Familienunternehmen – Größe und Grenzen

by RalfKeuper on 22. November 2011

Das öffentliche Bild der Familienunternehmen in Deutschland hat in letzter Zeit tiefe Risse bekommen. Aktuellstes Beispiel ist das Führungschaos beim Traditionsunternehmen Haniel. Davor waren es andere namhafte Familienunternehmen, die mit Ausbruch der Finanzkrise Schwächen offenbarten, die bis dahin hauptsächlich mit kapitalmarktorientierten Publikumsgesellschaften in Verbindung gebracht wurden (http://bit.ly/vx5JzG). Namhafte Unternehmen wie die Schaeffler- und die Merckle-Gruppe gerieten in ernste Schwierigkeiten, die ihre Existenz bedrohten, die Traditionsbank Sal. Oppenheim verlor nach über 200 Jahren ihre Selbständigkeit (http://bit.ly/4EVXND), ja selbst eines der ältesten deutschen Familienunternehmen, Prym, entging quasi erst in letzter Minute dem Aus (http://bit.ly/sd6gZ1). Wenn nun mit Haniel eine der Ikonen der deutschen Familienunternehmen als Negativbeispiel die Titelseiten der Wirtschaftsmagazine ziert (http://bit.ly/r6vRxX & http://bit.ly/rIvsA8), ist es an der Zeit, die Frage zu erörtern, ob es sich hier nur um ein vorübergehendes oder vielleicht doch um ein grundlegendes Problem handelt.

Erste Zweifel am Mythos werden laut

In dem Artikel „Sind Familie wirklich klüger?“ (http://bit.ly/vvlSn2) machte das Wirtschaftsmagazin brand eins in der Ausgabe 7/2010 Zweifel öffentlich, die zu dem Zeitpunkt einige aufmerksame Beobachter bereits intensiv beschäftigte. Über Jahre wurde in der Öffentlichkeit ein Bild von Familienunternehmen gezeichnet, das sich bewusst von dem Image kapitalmarktorientierter Unternehmen abhob. Demnach folgten erfolgreiche Familienunternehmen, genannt wurde in dem Zusammenhang immer wieder die Haniel-Gruppe, einem generationsübergreifenden Denken, das sich in erster Linie dem Fortbestand des Unternehmens verpflichtet fühlte, getreu dem Motto: Unternehmen geht vor Familie. Ja selbst von der Seele eines Unternehmens war die Rede, wenngleich mit kritischen Untertönen:

„Es gab immer schon und gibt auch heute noch Unternehmer, die nach ihrer eigenen Überzeugung das Wohl des Unternehmens über alles stellen. Ehrlicherweise wird man einräumen müssen, dass daran so manches Mal nicht viel Wahres ist. Viele derer, die ihr Unternehmen im Alter mit in den Abgrund gerissen haben, bezeugen das. Aber es gibt auch unzählige Unternehmen wie etwa Siemens, Miele und viele andere, die diesen Mythos ihrer Gründergenerationen zurecht pflegen und glaubwürdig weiterleben.“ (Quelle: http://bit.ly/tcP5sg)

Dichtung und Wahrheit

Bereitwillig gaben (und geben) erfolgreiche Familienunternehmer in Interviews Auskunft darüber, was ihre Unternehmensphilosophie von der kapitalmarktorientierter Konzerne, wohltuend, unterscheidet. (Vgl. dazu: http://bit.ly/t0YYQn & http://bit.ly/uuIlmQ http://bit.ly/sQ1H98)
Wie die Ironie es will, waren es ausgerechnet Instrumente des Kapitalmarktes, die Porsche und Schaeffler ins Straucheln brachten (http://bit.ly/vx5JzG).
Eine nähere Betrachtung zeigt daher, dass viele der Vorzüge, die mit Familienunternehmen gleichgesetzt werden, mehr Wunsch als Wirklichkeit sind. (http://bit.ly/sOnpaU & http://bit.ly/r1IA32)

Auslaufmodell Familienunternehmen?

