Zum Tode von Benoit Mandelbrot: Vater des wilden Zufalls (+ Artikelschau und Pressereaktionen)

by Dirk Elsner on 18. Oktober 2010

image Erst gestern Abend habe ich vom Tode des genialen Mathematikers Benoît Mandelbrot gelesen. Der 85 Jahre alte Multiwissenschaftler erlag bereits am vergangenen Donnerstag einem Krebsleiden. Dass der Blick Log ausgerechnet am Sonntag wieder ein Fraktalvideo auf der Homepage hatte, war reiner Zufall. Mandelbrot hätte es vielleicht als “wilden Zufall” bezeichnet.

Mandelbrot gilt neben Henri Poincaré, Edward N. Lorenz und Mitchell Feigenbaum als einer der Mitbegründer der Chaostheorie, also der Theorie komplexer Systeme, die mittlerweile breiten Einzug in die Naturwissenschaften gehalten hat.

Aber auch in die Ökonomie sickern seine Erkenntnisse immer stärker ein. Freilich sind sie noch lange nicht im Mainstream angekommen. Aber außergewöhnliche Denker, wie etwa der Autor des “Schwarzen Schwan”, Nicholas Nassim Taleb, haben sich maßgeblich von Mandelbrot inspirieren lassen (siehe hier ein Video auf You Tube eines gemeinsamen Interviews “Benoit Mandelbrot thinks we’re all screwed”). Über Taleb und andere Autoren finden die Erkenntnisse von Mandelbrot außerdem Einzug in das moderne Risikomanagement.

Der Blick Log mag das Werk von Mandelbrot, insbesondere sein wegweisendes und auch für Ökonomen verständliches Buch “Fraktale und Finanzen: Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin”, über das man mehr über die Funktionsweise von Finanzmärkten lernen kann, als aus klassischen Werken der Finanzmarkttheorie:  Unten einige Artikel aus dem Blick Log, die sich direkt oder indirekt mit dem Werk von Mandelbrot befassen. Vorab ein typisches Zitat aus dem gerade erwähnten Werk:

“Wenn schon die physikalische Welt so ungewiß und so schwer genau zu erkennen ist, um wieviel unsicherer und unerkennbarer muss dann erst die Welt des Geldes sein? Die Finanzwelt ist eine mit einem Schleier verhüllte Black Box. Nicht nur die inneren Funktionszusammenhänge sind verborgen, auch die Eingaben werden verdunkelt – durch unzulängliche Wirtschaftdaten, widersprüchliche Zeitungsberichte oder gar durch Täuschungsmanöver. Welchen Korrekturfaktor sollte ich auf den von einem Makler im eigenen Interesse abgegebenen Aktientip anwenden? Und dann gibt es ja noch den Faktor, der alles am meisten durcheinanderbringt  – die Vorwegnahme. Ein Aktienkurs steigt nicht wegen guter Nachrichten über die Firma – die erfreulichen Aussichten für die Aktie bedeuten vielmehr, daß die Anleger antizipieren, er würde weiter steigen, weshalb sie kaufen. Vorwegnahme ist ein Merkmal, das nur die Ökonomie auszeichnet. Es ist Psychologie – des einzelnen wie der Masse –, und sie ist schwerer auszuloten als die Paradoxa der Quantenmechanik. Antizipation ist der Stoff, aus dem träume wie Schäume geboren sind.”

Mandelbrot war ein großartiger Wissenschaftler, dessen Werk für die Finanz- und Wirtschaftswelt erst in einigen Jahren richtig begriffen werden wird.

Beiträge im Blick Log, die sich mit Mandelbrot befassen

Was die Finanzmärkte von der Physik lernen können (Teil 1)

Was die Finanzmärkte von der Physik lernen können (Teil 2)

Mainstream-Ökonomie auf dem Stand der Newtonschen Gesetze?

