Gastbeitrag von dem in Irland lebenden Marsman
In Irland hat die bisherige Regierung die verdiente Quittung für die Finanzkrise erhalten und trägt damit die Konsequenzen der verfehlten Politik der letzten Jahren. Finne Gael und die Grünen haben herbe Wahlverluste einstecken müssen, die Quittung der Iren. Die Grünen scheinen ganz raus aus dem Parlament zu sein. Sie haben als kleiner Koalitionspartner seit 2006 die Regierungspolitik mitgetragen. War es Machtgier oder was anderes? Sie haben auf jeden Fall Verrat an ihren Wählern begangen was die ihnen auch nicht vergaßen. Hier der Live Ticker von RTE mit den reinkommenden Resultaten. (Finne Fail hatte zuletzt 77 Sitze im Dail, dem irischen Parlament.)
Mit dem Abgang von Finne Gael endet ein Albtraum der mehrere Jahre dauerte. Die Regierung war so was wie ein schwarzes Loch, nichts wurde ernst genommen wie etwa der dramatische Abzug der Einlagen bei AIB letzten November. Das wurde nicht einmal registriert, wiewohl es zu der Zeit die Finanzkrise entsprechend verschärfte und zum Bailout führte. Banking Standards waren überhaupt ein Fremdwort im Land. Der Mangel an Professionalität in Bezug auf alles was mit Geld, Banken, Finanzen zu tun hatte, war grotesk. Das einzige wozu es reichte war zu verdrängen, verleugnen und dumme Ausflüchte zu suchen, wenn sich wieder Konsequenzen zeigten.
Sie waren Rollen- und Schauspieler durch und durch, nie verlegen darum, wenn es darauf ankam, nicht bloß mit einem Heiligenschein, sondern gleich drei aufzutreten. Man konnte diese Schauspielerei meist schon von weitem erkennen, bäuchige Leute mit runden Gesichter, die sich als Modelle für Karikaturisten und Satiriker bestens eignen würden. Diese Windbeutel konnten, das war die Rache des Schicksals, ihr Wesen oft schlichtweg nicht mehr verbergen. Es war eine Scheinheiligkeit und Heuchelei, die sicherlich irgendwann mal religiös begonnen hatte, etwa Sonntags vor der Kirche scheinheilig, frommem Gesicht herumstehend, oder im Kirchenchor singend, um dann säkular fortgesetzt zu werden.
Patrick R., 53, selbständiger Unternehmer im Handwerksbereich, hat ein ziemlich akkurates Gedächtnis für die Politik und Geschichte des Landes. Zur abgewählten Fianna Fail fällt ihm deren längeres Sündenregister ein.
"From 1973 to 1977 we had a really good coalition between Labour and Fine Gael. It was probably the best government we ever had. They changed or scraped a lot of old laws. That government was really bright and dedicated, they got a lot of things going. Ireland joined the EU in 1972 and they made it all work, that business was done with EU countries. Before that it was mainly business with Britain only. That government were handling and spending money very honest, solid. Ireland had a debt of only Irish Punds 6 billion and it was decling while the economy and number of jobs grew. Now, Fianna Fail had been waiting and preparing for the next elections for years. They had prepared for that. They were promising all and everything, lotsof tax cuts like the car tax, the rates of houses (property tax) and many more things. They got elected, came into government. To finance all their promises they borrowed Irish Pounds 6 billion, thus doubling the national debt. And they began wasting and squandering money, particularly on their friends. In 1979 the countrywas bankrupt, an economic crisis followed for several years. People went abroad again for work."
Das, was Patrick erzählt, ist ziemlich genau so von vielen anderen zu erfahren, sowie die Rede auf Fiann Fail kommt. Es wird erzählt von deren bandenartiger Kultur und Verhalten.
"They are like a gang, they never cared for the country but only for themselves and their friends. They are smart speakers, though. They could and would talk and talk. It was like Animal Farm, with the pigs running the show."
Und in der Tat waren die Unarten dieser Partei relativ harmlos im Vergleich zu dem was sie in der letzten Dekade verbrochen und angerichtet haben. So wurde beispielsweise letztes Jahr vor dem Bailout ein Gesetz verabschiedet, dass es hoch verschuldeten Leuten, und Irland hat mittlerweile eine ganze Menge wirklicher Schuldenkaiser, leichter machte, diversen Besitz und Vermögensbestandteile auf Angehörige zu übertragen. Das, was sonst klipp und klar betrügerischerer Bankrott ist, wurde damit sanktioniert und der Strafverfolgung entzogen. Oder, ein anderes Beispiel, NAMA, die bad bank, die alle fragwürdigen Kredite übernimmt, beschäftigt zu gewaltigen Honoraren viele jener Bandenmitglieder wieder, die an der Herbeiführung dieser Misere beteiligt gewesen waren.
