Diskussion und Reaktionen zur Strukturreform im US-Bankensystem

by Dirk Elsner on 25. Januar 2010

Sand dune in the Rub’ al Khali desert

Börsen bald ohne Liquidität wie Wüsten? (Foto: flickr/cmgramse)

Am Wochenende wurde man zugeschüttet mit Kommentierungen zur beabsichtigten Reform des US-Bannkensystems, die Barack Obama am vergangenen Donnerstag angekündigt hat. Dabei ist diese Strukturreform nicht besonders überraschend. Kurz vor Obamas Ankündigung erst hat die OECD eine ähnliche Reform gefordert (Details in der Studie  “The Elephant in the Room: The Need to Deal with What Banks Do”, 27 Seiten pdf)

Obwohl nicht einmal die Details des auch Volcker-Rule (Hintergrund von Alphaville hier) genannten Vorschlags bekannt sind, geschweige das parlamentarische Verfahren begonnen hat, formiert sich in Washington und auch Deutschland bereits der Widerstand der Banklobbyisten. “Das angekündigte Regelwerk sei nicht konsistent, es werde die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit des amerikanischen Finanzsektors untergraben und deswegen Arbeitsplätze vernichten und der US-Wirtschaft schaden, schreibt die Wirtschaftswoche.

„Wenn sie den Eigenhandel stoppen, dann wird das nicht nur Liquidität aus dem Markt nehmen, sondern die ganze Struktur der Wall Street verändern“, sagte ein ungenannter aber von vielen Medien zitierter “Kenner” (wahlweise “Analyst”). Natürlich hat er Recht damit, dass sich die Struktur der Wall Street verändern wird, das ist ja gerade der Sinn des Vorschlags. Ob sich die Liquidität verringern wird, ist überhaupt nicht ausgemacht, denn die Liquidität wird sich neue Wege suchen. So reiben sich bereits einige Hedge-Fonds die Hände und freuen sich auf neue Geschäftsmöglichkeiten, schreiben Wall Street Journal und Financial Times Deutschland.

Ob und in welcher Form der Vorschlag am Ende umgesetzt wird ist derzeit völlig unklar, denn schon die bisher versprochenen Neuregelungen des Finanzsystems sind bislang Stückwerk, wie das Handelsblatt in seiner Printausgabe feststellte. Obama und Finanzminister Timothy Geithner haben

“die Beharrungskräfte in der Finanzbranche, in den Aufsichtsbehörden sowie die Verweigerungshaltung der Opposition unterschätzt. Deshalb steckt das Finanzmarktreformgesetz, das in einem großen Wurf das Bankensystem sicherer machen soll, immer noch im Senat fest. Nicht wenige Beobachter befürchten, die Regierung könnte selbst nach einem Abschluss der Gesundheitsreform so geschwächt sein, dass ihr vor der Kongresswahl im Herbst der Atem für einen neuen Kraftakt fehlt. Die Entscheidung, die Regulierung in einem großen Gesetz anzugehen, hat Obama zeitweise schlecht aussehen lassen. Auf Druck des öffentlichen Erregung über die Bankengewinne und Bonuszahlungen zog er zunächst eine halbherzige Reform der Gehälterregulierung vor, in dem er den Aktionären etwas mehr Einfluss gab. Erst als in Großbritannien eine Bonussteuer eingeführt wurde, schlug er eine Sondersteuer für Banken vor. Auch die muss noch durch das Parlament

Spiegel Online gibt sich gewohnt platt in Wirtschafts- und Finanzthemen. Endlich ist der “Zahltag für die Zocker” gekommen, wird getitelt. Das Magazin übersieht, dass es gar nicht Ziel des Vorschlags ist, das “Zocken” (was soll das eigentlich sein?) zu beenden, sondern dass das Risiko für den Staat reduziert werden soll. Spon lässt außerdem einen “Experten” mit einem Flachschuss gegen den Glass-Steagall-Reloaded-Act schießen:

„Ein bisschen Eigenhandel machen aber alle Banken noch“, sagt der Bankenprofessor Hans-Peter Burghof. „Es wäre deshalb schon sinnvoll, diesen Bereich konsequenter zu regulieren.“ Ein Komplettverbot für Geldhäuser mit Kundeneinlagen hält er nicht für sinnvoll. „Wenn die Banken für ihre Kunden Investmentbanking betreiben sollen, müssen sie auch ein bisschen für sich selbst handeln dürfen – schon allein, um Fachkompetenz zu behalten. Man kauft ja auch keine Aktien von jemand, der noch nie ein Wertpapier besessen hat.“ Zudem dürfte es oftmals schwierig sein, den Handel für Kunden von dem auf eigene Rechnung scharf abzugrenzen. Damit die Regulierung Erfolg zeitige, müssten die Geschäftsmodelle von Großbanken vereinfacht werden, sagt LBBW-Analyst Alexander Groschke.

