alle Fälle: damit ist die zunehmende Aufmerksamkeit der Paparazzi auf überbezahlte CEOs und dergleichen Medien – offiziell. Und eine gute Zusammenfassung brachte die NYT schließlich auch zustande. Zugang zu diesem Artikel hier ueber blogrunner.com.

Und mittlerweile ist diese „Mode“ auch in Großbritannien angekommen wie der Guardian berichtet.

Das vielseitige Interesse an solchen Themen sollte sich in seiner neuen und für manche ziemlichen überraschenden Auswirkung jetzt bei den AIG Bonussen zeigen. Urplötzlich waren Details und Praktiken gewissermaßen im Scheinwerferlicht, die man für immer als nicht bemerkbar hielt. Die Politiker beider Parteien standen plötzlich da wie wie bei irgendwas ertappte Schüler.  Es war auf einmal ein Kindergarten.  Im Grunde hatte das alles Witz. Wie nie zuvor in der Geschichte war das Lobbywesen der Wall Street offen einzusehen. Und damit erstmalig in dieser Art hinfällig.

Dass ein Gesetz innerhalb eines Tages verabschiedet wird, spricht wohl für sich. Die politische Scheinheiligkeit, die den Wählern das eine sagt und dann legislativ das andere hat damit erst mal ein Ende. Der Appetit, das Interesse ist eigentlich enorm. Und eben dieses riesige Interesse dürfte dann auch in weiterer Hinsicht zum Tragen kommen. Man will mehr davon. Tatsächlich gibt es eine Menge aufzuklären. Begünstigt wird dies durch die Flexibilität des Internets und dessen Offenheit.

Begonnen hat dieses mediale Interesse vor etlichen Monaten.  Nur als Beispiel dafür hier ein kurzer Clip aus einer TV Sendung vor etlichen Monaten in der die Gehälter der CEO’s angesprochen wurden. Und so ergab es sich insgesamt im Laufe der letzten Zeit dass auch die sonst an wirtschaftlichen Themen geschweige denn solchen Details früher nicht interessierten Kanäle nunmehr in ihren News – Shows vermehrt auf konkrete Details eingehen. Nun mag man die Nase rümpfen sowas. Allzu schnell sind eine Reihe pundits, Meinungsmacher, am Werk, die all den Ärger über die Bonusse als irrelevant, weil nur unerheblich als Betrag gegenüber den Großen Summen, hinweg diskutieren. Einer der wenigen dem so eine Argumentation redlicherweise zugestanden werden kann ist Ron Paul, Congressman, Republikaner, der seit langem warnt vor all den Problemen.

Man kann sich diese Aspekte allerdings auch von einer gewissermaßen höheren, professionellen Basis aus ansehen. Greycourt & Co., eine Investmentfirma in Pittsburgh und deren Standpunkte etwa.Greycourt veröffentlicht regelmäßig „White Papers“ zu verschiedenen Aspekten Investment, usw. Unverändert interessant liest sich deren „White Paper No. 44„: The Financial Crisis And The Collapse of Ethical Behaviour“, veroeffentlicht Nov. 2008; PDF 19 Seiten.

Sie geben darin eine Darstellung wie es zur Finanzkrise überhaupt kommen konnte, gehen kurz auf teils ohnehin bekannt aber relevante Punkte ein. Und gehen dann natürlich auf den Verfall der Sitten und Moral des Bankgewerbes ein. Sehr viel deutlichere Worte könnten im Rahmen eines solchen Papiers eigentlich nicht mehr gefunden werden. Und außerdem wissen die, wovon sie reden, schließlich haben sie in ihrer Eigenschaft mit dem Finanzsektor ja sehr viel zu tun.

Unter anderem geht es darin um: die to-hell-with-the client Einstellung der Banken, eine Einstellung die sich im Laufe so ergab. Je mieser und betrügerischer gehandelt wurde, desto mehr ergab sich gleichzeitig ein verächtliches Feindbild der Banker gegenüber den Kunden.

Weiter wird die doppelte Praxis erwähnt, mit der längere Zeit hinweg gehandelt wurde: während einerseits den Kunden diverse mortgage – based securities verkauft wurden, sie wurden diesen angepriesen, wurden dieselben Securities  privat, zum eigenen Gewinn, geshorted, sold short. Greycourt erwähnt extra, dass sich Goldman deswegen obendrein noch brüstet wie smart sie waren.

Ferner sprechen sie von einer „conspiracy of silence“, den ständigen Drang und der Praxis der Geheimhaltung. Und kommen dann auf etwas sehr wesentliches zu sprechen: das Verschwinden der treuhänderischen Verantwortung.  Greycourt (übersetzt): „Als die Banken dann lernten, dass sie ihre Kunden schlecht behandeln konnten und die einzige Konsequenz steigende Gewinne waren waren sie damit auf dem Weg zur Hölle.“ Als die Vermögensverwaltung die Kunden dann allein, im Stich ließ, sich von diesen distanzierte, sie waren zudem die Verlierer, gab es in der Folge dann keine Grenzen des Verhaltens mehr. (Dem kann man hinzufügen: die jeweilige Enthemmung,  die von einem Mal zum anderen größer wurde, kann man sehr leicht nachvollziehen. Es bedurfte ja einer jeweilige „Enthemmung“ bisheriger Standards und Normen um etwa die irren Summen dann legislativ irgendwie unterzubringen in der Politik und der Öffentlichkeit.)

