Beim deutschen Lotto sind heute lt. Handelsblatt 27 Mio. € im Jackpot. Da mögen sich manche Spieler freuen über die Gewinnaussicht (Wahrscheinlichkeit pro Reihe 0,00000071428571428571400%). Ist schon aufgefallen, dass nach der 11. Ziehung ohne 6 Richtige mit Superzahl “nur” 27 Mio. im Jackpot lagern? Da gab es durchaus andere Zeiten.
Für den Jackpot im Lotto werden 10% der Ausschüttungsumme reserviert, wenn es keinen Gewinn in der Gewinnklasse 1 gibt. Dies geht maximal 13 Ziehungen lang. Mit der 13. Ziehung wird der Jackpot zwangsausgeschütttet an die Gewinnklasse 2, wenn die erste Gewinnklasse wieder unbesetzt ist. Übrigens sind die Erwartungswerte insgesamt beim Lotto niedrig. “Mit 39 Prozent des Spieleinsatzes sind Lotterien besonders hoch mit Abgaben belastete wirtschaftliche Transaktionen, die erheblich zu den Einnahmen der Länderhaushalte beitragen”, schrieb die Max Planck Gesellschaft in einer Untersuchung.
Als vor fast zwei Jahren der Jackpot auf 43 Mio. € angewachsen war (ältere Zocker werden sich erinnern: Bild hat einen Jackpot-Lottoschein einem Ehepaar per Los großzügig gegönnt und sich dafür gefeiert) da wurde die erste Gewinnklasse lt. Tagesspiegel in 12 Ziehungen nicht getroffen. Im Oktober 2006 hatte der Jackpot in der 12. Ausspielung ein Volumen von 37,7 Mio. € erreicht.
Der Grund für den geringeren Jackpot ist klar: Die Spielumsätze sind deutlich geringer. Offenbar hat die Spielfreude nachgelassen. Einige werden vermuten, in Deutschland wird aufgrund der Krise das Geld zusammengehalten. Ich vermute, es liegt einfach daran, dass es diesmal bisher keinen großen Medienhype um das Anschwellen das Pots gegeben hat. Ein Jackpot von 27 Mio. € ist spätesten seit dem italienischen 147 Mio. €-Superjackpot nicht mehr spektakulär.
Vielleicht liegt die mangelnde Begeisterung einfach nur daran, dass sich die früheren Spieler mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen und den unten aufgeführten Untersuchungen der Max-Planck-Gesellschaft auseinandergesetzt haben.
Die Lottogesellschaften werden sich vermutlich etwas einfallen lassen, um wieder zu spektakulären Ausschüttungen zu kommen. Vermutlich werden sie wieder das System anpassen, um für spektakulärere Gewinnsummen zu sorgen.
Weitere Hintergründe zur Soziologie des Lottospielens von der Max-Planck-Gesellschaft
Wer spielt Lotto? (30.1.09) Die Jagd nach dem Jackpot: Millionen Bundesbürger lauern vor dem Fernseher – um nach erfolgter Ziehung enttäuscht ihren ausgefüllten Lottoschein zu zerknüllen. Wieder nichts ist es geworden mit dem Traumhaus am Starnberger See oder dem schicken Sportflitzer. Wer auf das Glück im Spiel setzt, mag verzweifeln. Nicht nur das: Glücksspiel ist außerdem ungerecht, denn staatliche Lotterien verursachen steuerliche Umverteilungen, die einer gerechten Abgabenverteilung widersprechen. Wer Lotto spielt, finanziert beispielsweise Angebote wie den Breitensport, Kunst und Kultur – ohne davon selbst zu profitieren. Denn: Nutznießer sind überdurchschnittlich häufig Menschen, die nicht Lotto spielen, hat Jens Beckert in einem Forschungsprojekt mit Mark Lutter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln herausgefunden. Der Soziologe hat zahlreiche Interviews mit Menschen geführt, die regelmäßig auf sechs Richtige hoffen, und so vier Spielertypen identifiziert – mit sehr unterschiedlichen Motivationen. Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft Film anschauen
Warum spielen so viele Menschen Lotto, obwohl die Chance zu gewinnen extrem gering ist? (25.1.2009). Die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz getroffen zu werden, ist 4,6 Mal höher, als 6 Richtige im Lotto zu tippen. Es gibt es 139.838.160 Kombinationsmöglichkeiten, und die Gewinn-Chance liegt bei 1:14 Mio. Trotzdem versuchen rund 40 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal pro Jahr ihr Glück. Wissens-Reporterin Isabel Hecker will Lottospieler mit vernünftigen Argumenten vom Spielen abbringen. Film anschauen
Wer spielt Lotto? Umverteilungswirkungen und sozialstrukturelle Inzidenz staatlicher Lotteriemärkte. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2 (2008), 233-264. Auf Basis bevölkerungsrepräsentativer Daten untersuchen wir sozialstrukturelle Umverteilungseffekte des staatlichen Lotteriespiels in Deutschland. Lotterien sind hoch besteuerte wirtschaftliche Transaktionen, deren Einnahmen zugleich einen signifikanten Anteil am öffentlichen Haushaltsbudget darstellen. Unsere Analyse zeigt, dass Lotterien eine Form der regressiven Besteuerung darstellen. Ferner zeigen wir am Beispiel der Breitensportförderung, dass die hierfür zweckgebundene Verwendung staatlicher Lotterieeinnahmen die Regressivität der Besteuerung nicht verringert, sondern noch verstärkt. Innerhalb zentraler soziodemografischer Kategorien wie Einkommens-, Bildungs-, Alters- und Migrationsschichten können wir steuerliche Umverteilungswirkungen nachweisen. Von diesen Befunden ausgehend, diskutieren wir im Schlussteil Implikationen zur Verwendung dieser Einnahmen.
Güter mit negativem Nutzen: Der Lotteriemarkt in Deutschland (2007)Lotteriemärkte sind umsatzstarke Märkte. Da nur weniger als die Hälfte der Einnahmen als Gewinne verteilt werden, haben Lotterielose einen geringeren erwarteten Nutzen als der Kaufpreis des Loses. Warum spielen dennoch Millionen Menschen Woche für Woche ein Spiel, das sie verlieren?
Wer spielt, hat schon verloren? (2007) Zur Erklärung des Nachfrageverhaltens auf dem Lottomarkt. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 59(2), 2007, 240–270. [1. Preis der Fritz Thyssen Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze Zeitschriftenjahrgang 2007 für „eine überzeugende Darstellung und systematische Analyse“]
Unter welchen Gesichtspunkten Akteure Gütern einen Wert beimessen und diese nachfragen, ist ein zentrales Forschungsfeld der Wirtschaftssoziologie. Die Nachfrage auf Lotteriemärkten ist dafür ein besonders interessanter Untersuchungsgegenstand, da Lotterielose eine Paradoxie auszeichnet: Die stochastische Gewinnerwartung eines Lotterieloses liegt unter der Hälfte des Kaufpreises. Der Erwerb eines Loses scheint damit ökonomisch irrational. Dennoch nehmen wöchentlich Millionen Menschen an den Auslosungen des staatlichen Lottos teil. Wie lässt sich die massenhafte Nachfrage nach Lotterielosen erklären? Hierfür testen wir, auf Basis einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage, die vier in der sozialwissenschaftlichen Forschung zum Glücksspiel vornehmlich herangezogenen Theorieansätze. Es zeigt sich, dass insbesondere sozial vermittelte Spannungszustände und Netwerkeinflüsse für die Erklärung des Lotteriespiels bedeutsam sind. Zum Schluss diskutieren wir einige Implikationen für die Marktsoziologie.
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