Das Börs-o-Meter der Zeit findet die Regulierungspläne des US-Präsidenten mutig und richtig. Schafft er es, das Geschäft der Banken zu begrenzen, wird das auch den Überschwang der Börse bremsen, ist zu lesen. Manager Magazin Online findet, “das ist der richtige Weg, um eine Neuauflage der Krise zu verhindern und Steuerzahler gegen Billionenlasten in der Zukunft zu versichern.” Klar kann man das einfach mal so schreiben.

Angesicht der komplexen Ursachen der Finanzkrise wird das aber nicht ausreichen. So auch Patrick Welter, der in der FAZ ebenfalls kommentiert, dass Obamas Vorschlag die Finanzkrise nicht verhindert hätte. Egal wie man reguliert, es wird eine neue Krise kommen. Diese wird an Stellen durchbrechen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Deswegen ist es sinnvoller, die Risiken so zu managen, dass privatwirtschaftliches Risiko nicht wieder sozialisiert wird. Daher ist  ist Obamas Ansatz richtig, Privilegien wie die Einlagensicherung, den günstigen Zugang zu Krediten der Zentralbank, aber auch die implizite Garantie einer staatlichen Rettung im Fall einer Pleite, einzuschränken. Eine Alternative wäre freilich noch gewesen, die höheren Risiken der Investmentbanken mit einer Art Risikoprämie zu belegen für die staatlichen Privilegien.

Im zweiten Teil seines Kommentars weist Manager Magazine Online dann aus meiner Sicht richtig darauf hin, dass auch die Investmentbanken einen Zweck erfüllen:

“Auch Investmentbanken dienen einem gesellschaftlichen Zweck. Sie erschaffen Märkte, finanzieren Wagniskapital, ermöglichen große Deals und spüren Trends auf. Doch dafür gehen sie Wetten mit hohem Einsatz und hohem Risiko ein, die auch in Zukunft immer wieder schiefgehen werden und zu einem Zusammenbruch einzelner Institute führen – das kann die beste Regulierung nicht verhindern.

Die einzige Lösung liegt darin, den Investmentbanken zu erlauben, auf eigene Rechnung zu zocken – aber dann auch mit eigenem Geld. Wenn eine Wette schiefgeht, muss die Bank abgewickelt werden. Die Rechnung zahlen müssen dann diejenigen, die bewusst dieses Risiko eingegangen sind – in erster Linie die Aktionäre, in zweiter Linie die Gläubiger der Bank. Aber nicht arglose Kleinsparer, erst recht nicht der Staat und damit in letzter Instanz die Allgemeinheit der Steuerzahler.”

Heath Hinegardner vom Wall Street Journal Wall ist noch nicht wirklich von dem Konzept überzeugt und macht einige ergänzende Vorschläge. So fordert er ein höhere Bezahlung für die Mitarbeiter der Aufsicht:

“Finally, regulators should be paid more like bankers: They should earn bonuses based on reducing the number of blowups in the firms they oversee, deferred for three to five years. If firms do fail within, say, five years after a bonus was awarded, then the responsible regulators should have to forfeit a portion of their deferred compensation. (It’s probably too much to ask for Congress to abide by the same principle, but we can dream.)”

Der Economist sieht einen gewissen Widerspruch zwischen Obamas Plan, die Großbanken mit einer Sondersteuer zu belegen und dem Glass-Steagall lite. Die New York Times vermutet, dass Goldman Sachs zu den größten Gewinnern des Plans gehören könnte:

“The move is likely to turn the spotlight on Goldman, which could be one of the biggest potential beneficiaries because it makes sizable profits from proprietary trading and runs many private equity and hedge funds. Goldman traders are known for taking large trading positions, even as they manage trades for clients. It is less clear that Morgan Stanley would consider such a step, because it has aggressively raised deposits and reduced trading operations since its big losses during the crisis. …

Allowing Goldman, or other institutions, to abandon their bank charters carries risks. Such a plan could create a two-tier system, where Goldman could pursue business activities different from its bailed-out peers like JPMorgan Chase. Goldman would lose access to the Federal Reserve’s overnight lending program, which provides emergency financing. But investors may still assume that the government would bail out Goldman if it had trouble, elevating the risk of moral hazard.”