Arbeitspapier: Dynamics of Financial Markets

Über die Ineffizienz der Hypothese der effizienten Märkte

Taleb im Änderungsmodus: Der Fan des Zufalls arbeitet an der zweiten Auflage des Schwarzen Schwans

Benoit B. Mandelbrot: Nie war das “Chaos” schöner

Erweckt das Echtzeitweb den Laplaceschen Dämon?

Presse und Blogs zum Tode von Benoît Mandelbrot

Economist: Benoît Mandelbrot: Benoît Mandelbrot, father of fractal geometry, died on October 14th, aged 85

SdW: FRAKTALE – Nachruf auf Benoît Mandelbrot: Der „Vater der Fraktale“ ist am 14. Oktober im Alter von 85 Jahren gestorben. Auch für Spektrum-Leser hat er geschrieben.

Welt: Mandelbrot bewies die Schönheit der Mathematik: Der französische Mathematiker Benoit Mandelbrot ist gestorben. Der Entdecker des Fraktals wurde auch für deren grafische Darstellung berühmt.

FAZ: „Vater der Fraktale“ – Mathematiker Benoît Mandelbrot gestorben: Der amerikanisch-französische Mathematiker Benoît Mandelbrot ist tot. Der Spezialist auf dem Gebiet der sogenannten fraktalen Geometrie erlag bereits am Donnerstag einem Krebsleiden.

Zeit: Zum Tod von Bernoît Mandelbrot – Der Meister der unerhörten Formen (18.10.10): Ihn kannten wenige, sein Apfelmännchen machte Karriere: Benoît Mandelbrot schenkte der Mathematik eine neue Ästhetik – seine Spuren bleiben unauslöschlich.

Risknet: Nachruf auf Benoît B. Mandelbrot – Mein ganzes Leben war eine Risikostudie: Hätten die Marktteilnehmer in den vergangenen Jahren auf den Mathematiker Benoît B. Mandelbrot gehört, dann wären sie von den turbulenten Ereignissen nicht besonders überrascht gewesen und hätten sich hoffentlich präventiv vorbereitet. Der in Polen geborene, in den USA forschende und in Frankreich lebende Wissenschaftler hatte das Thema lange vor den jüngsten Marktturbulenzen auf den Punkt gebracht: Wenn ein Seefahrer ein Schiff baut, interessiert ihn nicht, wann genau der nächste Sturm kommt. Er baut das Schiff so, dass es jeden denkbaren Sturm überlebt. Die Finanzmarktakteure haben sich so verhalten, als gäbe es nur Sonnentage. …

Spon: Mathematiker Benoît Mandelbrot – Vater des Apfelmännchens ist tot. Er hat die wundersame Welt der Fraktale populär gemacht und so Kunst und Mathematik miteinander versöhnt. Nun ist Benoît Mandelbrot im Alter von 85 Jahren gestorben. Nachruf auf einen der größten Forscher des 20. Jahrhunderts.

NYT: Benoît Mandelbrot, Novel Mathematician, Dies at 85

The Atlantic: Benoit Mandelbrot the Maverick, 1924-2010

Videos:

Benoit Mandelbrot On Efficient Markets- FT.Com 9.30.09

Benoit Mandelbrot: Fractals and the art of roughness…von TEDtalksDirector31.145 Aufrufe

Weitere Links
Mandelbrots Homepage an der Universität Yale

Skytopia: The Mystery of the REAL, 3D Mandelbrot Fractal

Der Vater des Apfelmännchens (Technology Review, 2005)

Literatur von und über Benoît Mandelbrot im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Risknet: Vom Extremrisiko zur extremen Krise (13.5.2009)

FAZ: Risikomanagement „Die Risikomodelle sind nicht sturmfest“ (18.5.2005)

Interview der ZEIT mit Mandelbrot: Lohnt das Risiko? (23.5.2006)

Risknet: Die fehlenden Variablen in Risikomanagement-Methoden (18.3.2008)

Arbeitspapier: Chaos – Theorie und Finanzmarktforschung

Comments on this entry are closed.

{ 1 trackback }

Previous post:

Next post: