Erst durch den Frankfurter Bewertungsspezialisten ValuePrice bin ich auf die Entscheidung des Bundesrates über das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) aufmerksam geworden. Kein Wunder, denn es gab im Bundesrat dazu keine Debatte, sondern einfach einen Beschluss (S. 127). Der ändert allerdings eine ganze Reihe von Gesetzen, wie man in der entsprechenden Drucksache 270/09 nachlesen kann. Mehr Details zum Gesetzentwurf und zur Gesetzesbegründung sind hier in der entsprechenden Drucksache des Bundestages zu finden.
Weitere Informationen zum Gesetz fasst eine Presseerklärung des Justizministeriums zusammen. Da ist u.a. zu lesen:
Das Gesetz entlastet die Wirtschaft finanziell in erheblichem Umfang und stärkt das Bilanzrecht des Handelsgesetzbuches für den Wettbewerb mit internationalen Rechnungslegungsstandards. Das bewährte, kostengünstige und einfache HGB-Bilanzrecht wird im Kern beibehalten. Der handelsrechtliche Jahresabschluss bleibt die Grundlage der Gewinnausschüttung und der steuerlichen Gewinnermittlung.
"Durch das BilMoG entlasten wir die Unternehmen in Deutschland, insbesondere den Mittelstand und setzen so Innovations- und Investitionskräfte frei. Ein Schwerpunkt der Reform ist die Deregulierung und Kostensenkung gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Wirtschaft wird in Milliardenhöhe entlastet, indem wir beispielsweise mittelständische Einzelkaufleute ganz von Bilanzierungs- und Buchführungspflichten befreien und für Kapitalgesellschaften die Schwellenwerte anheben", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in Berlin. "Kleine und mittelständische Unternehmen bekommen mit dem neuen Bilanzrecht moderne und effiziente Bilanzierungsregeln. Wir erhöhen die Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und nehmen damit insbesondere vom deutschen Mittelstand den Druck, internationale Rechnungslegungsstandards anzuwenden. Das Bilanzrecht für die Unternehmen in Deutschland wird zu einer vollwertigen Alternative zu diesen internationalen Rechnungslegungsstandards weiterentwickelt. Dabei vermeiden wir deren Nachteile – hohe Komplexität, hoher Zeitaufwand und hohe Kosten. Und wir ziehen mit dem BilMoG auch Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise. Künftig können wirtschaftliche Risiken bei den sogenannten Zweckgesellschaften besser aufgedeckt werden", erklärte Zypries weiter.
Interessant ist, dass das BilMoG den § 253 des HGB neu fasst. Danach sind sämtliche Finanzinstrumente des Handelsbestands zukünftig mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich eines auf der internen Risikosteuerung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute basierenden Risikoabschlags zu bewerten. Die neuen Regelungen zur Bewertung der Finanzinstrumente des Handelsbestands erfordern eine Fair Value-Bewertung und führen zu Änderungen in den Buchungslogiken. Falls ein aktiver Markt nicht vorliegt, muss auf Bewertungsmodelle umgestellt werden. Ob den Gesetzgebern klar ist, dass Fair Value-Bewertungen zu volatileren Bemessungsgrundlagen und Solvabilitätskennziffern führen?
Im Schreiben der Justizministerin heißt es dazu:
Kreditinstitute müssen Finanzinstrumente wie Aktien, Schuldverschreibungen, Fondsanteile und Derivate, soweit sie im Handelsbestand gehalten werden, künftig zum Bilanzstichtag grundsätzlich mit dem Marktwert (Fair Value) bewerten. Das entspricht der bisherigen Praxis der Kreditinstitute, vereinfacht und vereinheitlicht die handelsrechtliche Rechnungslegung, ist international üblich und wird nun auch im HGB-Bilanzrecht verankert. Dadurch erhöht sich die Aussagekraft des Jahresabschlusses im Hinblick auf jederzeit realisierbare Gewinne und Verluste. Die Kreditinstitute müssen dabei einen angemessenen Risikoabschlag berücksichtigen und einen ausschüttungsgesperrten Sonderposten als zusätzlichen Risikopuffer bilden. Dieser Sonderposten ist in guten Zeiten aus einem Teil der Handelsgewinne aufzubauen und kann in schlechteren Zeiten zum Ausgleich von Handelsverlusten verwendet werden. Er wirkt daher antizyklisch. Hier sind Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen worden.
Beispiel: Eine Bank kauft 10 Aktien zu einem Kurs von 100 Euro pro Aktie. Die Aktien wurden mit der Zielsetzung erworben, Kursgewinne zu erzielen und können börsentäglich wieder verkauft werden. Zum Bilanzstichtag haben die Aktien einen Kurs von 125 Euro pro Aktie. Bei Bewertung der Aktien zum Marktwert (125 Euro) abzüglich eines Risikoabschlags (z. B. 5 Euro) sind sie in der Bilanz mit insgesamt 1.200 Euro (10 Stück x 120 Euro) anzusetzen. Es ergibt sich für die Bank ein Gewinn von 200 Euro. Von den Gesamthandelserträgen sind dann noch 10 % in einen gesperrten Sonderposten einzustellen, der bei Handelsverlusten aufgelöst werden kann.
Weitere Informationen zum geänderten § 253 HGB findet man in der Gesetzesbegründung ab Seite 52.
Die neuen Bilanzierungsregelungen sind verpflichtend für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2010 anzuwenden. Sie können freiwillig bereits für den Abschluss 2009 angewendet werden, jedoch nur als Gesamtheit. Einige Vorschriften, insbesondere zur Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben, gelten verpflichtend schon für das Geschäftsjahr 2009. Bilanzierungserleichterungen für kleine und mittelgroße Unternehmen können – soweit dies noch möglich ist – schon für das Geschäftsjahr 2008 in Anspruch genommen werden.
Nicht ganz würde ich sagen. Der neue § 253 HGB gilt für alle Unternehmen, die zu Handelszwecken Finanzinstrumente erwerben. Das sind nicht nur Kreditinstitute. Mir fällt gerade Porsche als Beispiel ein.
Meine Überschrift ist vielleicht etwas mißverständlich. Der normale Mittelstand ist von der Fair-Value-Regel so nicht betroffen, es sei denn er erwirbt Finanzinstrumente zu Handelszwecken 🙂
Die Regelung gilt aber nur Kreditinstitute, und da mit einem Risikoabschlag. Von daher ist der Gesetzgeber bereits vom Fair Value, wie noch im Referentenentwurf gefordert, für „normale“ Unternehmen abgewichen.
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