Outsourcing, also die Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens auf Dienstleister, war das Modethema der vorletzten Dekade. Die damit verbundenen Hoffnungen waren vielfältig und reichten von der Erzielung von Kostenvorteilen über die Nutzung von externem Spezial-Know-how bis hin zur Absicherung gegen Auftragsschwankungen. Matiaske und Mellewigt bezeichnen Outsourcing als eines der bedeutsamsten Organisationskonzepte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Wie die Praxis zeigt, wurden jedoch die hohen Erwartungen, wie so oft bei angeheizten Managementmoden, auf eine nachhaltige Verbesserung der Unternehmenssituation gedämpft. Jedenfalls taugt die undifferenzierte Ausgliederung von Unternehmensfunktionen schon lange nicht mehr als Patentrezept. Längst nicht jede Auslagerung von Geschäftsprozessen rechnet sich nämlich für Unternehmen. Dies hat jüngst eine Umfrage unter knapp 500 IT-Verantwortlichen bestätigt, über die der Harvard Business Manager berichtete. Und auch die Computerwoche stellt kürzlich fest: “Europäer sind derzeit etwas Outsourcing-müde”.
Als Trendbegriff hat Outsourcing eine lange Geschichte. Dabei geht es nicht mehr allein um die Auslagerung und Fremdvergabe der Informationsverarbeitung, für die zunächst der Begriff in den 80er Jahren geprägt wurde; mittlerweile steht prinzipiell nahezu jede Unternehmensfunktion zur Disposition.
Die Flucht aus bestehenden Tarifverträgen, der Abbau betrieblicher Sozialleistungen und die Schwächung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer sind zwar häufig genannte Motive für Ausgliederung und Fremdvergabe, sie treffen aber längst nicht immer den Kern. Die Variabilisierung von Fixkosten und Einsparungen beim Aufbau von Spezial-Know how sind mindestens genau so wichtige Motive. Auch andere Ziele wie Erbauseinandersetzungen, steuerliche Vorteile, Haftungsbeschränkung und die verbesserte Kooperationsfähigkeit mit Dritten können bedeutsam sein.
Die euphorischen Lobpreisungen sind mittlerweile einer nüchternen Betrachtung gewichen. Rezepte, alles und jeden auszulagern, werden bereits als Quelle möglichen Misserfolges betrachtet. Fremdvergebenes wird häufiger wieder zurückgeholt, weil Kosten und Qualität nicht den Erwartungen entsprechen.
Die Kritik an pauschalen Killer-Phrasen („Wir müssen uns auf das Kerngeschäft beschränken!“) und der unreflektierten Anwendung von Outsourcing nimmt zu. Die Folgen „schlechter“ Outsourcing-Projekte oder nicht realisierte Erwartungen zeigen, dass eine wirtschaftliche Beurteilung von Outsourcing-Entscheidungen die Überprüfung anhand verschiedener Bestimmungsgrößen erfordert. Es reicht eben nicht aus, eine Outsourcing-Entscheidung damit zu begründen, dass der externe Anbieter billiger sei als die Eigenfertigung. So wenig es allein um die Entscheidung zwischen Make or Buy geht, so vielschichtig sind die Kriterien zur Beurteilung der Alternativen.
Eine Ursache für die höheren Kosten (Ökonomen sprechen hier von Agency Kosten) sind die erheblichen Zielkonflikte zwischen Out- und Insourcer. Das outsourcenden Unternehmen (= Prinzipal) und der insourcende Dienstleister (= Agent) haben in der Praxis sehr unterschiedliche Interessen. Das Betriebsfunktionen auslagernde Unternehmen möchte die gleichen Leistungen bei einem reduzierten Preis realisieren, muss aber einen entsprechenden Kontrollprozess aufbauen.
Auf Insourcing spezialisierte Dienstleister wollen in der Regel durch die Bündelung von Verträgen die Leistungen möglichst standardisieren und über economies of scope trotz günstiger Preise einen attraktiven Deckungsbeitrag erzielen. Je größer die Komplexität eines Outsourcingvorhabens und je höher die Informationsasymmetrie zwischen den Vertragsparteien, desto höher erwarten Ökonomen die Agency Kosten. Gesenkt werden können die Kosten durch ein ausgefeiltes Überwachungsinstrumentarium, das selbst aber wiederum Kosten verursacht.
Aber diesseits der Theorie sorgt gerade die Standardisierung outgesourcter Leistungen in der Praxis häufig für Ärger. Die meist recht klar über Service Level Agreements definierten Standardleistungen decken nämlich individuelle Sonderwünsche nur selten ab. Deutlich wird das gerade bei DV-Dienstleistungen. Hat ein Unternehmen die Datenverarbeitung außer Haus gegeben und wünscht etwa die Finanzabteilung einen besonderen Report, der durch das Standardpaket nicht abgedeckt wird, dann beginnt oft eine aufwendige Change Management-Prozedur, die sich die Insourcer zudem noch gut bezahlen lassen.
Auf die Spitze getrieben wird das Outsourcing, wenn der Auslagerungsprozess mehrere Stufen umfasst, wie das häufig im Bankwesen zu beobachten ist. Viele Institute, die ursprünglich alle Programme selbst entwickelt und im eigenen Rechenzentrum haben laufen lassen, haben ihre Backoffice-Prozesse an Serviceprovider ausgelagert. Diese Serviceprovider lagern wiederum oft ihre IT-Produktion an spezielle RZ-Dienstleister aus. Gerade größere Änderungsprojekte geraten so zu einem Abstimmungsmarathon zwischen verschiedenen Unternehmen mit gegensätzlichen Interessen.
Trotz dieser Ernüchterung ist das Outsourcing nicht am Ende, sondern auf dem Weg zu einem neuen Qualitätssprung. Unternehmen und Dienstleister haben aus den Fehlern gelernt und denken differenzierter über die Auslagerung nach. Das moderne Outsourcing kommt etwa unter wolkigen Schlagworten wie Cloud Computing, Software as a Service oder on Demand daher. Diese intelligenten und flexiblen Konzepte erfüllen ebenfalls die Definitionen des Outsourcing, werden aber nicht mehr so genannt. Sie erhöhen aber deutlich die Freiheitsgrade insbesondere auf der Seite der auslagernden Unternehmen.
Und selbst der Mittelstand, der bisher bei Auslagerungen von Dienstleistungen zurückhaltend war, beauftragt unter dem Stichwort „Managed Services“ (zu Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten mit dem Outsourcing siehe hier) immer häufiger die Fremdvergabe betriebsnotwendiger Dienstleistungen.
Weitere Literaturhinweise
· W. Matiaske u. T. Mellewigt, Motive, Erfolge und Risiken des Outsourcings – Befunde und Defizite der empirischen Outsourcing-Forschung, in ZFB 72. Jg. 2002,
· H.-E. Müller u. A. Prangenberg, Outsourcing-Management, Köln 1997
· H.J. Wurl u. M. Lazanowski, Outsourcing — ein strategisches Entscheidungsproblem, in Wisu 12/2002
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