Am vergangenen Wochenende fiel mir in unser lokalen Tageszeitung, der Neuen Westfälischen, ein Vergleich von Girokonten verschiedener Banken in Ostwestfalen auf. Dieser Vergleich zeigt einmal mehr, welch ein Blödsinn es ist, allein auf die kostenlose Kontoführung zu schauen. Dieses “Feature” propagiert zwar gern die Werbung und viele Vergleichswebsites, ist aber überhaupt nicht ausreichend.
In einem großen PDF-Dokument hat sich das Blatt die Mühe gemacht, verschiedene Kriterien nebst Kosten zusammenzustellen. Hier wird einmal mehr deutlich, dass die wichtigste Einnahmequelle die Dispozinsen und insbesondere die Überziehungszinsen sind. Diese Zinskosten erreichen zum Teil Fabelsätze bis 13,99% (Targobank*) und bei der geduldeten Überziehung des Dispos bis zu 19,75% (Volksbank Harsewinkel).
Damit berechnen die Institute Risikoprämien, die unterstellen, dass die Bonität der Kontoinhaber schlechter ist als die von Griechenland, Venezuela oder Pakistan (Risikoprämien der Länder hier). Unverschämt sind diese Sätze vor allem, weil die Banken eigentlich die Instrumente im Haus haben (müssen), um die Risiken der einzelnen Kreditnehmer sachgerecht beurteilen zu können. Täten sie dies, dann würden die Zinsen deutlich niedriger festgelegt werden, etwa wenn entsprechende Sicherheiten in Form von Depots oder Sparverträgen bei der Bank geführt werden. Die Institute differenzieren aber nicht, sondern berechnen ganz pauschal die hohen Sätze für die Kunden.
Die Konzentration der Werbung auf die kostenlose Kontoführung hat offenbar nur den einen Zweck, nämlich von diesen hohen Sollzinsen abzulenken.
Insgesamt hat sich die Zeitung die respektable Mühe gemacht, folgende Kosten zu erheben:
- Monatliche Grundgebühr,
- Buchungen
- Daueraufträge
- EC-Karte (nebst Sperrung und Ersatzkarte)
- Kreditkarte
- Automatennetzwerk (wichtige für die Entgelte für Geldabhebung)
- Dispozinsen,
- Überziehungszinsen
- Guthabenverzinsung
- Online-Kontoführung
Einen solchen Vergleich bietet übrigens keine im Internet existierenden Webseiten, die mit Kontenvergleichen ihr Geld verdienen. Es fehlt in der Erhebung der NW eigentlich nur noch, bei welchen Instituten man auch per Smartphone seine Geschäfte tätigen kann und ein Mustervergleich für eine typische Kontonutzung.
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* Eher wohl ein Scherz, dass die Targobank lt. Kredit-Magazin eine Auszeichnung für Service und Konditionen vom Deutschen Institut für Service-Qualität erhält. Den Service vermag ich nicht zu beurteilen, dass aber ausgerechnet das Kredit-Magazin diesen Preis für den Spitzenzins vergibt, erstaunt doch ein wenig.
1. Die Zeitung hat sich echt große Mühe gegeben. Da haben die Frühstücksleser mal etwas für ihr Zeitungsabo bekommen.
2. Die Dispozinsen sind immer etwas happig. Aus Sicht eines Investors in eine solche Schuld ist ja auch ein Art Revolver (Variable Funding Debt). Man muss jederzeit Geld bis zur Höhe des Dispos liefern können („Committment“), bekommt bis dahin keine Verzinsung, hat keine fixe Laufzeit (egal ob sehr lang oder Prepayment). Und nun stelle man sich vor das Committment wird überschritten (–> extra Zinsen oben drauf). Das sind schon Unsicherheiten (und ziemlich komplex zu modellieren) die ein Investor eingehen würde. Natürlich könnte die Bank ja jederzeit selbst Geldschöpfen für die Kreditlinie (was die Rechenübung nur leicht simpler macht). Aber ab und zu „verkaufen“ Konsumentenbanken die Schuld/Committement tatsächlich (Sparkassen eher weniger). Egal, für eine Bank mit Geldschöpfungskapazitäten sind …, 8%, 9%, 10%, 11%, … über den Daumen schon rechtfertigbar, aber bei einer 15% kommt mir irgendwie der Begriff „Loan Shark“ in den Kopf. Ich denke nicht dass treue Stammkunden (die ja bestimmt noch für andere Dinge die Bank „Hausbank“ nennt) sowas verdient haben, sowas ist Wucherei.
3. Herr Lochmaier hat ja schon gesagt (soweit ich verstanden), dass man den „Dispo-Fox“ tanzen soll. Man muss dafür nur ein wenig Geld in die Hand nehmen und sich „mental“ andere Thresholds im Bankkonto setzen. Anstatt „-1000 Euro“ Dispo setzt man seinen „virtuellen Dispo“ auf „0 Euro“ und die „Neue 0“ auf „+1000 Euro“ (Braucht man nur noch 1000 Euro, die man vorhält). Und wenn man drunter fällt, ist erstmal Schluß mit „Shopping“, und muss auf den nächsten Gehaltscheck warten, auf den Flohmarkt Sachen verkaufen, usw. Ohne Disziplin, rückt ansonsten der TV-Termin mit Peter Zwegat immer näher …
4. Ich bin auch immer wieder erstaunt, was klassische Banken im Privatkundengeschäft alles ausdenken. Ich möchte hier nur an Psychoprofile bei der Haspa erinnern. Menschen sind besonders anfällig für „Mentale Buchführung“ (weil es ja immer so plausibel klingt). Ein Klassiker ist der Sparplan „für die Rente“ (oder mittelfristigen Anschaffung) kombiniert mit einen Absatzkredit „um sich Wünsche heute erfüllen zu können“. Also man erhält 1.5% p.a. aber muss dann 8.5% berappen. Ist vollkommen idiotisch, aber „es klingt so plausibel“. Und für hartnäckige Opf… Kunden kann das Transaktionskostenargument rausgeholt werden (Stornogebühren, Front-Up Fees, etc.). Der Kunde hat für seinen Sparplan irgendein Lock-In-Effekt („…aber wenn sie den Vertrag kündigen verlieren X Euros…“), sodass er diese nicht auflöst und trotzdem Absatzkredit nimmt. Gebühren richtig in den Vertrag gebastelt (ob transparent oder nicht), bewirken dass die Welt der Privatkundenbankeen, Versicherungen, etc. noch mehr hohe Gebühren reinholen können.
Das Problem wird so lange bestehen bleiben, solang die Bankkunden nur auf die sichtbaren Kosten (= monatliche Kontoführung) schauen und nur darauf, wie hoch die Überziehung selbst denn nun sein darf. Die Kosten für den Dispo interessieren die meisten erst dann, wenn es zu spät ist und bereits eine Überschuldung vorhanden ist. Werbeversprechen sind leider immer noch anziehender als die Tatsache, dass ein gutes Konto manchmal eben auch seinen Preis hat.
Tja, leider haben viele Kunden immer noch nicht begriffen, dass es sich im Haben besser als im Soll lebt. Der einzige Druck, der die Banken zum Umdenken bei den Sollzinsen für den Dispo zwingt, ist die Abstinenz der Kunden, sie müssen den Anbietern die rote Karte zeigen, ansonsten geht das Spiel immer neu verpackt so weiter.
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