Das Handelsblatt will ausgemacht haben, dass die internationale Debatte über schärfere Regeln für die Banken erheblich an Tempo gewinnt. Trotz der seit Monaten laufenden Debatte über die Bankenregulierung fehle es bisher aber an finalen Vorschlägen der Regierungen. „Viele konkrete Ideen, die unmittelbar nach dem Ausbruch der großen Finanzkrise in die Diskussion gekommen waren, haben sich mittlerweile als nicht sinnvoll erwiesen,“ schreibt das Blatt. Schade, dass dies inhaltlich nicht näher ausgeführt wird.

Abschließend die NZZ, die richtig erkennt, dass der Finanzsektor mit so weitgehenden Plänen nicht gerechnet hat. Weiter schreibt Christoph Eisenring:

“Obama will den Banken verbieten, dass sie auf eigene Rechnung handeln. Sie dürfen auch nicht mehr in Hedge-Funds oder Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) investieren oder solche Vehikel sponsern. Würde Obamas Idee umgesetzt, dürfte es mit dem Eigenhandel vorbei sein. Diese Aktivitäten wanderten dann zu unregulierten Firmen oder an andere Finanzplätze ab. Eine negative Folge ist, dass sich die Kapitalbeschaffung für gewisse Unternehmen verteuern dürfte. Was dies finanziell für die Banken bedeutet, ist schwer zu sagen. Bei Goldman Sachs könnten 10% der Erträge betroffen sein, bei den anderen wäre es wohl deutlich weniger. Allerdings kommt es auf das Kleingedruckte an: Alle Banken investieren in Wertpapiere, um jederzeit liquide zu sein. Doch wo sind die Grenzen zwischen solchen Investitionen und dem riskanteren Eigenhandel?”

Den Gedanken, dass die Aktivitäten zu “unregulierten Firmen” oder an andere Finanzplätze abwandern, halte ich für betonenswert. Genau dies wird nämlich passieren. Geld und Kapital sind da wie Wasser und suchen sich stets den Weg mit den geringsten Hindernissen und den höchsten Renditen bei gegebenem Risiko. Daher ist tatsächlich die Frage, wie man künftig beaufsichtigen und regulieren will. Ein wasserdichtes Regulierungswerk wird es nie geben können.

Die Übersicht mit Beiträge und Dokumenten zur Debatte über eine neue Finanzordnung ist hier zusammengestellt.

Joss Januar 25, 2010 um 01:52 Uhr

Zu dem hervorragenden Artikel
kann man noch ein wenig hinzufügen:
erstens wird sich mit grosser
Wahrscheinlichkeit die Medienkrise
verschärfen, etwa die R.I.P Liste
eingestellter Zeitungen und
Zeitschriften vermehren. Die Amis
haben, anders als die Deutsche,
wenn sie mal die Geduld verlieren, die Gewohnheit dann auch mit was Schluss zu machen. Die ärgern sich nicht ewig mit was dahin.
Zweitens: „move your money“, die
von der Huffington Post gesetzte
Initiave das Geld bei kleineren
Banken anzulegen, ist ohnehin
populär, auch beim mainstream
Fernsehen. Da ändert auch ein
wenig.
Drittens:
zur Problemdiagnose ist nach vor
wie vor Charles R. Geisst recht
interessant, Autor vieler
Bücher, bekannt auch wegen seiner
„Wall Street: A History“, ein
Schulbuch sowohl wie unterhalt-
same Allgemeinliteratur.
Er ist nie als doomsday prophet
aufgetreten, sehr wohl hat er
in vielen Punkten sehr kenntnis-
reich die einzelnen Probleme
diagnostiziert. Ein Blick in die
Inhaltsbeschreibung bei amazon
ergibt als solche schon mal was.
Geisst ist Professor Finanz-
geschichte, er hat aber auch
direkte Erfahrung als Banker,
hat in dem Bereich gearbeitet.
http://www.amazon.com/s/ref=nb_sb_noss?url=search-alias%3Dstripbooks&field-keywords=Charles+R.+Geisst&x=10&y=19

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