Nach all dem könnte man zu der Auffassung kommen, dass es sich bei Familienunternehmen um ein Auslaufmodell handelt. Das jedoch wäre voreilig.
Noch immer ist die Zahl außergewöhnlich erfolgreicher Familienunternehmen mit Milliardenumsätzen und langer Geschichte beeindruckend. Miele, Oetker, Henkel, Merck, Freudenberg, Heraeus, C&A sind nur einige Namen aus einem illustren Kreis. Dabei kommen kleinere, mittelständische Unternehmen mit jahrhundertelanger Geschichte, wie z.B. Achenbach Buschhütten (http://bit.ly/sHK3uu) mit über 555 Jahren(!), häufig zu kurz.
Es gibt sie also noch, die Familienunternehmen, die dem gängigen Klischee gerecht werden.

So berichtet etwa Rudolf Wimmer: „So hat das Darmstädter Pharma- und Chemieunternehmen Merck über viele Jahrzehnte in die Entwicklung der Flüssigkristall-Technologie investiert, ohne damit über lange Zeit hinweg nennenswert Geld zu verdienen. Heute stellt diese Technologie den Ertragsbringer schlechthin dar.“ (Quelle: http://bit.ly/uUNvbp)

Dass dies aber kein typisches Merkmal deutscher Familienunternehmen ist, zeigt das Beispiel von Sir Alastair Pilkington. So hielt Sir Pilkington 12 Jahre an der Idee des Flow Glass Process fest. Erst dann war der Break Even erreicht:

„Pilkington had, in effect, bet the company on the float glass process. It was a private firm at that time, with wealthy owners who did not need concern themselves with annual cash dividends or the ups and downs of the stock market price“ (in: „Managing the dynamics of innovation“ von James Utterback)

Fernab vom Scheinwerferlicht

Die Mehrzahl der deutschen Familienunternehmer ist nicht dafür bekannt, ins Licht der Öffentlichkeit zu drängen. Legendär sind die medienscheuen Brüder Albrecht (ALDI) und die Familie Brenninkmeyer (C&A). Letztere hat die Verschwiegenheit gar zur Perfektion getrieben (http://bit.ly/uqmF3a). Die geringe Medienpräsenz wird im Zeitalter der digitalen Öffentlichkeit mit ihrer Betonung der Transparenz jedoch immer häufiger zum Hemmschuh. Eher zaghaft finden die Kommunikationsmittel des Internets, wie Social Media, Eingang in den Unternehmensalltag. Dass ein Umdenken stattfindet, zeigt die steigende Zahl hochwertiger Unternehmensfilme (http://bit.ly/iwzi8G) und Geschäftsberichte (http://bit.ly/rIhc0D) ebenso wie die zunehmende Präsenz in den sozialen Netzwerken bis hin zur Etablierung eigener Blogs. Inzwischen sind namhafte Unternehmerfamilien wie die Quandts (http://bit.ly/rqenVF) und die bereits erwähnten Brenninkmeyer (http://bit.ly/lNwwSk) dazu übergegangen, ihre Archive der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen.

Insgesamt ist die Mehrzahl der Familienunternehmen nach wie vor bestrebt, keine Schlagzeilen zu machen, schon gar nicht negative. Vom Ansatz her konservativ, aber erfolgreich. Auch die Auskunftsfreude hat ihre Grenzen: Oetker und Miele machen traditionell keine Angaben zum Gewinn.

Aktuelle Herausforderungen

Wie andere Organisationen auch, werden Familienunternehmen ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Globaler Wettbewerb, Druck der Öffentlichkeit, Steuergesetze und Nachfolgeregelung sind nur einige davon. Blickt man auf die Geschichte der besonders betagten Familienunternehmen, relativiert sich der Blick. So haben die ältesten Vertreter die Reformation, den dreißigjährigen Krieg, die französische Revolution, Napoleon sowie den ersten und zweiten Weltkrieg überstanden. Dagegen wirkt auch eine Weltwirtschaftskrise „unspektakulär“. Jedenfalls sind es keine unlösbaren Aufgaben (Vgl. dazu: http://bit.ly/sfCBNJ).

