Opel-GM-Poker 2.0: It´s a Blogs World

by Dirk Elsner on 31. Juli 2009

Der Poker um Opel spitzt sich zu und gipfelte gestern in der Frage der Wirtschaftswoche: “Will GM Opel nun doch behalten?” Hintergrund sind die neuesten Äußerungen von John Smith, dem Chefunterhändler von GM, der deutlich gegen Magna Position bezogen hat. Darüber hat bereits die Presse ausführlich berichtet und der Blick Log muss dies nicht wiederholen (für Details zum Entscheidungs- und Interessengeflecht siehe hier die Mindmap). Für deutsche Verhältnisse jedoch ungewöhnlich ist, dass Smith seine Verhandlungspositionen per Blogpost verbreitet.

Der besagte Blog nennt sich vergleichsweise lapidar “Driving Conversations The official GM Europe blog”. Dort bloggt nicht nur John Smith, sondern auch der Europa-Chef Carl-Peter Forster. Dessen letzter Eintrag liegt freilich schon ein paar Wochen zurück. Unter der Überschrift  “Intense Weeks Ahead” schreibt er über die intensiven die Verhandlungen mit der Bundesregierung und gibt sogar ein paar interessante technische Hintergründe zu der Treuhandlösung.

Der in den letzten Tagen viel zitierte Eintrag von Smith ist unter dem Titel: “UPDATED: Clearing the Air” erschienen und wurde am Mittwoch mit folgenden Sätzen präzisiert:

After submitting my post yesterday I saw several media reports that continue to misinterpret GM’s position. So I’d like to add the following three points:

1. GM has not and will not approach the U.S. Treasury for funding to restructure Opel
2. GM does not seek to reacquire majority control of Opel, from any investor candidate
3. GM would expect to work with any winning bidder to ensure Opel continues to leverage the scale economies inherent in GM’s global vehicle platforms and powertrains, as reflected in the recently introduced Opel Insignia.

I hope this has really cleared the air now and I won’t need to come back tomorrow and provide another update.

John Smith
GM group vice president (and GM’s chief negotiator for the sale of Opel)

Bemerkenswerte finde ich, dass zwar aus diesem Blogbeitrag laufend zitiert wird (und nur die Wirtschaftswoche darauf verlinkt), niemand aber bisher thematisiert, dass GM mit 2.0-Techniken Einfluss auf die Verhandlung nimmt. Während bei Twitter jede Tweetblähung eine eigene Meldung über Twitter generiert (siehe z.B. diese Nichtinformation in der Bild), scheint dies bei Blogs selbst bei höchst relevanten Informationen unnötig.

OK, vielleicht ist das schon genau so gewöhnlich, wie andere Verhandlungsparteien für die Ventilierung ihrer Interessen die Medien (über Hintergrundgespräche) instrumentalisieren. Auch dies wird (leider) nie thematisiert. Der Blog allerdings hat den enormen Vorteil, dass alle auf das gleiche Quellmaterial zurückgreifen können, während es aus den Mediengesprächen nur gefilterte Auszüge gibt.

Jedenfalls ist diese Informationspolitik für deutsche Verhältnisse sehr ungewöhnlich und zeigt wieder einmal den Abstand zwischen deutschen und amerikanischen Verhältnissen. Dabei hätte ich gern einmal gelesen, was Herr Wiedenking in einem Blogeintrag zu den VW-Gesprächen geschrieben hätte.

Natürlich instrumentalisieren Smith und Forster den Blog für ihre Zwecke. Dennoch erhält man einen anderen Zugang zu den Verhandlungen, an denen man sich plötzlich dichter dran “fühlt”, ohne es freilich zu sein. Immerhin entmystifizieren Sätze, wie die folgenden von Forster, die Spitzenrunde Ende Mai im Kanzleramt:

“Having just finished a very long and difficult period of negotiations to secure the agreements with the German Government and Magna International, I can say confidently that I’m both physically and emotionally exhausted.  It’s the nature of intense negotiations that they go through at least a couple of near-death experiences before they rebound. In this case, we had several.  When you look at the complexity of what had to be accomplished in a very short period of time, this isn’t hard to understand.”

Sie geben den Informationen sozusagen eine zweite Dimension, die über die gelieferten Fakten und Spekulationen hinausgehen.

Ich wundere mich nicht darüber, dass US-Manager Blogs gezielt einsetzen. Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass die Akzeptanz von Blogs in den USA deutlich höher ist, als in Deutschland. Hierzulande werden Blogs von den Traditionsmedien weiterhin irgendwo zwischen Subkultur und Netz-Avantgarde angesiedelt. Vorreiter dieser Vorurteilswelle bleibt übrigens Spiegel Online, die vergangene Woche schrieben:

“Eine Szene, die das eigene Wirken wenigstens teilweise als Rock’n Roll’mit Wörtern wahrnimmt, …. Wer Bloggen cool findet, findet internationale Großkonzerne und ihr Gewinnstreben ganz prinzipiell eben eher nicht cool. So ist das eben, schließlich geht es um Gegenkultur, und ums Authentischsein.”

Diese Schilderung trifft schon lange nicht mehr zu auf die deutsche Blogszene, die es in dieser Homogenität suggerierenden Art ohnehin nicht (mehr) gibt. Der Blick Log würde es jedenfalls begrüßen, wenn auch in Deutschland dieses Instrument stärker für die Kommunikation und den Dialog genutzt wird. Und damit meine ich nicht, sie für die Anpreisung von Produkten und Dienstleistungen zu nutzen und langweilig PR zu betreiben.

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