Enterprise 2.0: Genossenschaften made by digital natives

by Gastbeitrag on 3. November 2009

Von Lothar Lochmaier*

Wer sich mal etwas eingehender auf den Gedankenkosmos von Peter Kruse einlässt, der wird jede Menge Anregungen finden, etwa zur DNA von digital natives, dem Unternehmen 2.0, dem raschen Wandel von Produkten und Marken durch Webcommunities und dem Resonanzprinzip im Internet. Eine seiner Kernthesen lautet: Die digitalen Erdenbürger verhelfen dem Genossenschaftsmodell auf spielerische und unideologische Weise zu einem neuen Auftrieb.

Optisch gesehen wirkt der Mann wie das angestaubte Überbleibsel einer etwas anderen Zeit, in der die Menschen noch in ein unmittelbar an die Realwirtschaft angedocktes ökonomisches Haus eingebettet schienen. Trotzdem gehört der Experte mit dem Moses-Bart zu den Vor- und Querdenkern in der deutschen Managementszene. Die Rede ist von Professor Peter Kruse. Er hat zahlreiche Auszeichnungen und Würdigungen erhalten, nicht immer haben alle allen seinen Thesen zugestimmt.  Hier eine kurze Einführung in seine Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Kruse

Spannend ist etwa seine geistige Verknüpfung in Richtung Genossenschaftsprinzip, und wie die ins Netz hin ein geborenen digitalen Nativen die etwas verstaubten Prinzipien wieder beleben und auf eigene Weise adaptieren. Da erübrigt sich jeder weitere Kommentar, wer sich das 4-Minuten-Video auf Youtube zum Thema „Neue Unternehmensformen“ mal in Ruhe anhört:

Welche Rolle Genossenschaften made by digital natives künftig spielen werden, wird mittlerweile auch in jedem ordentlichen Buchladen deutlich. Soziale Nachhaltigkeit gehört ja schon zum offiziellen Regierungsprogramm aller Parteien. Man muss also das folgende Werk eines Professors von der Technischen Universiät Berlin nicht unbedingt gelesen haben: Norbert Bolz: Profit für alle. Soziale Gerechtigkeit neu denken, Murmann Verlag, 192 Seiten, 18 Euro.

Aber es empfiehlt sich, mal kurz in die Rezension beim Deutschlandradio reinzulesen:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1056461/

Auszug: Die vier Kapitel stehen für vier verschiedene Blickwinkel. Der erste ist der einzelne Bürger mit seinen Wünschen und Bedürfnissen, der zweite die alles veränderte Technologie des Internets, der dritte die Rolle der Unternehmen und der vierte die Rolle des Staates. Zum zweiten Punkt setzt Bolz die Duftmarke wie folgt : Das Internet liefert dabei die Plattform, auf der sich diese Veränderungen noch beschleunigen. Waren Gesellschaften früher stabiler, so werden die sozialen Bindungen durch das Internet lockerer, so die These. Statt durch Inhalte entsteht schon durch die Art der Vernetzung ein neues, eigenes Profil. Es entsteht völlige Transparenz, die „Weisheit der Vielen“ löst das vereinzelte Expertenwissen ab, stärkt also den Teamgeist.

Und hier kommt bereits Kritik ins Spiel, bilanziert Deutschlandradio: Allerdings bleiben Fragen. So erliegt Bolz sichtlich der derzeitigen Internet-Euphorie und der angeblich heilenden Kräfte virtueller sozialer Netzwerke. Es stimmt zwar, dass das Netz neue Bezüge schafft. Aber nötige neue Kontrollen bei Wikipedia zeigen, dass sich ganz offensichtlich eben nicht automatisch eine „Schwarmintelligenz“ einstellt, wenn sich 200.000 statt 200 Mitarbeiter an einer Enzyklopädie beteiligen. Im übrigen lösen die lockeren Beziehungsverhältnisse im Netz die alten starken, familiären Bande nicht etwa ab, sondern ergänzen sie nur. Wo diese Ergänzung nicht gelingt, entwickeln sich eher soziale Zombies, die gar nicht mehr in der Lage zu Beziehungen mit gegenseitigen Verpflichtungen sind, so der Deutschlandfunk.

Fazit: Wieder ein Buch mehr, das auf den allgemeinen Trend aufspringt und alle Begriffe ins Spiel bringt, die gerade Mode sind. Siehe dazu auch das folgende Interview mit dem Autor Norbert Bolz:

http://planet-interview.de/interview-norbert-bolz-14052009.html

Eine weitergehende Auseinandersetzung mit Blick auf das Internet und Social Communities müsste beispielsweise hier ansetzen: Das Ausnutzen von kollektiver Schwarmintelligenz ist alles andere als ein Selbstläufer, und schon gar nicht auf den Finanz- und Kreditmärkten dieser Welt, wie ich in einem früheren Beitrag zum „Financial Croudsourcing“ beleuchtet habe:

http://lochmaier.wordpress.com/2009/09/30/financial-croudsourcing-2-0-wie-gut-ist-die-schwarmintelligenz-wirklich/

Weiterer Punkt: Auch faire Austauschbedingunen zwischen den Nutzern, die Produkte über ihre Netzbeteiligung mitgestalten, sind alles andere als ein Selbstläufer. Neben der Frage, wie die Betreiber eines solchen Netzwerks die Beteiligung produktiv steuern, gibt es eine weitere Preisfrage: Wer sich mit eigenen Beiträgen an der Gestaltung der Bank 2.0  beteiligt, der sollte auch von niedrigeren Transaktionskosten proftieren.

Wie also lässt sich das Resonanzprinzip in Netz, bei dem digital natives dem Genossenschaftsprinzip zu einer neuen Blüte verhelfen, auf die Finanzmärkte übertragen? Ganz einfach: Im Zeitalter von Social Banking 2.0 wird man die Betreiber daran messen müssen, ob und in welcher Form sie die auf ihrem Konto verbuchten Effizienzgewinne auch an die „finanzielle Netzwerkgemeinschaft“ ausschütten, ohne im Hintergrund einen Wasserkopf in der Verwaltung mitlaufen zu lassen, bei dem wieder undurchsichtige Geschäftsverbandelungen bestehen.

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* Der Beitrag ist ursprünglich erschienen im Blog Social Banking 2.0 und mit Genehmigung des Verfassers übernommen. Wirtschaftsjournalist Lothar Lochmaier ist bloggender Journalist und journalistischer Blogger. Er schreibt u.a. für Telepolis, Die Bank und andere Publikationen über Finanzen, IT, Energie sowie Managementthemen.

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