Eine Reihe Fragezeichen hängen derzeit auch über jenen extrem hoch bezahlten öffentlichen Angestellten, denen im Zuge der Freundewirtschaft Pfründe geschaffen wurden. Das waren oft überhaupt fiktive Positionen, Komitees, Gremien, Ausschüsse, Beraterfunktionen, usw., mittels denen den Freunden ein sehr hohes, sicheres und vor allem arbeitsfreies Einkommen, verschafft wurde. Dazu gehörten auch die Toppositionen der Börsen- und Finanzmarktaufsicht, jene Leute, die bekanntlich voll versagt haben und viel Geld dafür erhielten. Es war deshalb kein Zufall, dass das Gehalt des Irischen Premierministers kaum geringer war als das der deutschen Kanzlerin, die große Extras nicht gezählt.
Alle erdenklichen Organisationen und Einrichtungen waren ein Selbstbedienungsladen für derartige öffentliche Angestellte in Führungspositionen. Der Direktor von RTE, dem ÖR Fernsehen, bezog bis vor einiger Zeit 440 000 Euros pro Jahr. Das war schon mal eine ganze Menge mehr als im kleinen Deutschland wo die Intendanten Wert darauf legen, ihre schließlich doch bekannt gewordenen Gehälter von etwa 230 000 Euro geheimzuhalten. Die Höhe dieser Bezüge und Gehälter ist freilich nicht das ganze Problem.
Das wirkliche Problem bestand darin, dass das viele Geld in all diesen Fällen den Charakter verdarb. Sie hatten und haben ein nahezu groteskes Klassenbewusstsein, ähnlich einer dekadenten Aristokratie. Viele Organisationen und Einrichtungen gingen unter solcher Führung den Bach runter. Diese Leute hatten ein Talent dafür, ihre Betriebe oder Amt zu ruinieren. Rundum wurde alles schäbig. Irland war deswegen nichts für Idealisten, für Leute die sich gerne mal engagieren, eine Sache gut machen wollen. Die letzten paar Jahre waren aus diesem Grund eine Folge fataler Konsequenzen. Natürlich völlig überraschend, nobody could have known that, hieß es stereotyp, fast refrainartig ein jedes Mal. Das einzige was Finne Fail wirklich gelang war, so lange im Amt wie möglich zu bleiben und sich gegen vorgezogene Neuwahlen zu wehren und die Zeit wirklich teuer zu verschwenden.
Die Wahlgewinner, Fine Gael wie auch Labour sind natürlich keine Heiligen oder Wunderkinder, sie präsentieren sich auch nicht so. Von ihnen wird allgemein erwartet, dass sie grundsätzlicher und anständiger sind, intellektuell redlicher und vor allem die Anliegen und Probleme, so wie sie eben bestehen, jeweils ernster nehmen und entsprechend darauf reagieren. Angenehm zeichnet Fine Gael und Labour aus, dass sie nicht ideologisch fixiert sind.
Interessant könnte es werden, wenn unter der neuen Regierung die Staatsanwälte und die Polizei an die Arbeit gehen. Bisher gab es kein einziges Strafverfahren, nicht einmal eine Strafanzeige, gegen einen der verantwortlichen Bankmanager oder größere Bauunternehmer. Der Abgang von Finne Fail alleine wird wohl einen psychologischen Entlastungsfaktor darstellen, die Leute waren wegen derer korrupter Unfähigkeit regelrecht paralysiert, ohnmächtig, demotiviert. Dieser Albtraum ist damit zu Ende. Viele junge Leute, insbesondere gut qualifizierte, verlassen derzeit das Land, sie emigrieren weltweit. Das ist für Iren nichts Neues. Angesichts des wohl noch länger bestehenden Mangels an Arbeitsplätzen eine verständliche und realistische Entscheidung. Beim verbleibenden bleibt der “Weltuntergang” vermutlich aus, weil es im Laufe der Zeit wieder zu einer Erholung der Wirtschaft kommt.
Am Ende möchte ich noch einen Besuch der Webseite Finfacts Ireland empfehlen, die von einem in Kuala Lumpur ansässigen Iren betrieben wird.
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