Finanzen & Web 2.0 ­- Mehr Transparenz für die Finanzmärkte?

by on 8. Juli 2009

Von Dr. Franz-Josef Lerdo

Institut für Wirtschaftsberatung Niggemann, Dr. Lerdo & Partner Family Office GmbH Herrliberg sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Sharewise GmbH

Die letzten Monate haben gezeigt, dass unter privaten wie institutionellen Anlegern im Moment grosse Verunsicherung herrscht. Eine wichtige Frage ist deshalb, wie man verlorengegangenes Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherstellen kann und welche Innovationen im Finanzbereich hierzu beitragen können. Zu den grössten Innovationen im Bereich der Finanzinformation gehört wohl Sharewise.com.

Diese deutschsprachige Aktiencommunity hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Transparenz am Aktienmarkt zu schaffen. Aktieninformationsseiten gibt es mittlerweile unzählige. Diese sind jedoch zum seriösen Meinungsaustausch und für echten Informationsgewinn nur sehr bedingt geeignet, da Mitglieder und Analysten oft täglich ihre Meinung zu einer Aktie ändern und niemand überprüft, welche Erfolge (oder Misserfolge!) man erzielt hätte, wenn man den unterschiedlichen Empfehlungen gefolgt wäre. Genau an diesem Punkt setzt das Konzept von Sharewise an. Erstmals werden alle von Mitgliedern und professionellen Analysten veröffentlichten Aktienempfehlungen auf ihre Korrektheit hin überprüft. Damit wird transparent gemacht, wie gut Aktientips der einzelnen Mitglieder wirklich sind. Dazu vergleicht die Sharewise-Software jede abgegebene Prognose (Kauf- und Verkaufsempfehlung) mit dem derzeitigen Aktienkurs an der Börse. Zu jedem Mitglied oder Analyst wird ein Profil geführt, in dem alle Empfehlungen abrufbar sind. Zudem wird ein Zuverlässigkeitsindex sowie die durchschnittliche Rendite aller Empfehlungen berechnet. Mitglieder sehen so auf einen Blick, welchen Prognosen sie vertrauen können.

Die Qualität der abgegebenen Empfehlungen ist dabei absolut hochwertig. So erzielen einzelne Privatanleger bei Sharewise Trefferraten von über 80%. Aufbauend auf dem Prinzip der «Weisheit der Vielen» zeigt Sharewise auch die durchschnittlichen Erwartungen der Teilnehmer. Welches Kursziel sieht die Community für eine Aktie? Welche Empfehlung (kaufen oder verkaufen) überwiegt? So lässt sich das Anlegersentiment zu einer Aktie auf einen Blick erkennen. Sharewise hat sich komplett dem Thema Transparenz verschrieben ­ ein Thema, welches durch die Finanzmarktkrise noch stärker in den Mittelpunkt gerückt ist. Dadurch werden so wohl positive als auch negative Beispiele für den Anleger klar sichtbar. Für mehr Transparenz sorgen auch zwei interessante Studien, die Sharewise herausgegeben hat.

Vorstandsgehälter 2008

In einer aktuellen Studie hat Sharewise die prozentuale Veränderung des Gewinns je Aktie mit der prozentualen Veränderung der Gehälter der Vorstandsvorsitzenden aller DAX-30-Unternehmen verglichen. Ziel der Studie war es, signifikante Diskrepanzen zwischen den jeweiligen Werten hervorzuheben. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass Manager ohne grössere Gehaltseinbussen durch die Krise kamen, gelangte diese Studie in vielen Fällen zu anderen Ergebnissen. Als Datengrundlage dienten die ausgewiesenen Gehälter der Vorstände in den Bilanzen. Diese wurden dann in Relation zum Ergebnis je Aktie (EPS) gesetzt. Hier war zu erkennen, dass die Gehälter von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinträchtigt wurden.

So musste sich beispielsweise der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, nach 13,981 Mio. im Jahr 2007 im Folgejahr mit lediglich 1,389 Millionen zufrieden geben, womit er mit 90% Gehaltsverlust der grösste Verlierer unter den DAX-Chefs ist. Das Ergebnis je Aktie der Deutschen Bank fiel 2008 mit ­158% imVergleich zumVorjahr allerdings noch schlechter aus. Bei der Deutschen Telekom hingegen hat sich das Gehalt deutlich schwächer imVergleich zum Ergebnis je Aktie entwickelt. So erhielt René Obermann im vergangenen Jahr 21% mehr Gehalt, obwohl das Ergebnis je Aktie um 162% gesteigert wurde. Auch Norbert Steiner, Vorstandsvorsitzender der K+S AG, erhielt mit einer Steigerung von 99% seines Gehalts zum Vorjahr im Verhältnis deutlich weniger im Vergleich zur Gewinnsteigerung je Aktie von 460%. Bei anderen Unternehmen verhielt sich das Verhältnis von Gehalt zu Ergebnis je Aktie hingegen umgekehrt. So verzeichnete der Infineon-Vorstandsvorsitzende Peter Bauer lediglich einen Gehaltsverlust von 3%, obwohl das Ergebnis jeAktie um 748% eingebrochen ist. Hinzu kommt, dass das Unternehmen sein Personal um 2% reduziert hat. Der Vorstandsvorsitzende der Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, erhielt im Jahr 2008 knappe 32% mehr Lohn, obwohl sich das Ergebnis je Aktie mit ­58% mehr als halbiert hat.