Greycourt erwähnt dann auch, als anderes Beispiel, Paul O’Neill, der als CEO die Geschäfte von Alcoa, einem Aluminium produzierenden Firma ab 1987 führte. Alcoa war zu der Zeit ziemlich am Ende. Und was war, so fragt Greycourt, O’Neill, als erstes wichtig, was hatte Priorität? Die Sicherheit der Arbeiter, zu einer Zeit als Alcoa eine sehr hohe Unfallrate hatte. Das sollte sich auszahlen. Die Angestellten machten aus der am Boden liegenden Firma eine Qualitätsfirma,  die Firma machte deswegen dann auch entsprechende. Und O’Neill deswegen bei den Angestellten höchste Wertschätzung genießt.

Diese Stelle verdient m.E. besondere Hervorhebung, um auch mal ein Beispiel dafuer  zu haben worauf eine Investmentfirma aus vielen Gründen achten kann. Interessant ist vielleicht auch, das Greycourt offensichtlich in keiner Weise Heiligenscheine,  Scheinheiligen – Scheine, Sonntagsprediger und sonstige“ gute Menschen“- PR zu ihrer Praxis und Instrumentarium zählen.

So gesehen, so manches genauer besehen, trifft es mit dem Auffliegen der AIG Bonusse nur die Spitze eines Eisberges. Wenn sich dazu auch die Paparazzi gesellen, mal statt Britney Spears die Skandal – Banker belagern, ist das sicherlich nicht als Problem zu sehen. Ergibt vielleicht sogar abgesehen von der Notwendigkeit solcher Aufklärung dann auch halt auch mal allerhand den passenden Tratsch, ein wenig Tabloid – artige crime, sex & money Geschichten. Das gehört halt auch zum Leben, Farbtupfer in dem trockenen Geschehen.

Ferner leisten solche Tabloid – Berichte auch den Börsianern, groß und klein, damit recht gute Dienste. Vor nicht allzu langer Zeit gab es in der WirtschaftsWoche einen Artikel, der sich auf die Aufsichtsräte und deren Versagen als Kontrollinstanz ebenso wie ein Versagen oder Versäumnis von Seiten der Aktionäre bezog. Tatsächlich waren die letzten Jahren durch ein Fehlen, einer Art Nichtexistenz „kritischer Aktionäre“ geprägt.  Die gab es medial mal ein wenig vor etlichen Jahren, da kam hin und wieder was in den Medien davon vor, und dann waren sie medial ganz einfach verschwunden. Welche schwarze Magie hatte die wohl zum Verschwinden gebracht? Welcher Zauberei war da erfolgreich?

Waren es die bösen Hexer, Magier aus einem Harry Potter Buch oder Film? Oder einem anderem Märchenbuch? Bedingt könnte man allerhand aus diesen Märchen zum Vergleich verwenden, etwa hier einen bösen Magier mit seinen Zaubersprüchen zu nehmen – und dann übergehen auf die Wirklichkeit. Womit man u.a. die diversen Meinungsmacher, (pundits in den USA), „identifizieren“ würde ebenso wie eine offensichtlich höchst erfolgreiche PR- und Werbeaktivität der Banken und Finanzdienstleister. Und eine gewisse Bequemlichkeit, gepaart mit Wunschdenken, käme dann auch zum Vorschein.

Es waren soweit wohl nur wenig kritische Aktionäre, da wie dort, die sich die Auflistung der Namen der Vorstände und Aufstände besorgten, eine eigentlich kleine Recherche machten.  Der etwas genauere Blick darauf, wer überhaupt in den Aufsichtsräten sitzt, wie die überhaupt in diese Funktion kamen, und dergleichen mehr, Fragen, die eigentlich wegen des vielfachen Versagens ebendieser schon von größter Wichtigkeit sind, werden gleichsam mit spielerischer Leichtigkeit von den Tabloid – Medien, so diese ihre Kameras mal auf die alle richten, tatsächlich enorm erleichtert.

Demnächst, weil in einem Beitrag zu viel, dazu passende Buchvorstellungen  (Charles R. Geisst).

Medien die vielleicht interessant sind, sofern noch nicht bekannt:

die Huffington Post (macht keine Aktienanalysen, die HuffPo ist politisch, eher den Demokraten zugeneigt, aber insgesamt kritisch, keine braven Parteigaenger, die unkritisch alles selig laechelnd hinnehmen. Im Gegenteil.

Silicon Alley Insider, tech – site, mit Aktienanalysen und news in diesem Bereich, aber daneben auch allgemeinen Themen, oft auch witzig. Die haben ihren eigenen, nicht unpopulären Stil. Henry Blodget, einer der Gründer und Miteigentümer, sorgte u.a. dafuer, dass die kritische Beobachtung Warren Buffets, dass der ursprüngliche Bailout – Plan eine alles betreffende Geheimhaltungsklausel enthielt, an die Öffentlichkeit kam. Diese Geheimklausel musste dann, das war noch zu Zeiten von Bush und Paulson, aufgegeben werden. Allgemeine Themen finden sich bei denen auch unter „clusterstocks“.

DealBreaker, ein selbst – definiertes online Wall Street Tabloid. Allerdings setzen die mit ihrer Tabloid-Definition neue Standards. Allgemeinbildung etwa ist unbedingt mitzubringen. Sie machen ihre Sache m. E. auch gar nicht so schlecht.

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