Buchhaltung für toxische Papiere rulz

by Dirk Elsner on 3. April 2009

Die Überschrift zu den neuen “Accounting Rules” in den USA für Mortgage-Backed Securities ist mir erst später eingefallen, denn eigentlich weiß ich nicht, was ich von dieser Neureglung des Financial Accounting Standards Board halten soll. Im Kern geht es darum, dass bestimmte Aktiva unter bestimmten Umständen nicht mehr zu Marktpreisen bewertet werden braucht. Derartige Erleichterungen gibt es schon jetzt, wenn die Papiere im Anlagebuch gehalten werden. Anscheinend soll dies nun auch für das Handelsbuch gelten.

Eigentlich müsste ich nach meinen Einschätzungen zu den Unterbewertungen bestimmter toxischer Papiere sagen: Jap, das ist die Lösung. Einfach nicht weiter abschreiben, wenn die Märkte “gestresst” sind und sich (vermeintlich) keine marktgerechten Preise finden lassen. Aber mir gefällt die Regel trotzdem nicht. Ich teile zwar nicht die Auffassung des Handelsblatts, das meint US-Banken dürfen sich reich rechnen. Banken können sich zwar reicher rechnen, sie werden aber faktisch nicht wohlhabender durch diesen Trick.

Die Reaktion einiger Marktteilnehmer, die meinen, jetzt gäbe es höhere Gewinnausweise und deswegen müssten die Bankaktien steigen, spricht auch nicht gerade für die Intelligenz des Marktes.  Ich weiß nicht, ob diese Regeländerung für die heutigen Kursanstiege bei Bankaktien verantwortlich war, aber wenn es so wäre, dann wird damit die moderne aber ohnehin schwer angeschlagene Kapitalmarkttheorie beerdigt. Kursanstiege aufgrund eines reinen “Buchhaltungsgewinns”, der keinen Cashflow schafft, darf es eigentlich nicht geben.

Und eigentlich hätte es sogar Abschläge geben müssen, weil nun die Bilanzierung vollkommen undurchschaubar wird und damit die Bewertungsunsicherheit langfristig eher erhöht wird. Oder hat schon jemand festgelegt, wann ein Markt “gestresst” ist? Vielleicht hätte man sich einfach noch ein paar Wochen, so wie die IASB Zeit lassen sollen, um ein in sich konsistentes Regelwerk zu schaffen.

Lars April 6, 2009 um 13:34 Uhr

Mit der Oktober-Entscheidung erstmal ein wenig Spannung herausgenommen weil Verluste nicht mehr über die GuV sondern im Eigenkapital dargestellt werden können selbst wenn der fair value zu bilanzieren ist.

Eine gesamte Überarbeitung des IAS 39 ist aber wohl in fortgeschrittener Überlegung, vgl. dazu auch
http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/5C4EC0A4-D498-48A9-B54C-58AFF74A94CF/0/SACMeetingSummaryFebruary2009.pdf
und
http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/8FF158C4-C2BE-4242-86D4-D8B275A63BD3/0/FI0903jointb06obs.pdf

Im November 08 hat Sir David Tweedie ja schon etwas großes angekündigt: „There are a lot of things already under way.“
http://www.gaap-ifrs.com/news/gaap_ifrs/2345/

Die FASB-Entscheidung ist ja auch Unsinnig, eine mark-to-make-believe Bilanzierung hilft vielleicht aktuell in der Krise aber Investorfreundlich ist die Entscheidung ja nicht.
Das IASB dürfte also, wenn das framework nicht ad absurdum geführt werden soll, diese Entscheidung nicht mitmachen.