Natürlich muss beachtet werden, dass die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden nicht nur am Ergebnis je Aktie orientiert sind und auch nicht sein sollten. Allerdings ist es bei extremen Diskrepanzen, verbunden mit einer massiven Vernichtung an Wert ­ wie beispielsweise bei Infineon ­ durchaus fraglich, wie solch eine Gehaltsentwicklung zu rechtfertigen ist. Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Diskrepanz zwischen Ergebnis je Aktie und Gehalt des Vorstandsvorsitzenden bei 8 DAX-Unternehmen weniger als 20% beträgt. Ausserdem gilt es zu berücksichtigen, dass bei weiteren 7 DAX-Unternehmen dieser Vergleich nicht möglich war.

Sind Marktprognosen machbar?

Viele Experten vertreten die Meinung, dass die aktuelle Finanzkrise nicht vorhersehbar gewesen ist. Allerdings hat es schon immer Überbewertungen oder Blasen an denAktienmärkten gegeben. Es stellt sich daher die Frage, ob man diese frühzeitig hätte erkennen können. Einen neuen Ansatz hierzu liefern die beiden Google-Ökonomen Hal Varian und Hyunyoung Choi. Sie vertreten die These, dass man die wirtschaftlichen Entwicklungsvorhersagen durch die Anzahl der Auto- und Hausverkäufe und durch das Reiseverhalten mit Hilfe der Häufigkeit von Suchanfragen über Google Trends verbessern kann. Ihr Hauptargument ist, dass es mit Hilfe der Daten aus Google Trends leichter sei, die schwer erkennbaren Wendepunkte in wirtschaftlichen Zyklen zu identifizieren. Diese Trenddaten, kombiniert mit den Kauf- und Verkaufsempfehlungen der Aktienanalysten, könnten in Verbindung mit den grossen Indizes wie dem S&P 500 neue Perspektiven aufzeigen.

Einen ersten Anfang für eine solche Betrachtung hat Sharewise.com in einer Studie im April 2008 gemacht, wo erstmals die Vorhersagequalität der professionellen Analysten genauer analysiert wurde. In die Auswertung flossen nurAnalystenhäuser ein, die im Betrachtungszeitraum mindestens 30 Aktienempfehlungen über den dpa-afx Ticker verbreitet hatten. Als «wahr» wurde jede Prognose gewertet, bei der die analysierteAktie innerhalb von maximal 6 Monaten bei einer Kaufempfehlung ein Plus von mindestens 5% erwirtschaftete bzw. bei einer Verkaufsempfehlung mindestens 5% Verlust hinnehmen musste. Hold-Empfehlungen wurden nicht berücksichtigt. Insgesamt 33 Analystenhäuser erfüllten die Studienkriterien. Sharewise wertete in der Folge 6’649 Aktien-Prognosen aus.

Die Ergebnisse fielen anders aus als viele Experten vermutet hätten. Als Sieger der Studie ging die BHF-Bank hervor, die im Betrachtungszeitraum 67 eintreffende Einschätzungen veröffentlichte. Insgesamt wurden von der BHF-Bank 98 Analysen über den dpa-afxTicker verbreitet, was einer Trefferrate von 68,37% entspricht. Knapp dahinter konnten sich CAI Cheuvreux (65,22%) und Equinet Services (62,22%) plazieren. Auffallend ist, dass viele der renommierten Analystenhäuser nur im soliden Mittelfeld landeten. So rangierte beispielsweise JP Morgan auf dem 10. Rang (53,26% richtige Analysen), Goldman Sachs belegte Position 14 (52,02%) und die Citigroup gar nur Rang 26 (43,68%).

Im Durchschnitt stimmte nicht einmal jede zweite Prognose aller Analysten mit der späteren Entwicklung der bewerteten Aktientitel überein. «Dadurch zeigt sich ganz klar, dass sich Analysten-Kauf- und Verkaufsempfehlung nur bedingt zur Prognose zukünftiger Entwicklung eignen», sagt Nicolas Plögert, einer der beiden Geschäftsführer von Sharewise. Vergleicht man die Vorhersage-Qualität der Mitglieder von Sharewise mit denen der professionellen Analysten so stellt man zwar fest, dass die durchschnittliche Trefferrate der Mitglieder mit 46,06% richtigen Vorhersagen sehr knapp unter dem durchschnittlichen Wert der Analysten (48,47%) lag. Jedoch gibt es innerhalb der Community eine wesentlich bessere und stabilere Gruppe von Top-Mitgliedern, die im Schnitt auf über 82% richtige Empfehlungen kommen und damit die Analysten klar übertreffen.

Eine Wiederholung der Studie ist für Herbst dieses Jahres geplant.

Unverzichtbare Informationen

Die ständig wachsende Datenbasis von Sharewise soll in Zukunft mit anderen quantitativen Modellen kombiniert werden. Durch die Veränderungen innerhalb der Finanzwelt werden sich Themen wie Transparenz und Anlegerverhalten in den Märkten stark bemerkbar machen und sollten auch die Anlageentscheidungen von institutionellem Kapital beeinflussen. Plattformen wie Sharewise stellen dabei schon jetzt unverzichtbare Informationen zur Verfügung.

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