Nein, diesen Beitrag hat nicht der Spektrum-Verlag bezahlt. Aber als ich gestern in einer gut sortierten Bahnhofsbuchhandlung dieses neue Sonderheft von “Spektrum der Wissenschaft” sah, musste ich einfach zugreifen: Spezial 1/2010 Zufall und Chaos
Allein beim Lesen der einzelnen Überschriften dachte ich daran, diese Sonderedition könnte so etwas wie ein zusammengefasste theoretische Fundierung vieler Beiträge dieses Blogs sein. Zufall und Chaos bestimmen nach meiner Auffassung ja viel mehr die Wirtschaftspraxis als dies die (neo-) klassische Ökonomie in ihren Modellen berücksichtigt, wobei ich hier Chaos im Sinne der Theorie komplexe Systeme verstehe, deren Verhalten bzw. Ergebnisse langfristig nicht sicher vorhersagbar sind.
Wer jedenfalls mit den Thesen des kürzlich verstorbenen Mandelbrots oder mit den Ideen von Nassim Nicholas Taleb sympathisiert, sich mit Risikomanagement befasst oder sich einfach wundert, warum “Experten” in ihren Vorhersagen so oft daneben lieben, der findet hier sehr lesenswerte Zusammenfassungen wissenschaftlicher Grundlagen.
So fasst der Beitrag “Statistik für seltene Ereignisse” die Abgrenzung zwischen “milden” und “wilden” Zufall gut zusammen. Wer sich also schon immer gefragt hat, welche wissenschaftliche Fundierung Taleb mit Extremistan und Mediocristan meint, hier findet er die Erklärung, ebenso, warum die Levy-Verteilung besser geeignet ist für die Modellierung des Aktienmarktes als die Normalverteilung.
Und wem meine Ausführungen über Determinismus in “Erweckt das Echtzeitweb den Laplaceschen Dämon?” zu oberflächlich waren, der findet im Beitrag “Zufall und Determinismus” des französischen Philosophs Francois Pepin eine lesbare Darstellung der Determinismus-Debatte.
Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:
Zufall und Determinismus: Welche Rolle spielt der Zufall in den exakten Wissenschaften?
Wahrscheinlichkeit – ein mehrdeutiger Begriff: Die mathematische Definition der Wahrscheinlichkeit ist glasklar – weil sie vermeidet zu sagen, worum es sich "eigentlich" handelt. Angewandt auf die Realität ist der Begriff problematischer
Interpretationen der Wahrscheinlichkeit: Steckt die Wahrscheinlichkeit in den Dingen, als "Neigung" der Münze, gleich häufig auf Kopf oder Zahl zu fallen, oder in unserem Kopf, als Maß unserer beschränkten Kenntnis des Münzwurfs?
Chaos unter Kontrolle: Es ist nicht die totale Unordnung – es sieht nur so aus. Mit neuer Mathematik lässt sich ein chaotisches System sogar beherrschen
Wie der Zufall Sinneszellen festlegt: Stochastische Prozesse im Verein mit strengen Regeln führen dazu, dass Sinneszellen in Auge oder Nase sich unterschiedlich differenzieren
Chaos im Gehirn: Die Nervenzellen in unserem Denkorgan feuern scheinbar regellos. Ordnung zeigt sich erst, wenn man größere Neuronennetze betrachtet
Statistik für seltene Ereignisse: Wenn es nicht auf den Mittelwert ankommt, sondern – bei Überschwemmungen zum Beispiel – auf einen Maximalwert, ist eine neue Theorie gefordert: die Extremwertstatistik
Wie sieht man das Unvorhersehbare vorher? Wie viel Aufwand ist zur Abwendung einer unbekannten Katastrophe gerechtfertigt? Die Psychologie kann hilfreiche Hinweise geben
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