Aber vielleicht einigt man sich auch unter der Hand zwischen IASB und FASB, IASB macht full fair value, FASB irgendwas um keine Insolvenz darstellen zu müssen. Unternehmen müssen wieder nach IAS und US-Gaap bilanzieren und alle sind happy 🙂

Joss April 3, 2009 um 05:54 Uhr

Wall Street wie auch andere Boersen haben eigentlich alle ohnehin seit langem ein
ziemlich gestoertes Verhaeltnis zur Buchhaltung. Enron war ein beruehmter Anfang
aus dem man nichts gelernt hat, lernen wollte, sondern dann erst recht … aufs Ganze
ging.
Wenn so wie oben, der Aspket mit dem Cash – flow, ein kleines Detail erwischt wird,
auffaellt, kann dies auch schon mal bloss der Zipfel von einem groesseren Problem
sein.
Was mit derzeit so arg auffaellt ist die Dysfunktionalitaet von Wall Street, der Interpretation
der Vorgaenge. Beispiel: als die Regierung unlaengst den Plan von GM als unzureichend
ablehnte, ganz zurecht meiner Meinung nach, reagierte die Boerse negativ, die Kurse
sanken deswegen. (Mit anderen Worten: „Wall Street“ besteht aus fanatischen
Betriebswirtschafts – Katastrophingern, die ein perverses Vergnuegen an miserabel
gefuehrten Betrieben haben.)
Dann wieder jetzt diese eigenartige Reaktion auf diese Ankuendigung der
Erleichterung der Buchhaltungsregeln. Zudem ist genauer besehen so gut wie
ueberhaupt nichts Gescheites von den Bankern zu hoeren. Deren Aussagen alle
zusammengestellt, bzw. etliche in eine Reihe gestellt ergeben einen Schundroman,
haarstraeubende Lektuere. (Die haben nur Stroh im Kopf – das hat Methode.)

Irgendwann gibt es dann wieder mal einen Aha! und Ach so! Tag, wenn bislang
Unbekanntes bzw. Verdraengtes dann an die Oeffentlichkeit kommt. Etwa die
teilweise missbraeuchliche Verwendung von Pensionsfonds und aehnlichen Anlage-
Formen.
In Irland ( im Internet zu finden) kam jetzt die Verwendung des Reserve – Fonds
der nationalen Pension ans Licht. Dieser Fond wird zur Re-Kapitalisierung der
Banken zum Nachteil des Fonds verwendet.
Hier der Blog eines kritischen irischen Senators:
http://www.shane-ross.ie/archives/313/scanadalous-scheme-of-arrangement/

Ich habe den Verdacht, das was er da erwaehnt, keineswegs auf Irland beschraenkt
ist.

dels April 3, 2009 um 07:48 Uhr

Hallo Joss,
das ist ja ein Schlagwort für einen eigenen Beitrag: Die „Betriebswirtschafts-Katastrophinger“ der Wall Street. Ich glaube es könnte sich lohnen, das Thema noch näher zu betrachten.

Lars April 3, 2009 um 01:51 Uhr

Die IASB hatten doch zum dritten Quartal 08 bereits eine „Erleichterung“ beschlossen die auch durchs EU-Parlament gewunken wurde, oder!?

Nach IAS 39 bewertete trading-Titel konnten doch mit Wertansatz von 06/08 erstmals in AFS, L&R sowie HTM umgewidmet werden und wurden so aus der GuV verbannt, bei L&R und HTM wird sogar direkt mit Anschaffungskosten (von 06/08) bilanziert.

Sebastian April 3, 2009 um 15:14 Uhr

Noch gibt es keine neuen Bilanzregeln, wie angekündigt nach dem G20 Gipfel. Die FASB diskutiert noch darüber.

Lars April 5, 2009 um 16:11 Uhr

Doch, die Umwidmungsregeln gibt es seit 15. Oktober 2008 und sind in IAS 39.50 bis 39.50F sowie 39AG8 codiert. Es geht nicht um eine generelle nichtfairvalue Anwendung sondern um Erleichterungen die durch Ausweismöglichkeiten geschaffen werden.

http://www.ifrs-portal.com/Texte_deutsch/Standards/Standards_aktuell.html

Sebastian April 6, 2009 um 10:16 Uhr

Na super,
also ging es bei den neu angekündigten Bilanzregeln vom G20 Gipfel um die Umwidmungsmöglichkeiten? Die sond doch schon längst in den IAS kodifiziert. Also im Endeffekt nichts neues.

Oder ging es hierum:
http://iasplus.net/index.php

„6. April 2009: EU-Finanzminister fordern IASB auf, die jüngsten Fair-Value-Entscheidungen des FASB zu übernehmen“

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