Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftsblogs und Spiegel Online um noa bank

by Dirk Elsner on 2. Mai 2010

In den vergangenen Wochen hat es eine noch weiterhin andauernde Auseinandersetzung der Wirtschaftsblogszene mit einem Beitrag auf Spiegel Online gegeben. Günter Heismann hatte sich “intensiv” mit der noa bank unter dem Titel “Grüne” Bank mit dubiosen Gründern” beschäftigt. Die “Bloggemeinde” zeigte sich irritiert über den Duktus dieses Artikels, den viele als Diskreditierung einer vielversprechenden Neugründung in der nicht gerade sehr innovativen Finanzwelt empfanden (der Blick Log hatte sich ebenfalls damit befasst in “noa bank-Bashing durch Spiegel Online”). Inhaltlich hatte Heismann kaum nennenswerte Neuigkeiten recherchiert, die nicht bereits bekannt waren und vom noa Gründer Francois Jozic nicht einmal verheimlicht wurden. Das noch sehr junge Institut versucht sich unter dem Claim Transparenz und Nachhaltigkeit derzeit am Markt zu etablieren.

Die Blogszene, für die die Inhalte des Beitrags alles andere als neu waren, wunderte sich unterdessen, warum ausgerechnet Spiegel Online sich auf eine vergleichsweise plumpe Art gegen ein noch junges Institut stellt, dass versucht neue Weg zu gehen. Inhaltlich hat sich Lothar Lochmaier, den in Deutschland möglicherweise besten unabhängigen Kenner der neuen Institute, in zwei Blogbeiträgen mit dem Spiegel Artikel zur noa bank befasst (siehe “Noa Bank: Spiegel Online setzt zum Angriff an” und Noa Bank: Wie verdient das Finanzinstitut eigentlich sein Geld?). Für diese deutlich differenziertere und keinesfalls unkritische Sichtweise interessieren sich aber weder FTD noch Süddeutsche, die beide ohne Hinterfragen die Inhalte des Spiegel Beitrags übernahmen.

Boris Janek vom Blog Finance 2.0 bewertet die Debatte so:

“Was wäre wohl in einer anderen Medienlandschaft passiert? Einer Medienlandschaft mit wenigen, aber dafür um so mächtigeren Meinungsmachern. In welcher die Medien als Filter fungieren und nicht wie im Internet die Endnutzer. Das Internet gibt allen Menschen – Unternehmen und Privaten – die Möglichkeit sich darzustellen und auf die Aktivitäten der Institutionen, Organisationen und etablierten Eliten zu reagieren. Das haben gestern und heute viele Blogs gemacht. Sie haben damit wesentlich sachlicher, zurückhaltender und fairer reagiert, als der sogenannte Qualitätsjournalismus, der sich vom Internet offensichtlich so sehr unter Druck gesetzt fühlt, dass er sich an seine, von ihm selbst als Unterscheidungskriterium ins Spiel gebrachte, Kriterien nicht mehr zu halten vermag.”

Der auch in Medienkreisen viel gelesene Blog Carta wunderte sich ebenfalls:

“Die Noa Bank ist ein noch sehr junges Institut in der deutschen Bankenlandschaft, das in der etablierten Presse erst hochgejubelt wurde und nun, angeführt von Spiegel Online, scharf attackiert wird. Differenzierter und unaufgeregter urteilen die Wirtschaftsblogs.”

Ich habe wenig Neigung, die ganze Story hier noch einmal aufzurollen. Sehr ärgerlich finde es ich freilich, wenn ausgerechnet ein (freier?) Mitarbeiter von Spiegel Online dafür sorgt, dass Blogger Beiträge vom Netz nehmen oder anpassen (sollen). So passiert bei Carta, beim Freitag und bei Lothar Lochmaier. Matthias Schwenk schrieb u.a.

“Heismann wirft Carta nicht nur inhaltliche, sondern auch handwerkliche Fehler vor: Er hätte es als angemessen und notwenig empfunden, dass er zu den bei uns publizierten Vorwürfen zu seiner Berichterstattung hätte Stellung nehmen können müssen. Wir hätten auch ihn kontaktieren sollen. In der Tat erscheint es in Nachschau besser, hätte ich Heismann zu dem Thema kontaktiert.

Seine Reaktion hingegen, mit Abmahnung zu drohen – und so eine offene Diskussion zu verhinden, erscheint überzogen. Vermutlich sind hier einmal mehr alte und neue Medienkultur aufeinander geprallt: Hier der Journalist klassischer Prägung, der seit langem für angesehene (Print-)Medien schreibt, dort der Blogger, der auf die Wirkung der Verlinkungen sowie die Kommentare zu seinen Artikeln setzt. Sprechen wir die gleiche Sprache?”

Wer wie gut recherchiert hat, lässt sich aus der Distanz kaum beurteilen. Absurd finde ich aber die Vorstellung von Heismann, Kritik an seiner Recherche vorher mit ihm zu besprechen. Hallo! Wir sind im 2.0-Zeitalter und nicht in einer beamteten Schreibstube der 70er-Jahre, in der jeder Satz durch mehrere Instanzen abgestimmt wird. In der 2.0-Welt führt man im Zweifel eine öffentliche Debatte über Inhalte. Und wenn jemand schreibt, er finde bestimmte Menschen dubios (hat Heismann das eigentlich mit Jozic abgestimmt?), dann muss dazu auch geäußert werden dürfen, man empfinde die damit verbundene Recherche als schlampig.

Ich halte Lothar Lochmaier und Michael Schwenk für ausgesprochen gute und sehr lesenswerte Autoren. Als Nicht-Journalist kenne ich die Maßstäbe nicht, mit denen Journalisten die Qualität von Artikeln bewerten und will sie auch gar nicht kennen lernen. Ich beurteile Artikel nach ihrem Informations- und Unterhaltungswert. Nach diesem Maßstab finde ich einen deutlich höheren Anteil lesenswerter Artikel bei Carta und Social Banking 2.0 als bei Spiegel Online, denen offenbar der Weggang von Wolfgang Büchner bisher nicht gut bekommen ist. Die Beiträge der populären Medien wie Spon, Handelsblatt und vielen anderen leider darunter, dass sie immer einer bestimmten Dramaturgie folgen müssen, vermutlich wird das auf Journalistenschulen so gelehrt. Gibt ein Sachverhalt keine wie auch immer definierte Dramaturgie her, dann wird entweder künstlich eine konstruiert oder das Thema fallengelassen.

Im Blogland wird gemunkelt, Herr Heismann sei weiter auf Recherche, um in Sachen noa bank doch noch einen Scoop zu landen. Warum er sich ausgerechnet die Neugründung noa bank heraussucht, bleibt wohl sein Geheimnis. Recherchiert man lange genug, dann wird man über jedes Unternehmen und jede Person „Empörendes“ finden, was sich zu einem Skandälchen aufblasen lässt. Wir sind allerdings nicht sehr gespannt darauf, denn es gibt interessantere Ziele, die sich die „Woodwards“ und „Bernsteins“ suchen könnten.

Hier Links auf weitere Reaktionen der letzten Wochen

Egghat: noa Bank – Der Skandal ist die Presse …

SB 2.0: Noa Bank: Diskussion um (un-)seriöses Geschäftsmodell hält an – Deutsches Factoring-Portal kritisiert Spiegel online wegen irreführender Recherche

Suttnerblog: Spiegel Online über die Noa Bank: ein Kommentar.

Geld & Finanzen: Noa Bank: Kundenbetreuung von Spanien aus?

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