Working Capital Management heißt das Zauberwort vieler CFOs und Unternehmensberater seit die Finanz- und Wirtschaftskrise zu heftigen Liquiditätsanspannungen in den Unternehmen geführt hat und die Unternehmen alternative Finanzierungsquellen gesucht haben.
Controller definieren das Working Capital als Differenz aus Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten. Bei einem positiven Working Capital wird ein Teil des Umlaufvermögens mit langfristigen Mitteln finanziert. Ist es negativ, dann reicht das Umlaufvermögen nicht, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken.
Die Praxisliteratur ist sich übrigens keineswegs einig, ob ein zu hohes oder zu niedriges WC ein gutes Zeichen ist. Es gibt Autoren, die sogar ein negatives WC als Zeichen von Marktstärke insbesondere von Handelsunternehmen sehen. Diese Auffassung werden viele Finanzchefs nicht teilen, denn unbestritten ist, dass ein hohes WC den finanziellen Spielraum eines Unternehmens erhöht. Freilich kann dies auch zu verschlechterten Eigenkapital- und Rendite-Kennzahlen führen.
Praxisnahe Beispiele mit Maßnahmen zur Optimierung des Working Capital hatte das Handelsblatt kürzlich in einen lesenswerten Beitrag skizziert: „Sie bauen Vorräte ab, treiben Forderungen an Kunden schneller ein und bezahlen ihre Lieferanten später. Einfach ausgedrückt: Sie beschleunigen den Liquiditätszufluss und bremsen den Geldabfluss.“
Trotz dieser Vorzüge des Working Capital-Konzepts, bleiben seine Schattenseiten oft unbeleuchtet. Hier soll nicht die ökonomische Theorie bemüht werden, die unter bestimmten Rahmenbedingungen von der Irrelevanz der Kapitalstruktur spricht. Wir wissen, dass diese Theorie ihre Tücken hat und viele praktische Phänomene unerklärt lässt. Uns interessiert die Praxis.
Eine besondere Schwäche der Kennzahl ist ihre Statik. Sie ist eine Bestandszahl und berücksichtigt keine künftigen Zahlungsverpflichtungen und erwartete Zahlungseingängen. Zur Liquiditätssteuerung ist sie daher praktisch nicht zu gebrauchen.
Schauen wir einmal auf die praktischen Steuerungsimpulse. Das aktive Management des Working Capital setzt meist an den Komponenten Vorräte bzw. Lagerhaltung sowie Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen an und zielt auf die Effizienz dieser Prozesse.
Nicht jedes Unternehmen kann die Maßnahmen so einfach, wie es viele Autoren empfehlen, in der Praxis durchsetzen: Verkürzt etwa ein Unternehmen die Zahlungsfristen, dann verlangen verhandlungsstarke Kunden geänderte Zahlungsbedingungen. Ob sich der so erreichte höhere Liquiditätszufluss dann immer noch „rechnet“, hängt von den eigenen Finanzierungskonditionen ab.
Beispiel: Rechnungsbetrag 100.000 €. Das bisherige Zahlungsziel von 30 Tagen wird auf 20 Tage verkürzt gegen ein Skonto von 0,5%. Die Kosten für diese schnellere Liquidität bringende Maßnahme betragen 500 €. Damit lohnt sie sich erst bei einem Sollszins von über 18% oder wenn keine alternative Refinanzierung zur Verfügung steht. |
Häufig ist zu hören, aktives Working Capital Management solle die Kapitalbindung in verschiedensten Unternehmensbereichen und vor allem im nicht „betriebsnotwendigen Kapital“ reduzieren. Gleißner und Schaller weisen darauf hin, dass längerfristig im Unternehmen verplante Vermögenswerte nicht immer „betriebsnotwendig“ sind: „Gerade bei einem Überdenken der bisherigen Unternehmensstrategie kann ein Resultat sein, dass sogar ganze Geschäftsfelder mit denen in ihnen gebundenen Assets aufgegeben werden sollen und daher die dortige Kapitalbindung zu Liquidität gemacht werden kann und soll.“ Natürlich kann es Sinn machen, nur gering ausgelastete Maschinen zu verkaufen und diese Leistung (mit den damit verbundenen Nachteilen und Kosten) auszulagern. Aber passt das auch zur Strategie des Unternehmens?
Eine weitere Maßnahme ist etwa das Sale and Leaseback von Maschinen. Dieser Aktivtausch (Ausbuchung im Maschinenpark, Zugang in der Liquidität) erhöht das Working Capital. Ob sich diese Transaktion aber rechnet, ist maßgeblich von den Finanzierungskonditionen abhängig. Zudem ist es in der Praxis nicht immer einfach, eine Maschine zu veräußern, wenn diese etwa zur Besicherung anderer Kredite dient. Banken geben nicht gerne Sicherheiten frei oder verschlechtern bei der Freigabe möglicherweise die Kreditkonditionen.
Empfehlungen zum Working Capital Management, wie etwa hier in der CFW-World, stellen auf die Vorteile ab, die die Prozesse im Unternehmen selbst optimieren. Ein sinnvolles Working Capital Management findet auf verschiedensten Ebenen statt. Das beginnt im Vertrieb, der mit darauf achtet, dass Kunden ihre Ware pünktlich zahlen. Es geht über das Debitoren- und Kreditorenmanagement und Maßnahmen zur Kostenoptimierung in der Produktion und des Lagerwesens bis hin zur Restrukturierung des Kreditportfolios eines Unternehmens. Freilich verlangen diese Aktivitäten entsprechende Vorbereitung und verursachen Kosten. Manch ein Mittelständler wird hier schnell abwinken.
Das Working-Capital-Management steht außerdem im Spannungsfeld verschiedener Unternehmensfunktionen, deren primäres Zielt nicht die Reduzierung der Kapitalbindung ist. Zielkonflikte zwischen Fach- und Finanzabteilung sind damit vorprogrammiert. So möchte etwas der Einkauf durch hohe Bestellmengen günstige Konditionen aushandeln. Produktion und Vertrieb wollen stets genügend Material bzw. Ware am Lager haben, um die Produktion nicht durch Engpässe bei den Vorprodukten zu gefährden bzw. schnell liefern zu können. Hier hat man also tendenziell ein Interesse an einem hohen Lagerbestand (siehe Tip: Konsignationslager).
Wohl wegen dieser potentiellen Zielkonflikte betont die Praxisliteratur die ganzheitliche Wirkung dieses Konzepts. Sie könne helfen, „rein“ ressortspezifisches Denken zu überwinden und die prozessuale Sicht zu verstärken. Erfahrene Praktiker wissen, dass mit diesem Versprechen schon viele andere Ansätze gescheitert sind.
Für die Praxis ist mein Ratschlag, sich nicht zu dogmatisch auf das Working Capital Management zu konzentrieren. Bei unter Rentabilitätsgesichtspunkten gleichwertigen Maßnahmen, kann es natürlich Sinn machen, die Option zu wählen, die das Working Capital am wenigsten reduziert. Daneben kann es nützlich sein, ausgewählte Prozesse etwa im Forderungsmanagement und Einkauf auf Basis der Empfehlungen der WCM-Literatur zu hinterfragen und ggf. zu optimieren. Die Grenzen des Konzepts sollten dabei aber nicht aus dem Auge gelassen werden.
* Der Beitrag ist in leicht veränderter Fassung für die Onlineausgabe CFO World erschienen.
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