Ursachen der Langlebigkeit

Vor einigen Jahren erregte eine Studie des damaligen Leiters der Strategieabteilung des Shell-Konzerns, Arie de Geus, Aufsehen, in der die Frage nach den Ursachen für die Langlebigkeit von Unternehmen behandelt wurde (http://bit.ly/w4AoK3 & http://bit.ly/tctvAn).

Folgende Gemeinsamkeiten langlebiger Unternehmen wurden identifiziert:

  • Konservatives Finanzgebaren
  • Sensibilität gegenüber dem Umfeld
  • Bewusstsein der eigenen Identität
  • Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen

Vor allem der Punkt „Konservatives Finanzgebaren“ verdient wegen seiner Bedeutung für die Handlungsfreiheit eines Unternehmens Beachtung. Nicht zuletzt wegen der aktuellen Gefahr einer Kreditklemme (http://bit.ly/uuIlmQ). Die Unabhängigkeit von Fremdkapital und vom Kapitalmarkt schafft die Voraussetzungen für Investitionen, deren Ertrag weit in der Zukunft liegen kann und die jeden Business Plan sprengen, wie die Beispiele Merck und Pilkington zeigen.

Spekulant versus echter Geschäftsmann

Wie einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben, besteht zwischen wortgewandten Managern und echten Unternehmen nach wie vor ein großer Unterschied – nicht nur was die Zeitperspektive angeht. Oder wie es Andrew Carnegie vor mehr als hundert Jahren ausdrückte:

„Der Spekulant und der Geschäftsmann bewegen sich auf zwei ganz verschiedenen Pfaden; jener hängt von einer ganz plötzlichen Drehung des Glücksrades ab und ist heute Millionär, morgen Bankrotteur. Dagegen weiß der echte Geschäftsmann, dass er nur durch geduldige und ununterbrochene Geschäftstätigkeit seinen Lohn erringen kann.“ (Quelle: http://bit.ly/sXoK3P)

Es wäre allerdings verfehlt, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass familienfremde Manager nicht wie Unternehmer agieren könnten, wie die Beispiele Louis Gerstner (http://bit.ly/szbxH1), sowie Hans L. Merkle (http://bit.ly/ukPNWt) und insbesondere Berthold Beitz (http://bit.ly/tcwQ38) zeigen.

Ausblick

Aus den Beispielen der erfolgreichen und weniger erfolgreichen Familienunternehmen lassen sich neben allgemeingültigen keine weiteren Regeln ableiten. Als Gemeinsamkeit und in der Beratersprache formuliert entscheidender „Erfolgsfaktor“ bleibt jedoch, wenngleich eine exakte Definition im Zusammenhang mit Unternehmen schwierig ist, die Familie:

„Familienunternehmen haben einen ganz großen Vorteil und einen ganz großen Nachteil – nämlich die Familie. Eine Familie in Frieden ist das Beste, was es für ein Unternehmen geben kann, eine Familie in Unfrieden dagegen das Schlimmste.“  (Dr. Peter Zinkann, langjähriger geschäftsführender Gesellschafter von Miele & Cie. Vgl. dazu auch: http://bit.ly/ufaf1F & http://bit.ly/rMOZMZ)

david.mpo November 22, 2011 um 09:05 Uhr

Sehr interessanter Artikel. Viele was sie hier schreiben ist in dem (Value-) Investment Bereich recht weit verbreitetes Wissen. Warren Buffett nutzt dies seit Jahrzehnten effektiv aus. Als Anmerkung möchte ich hier noch ergänzen, dass diese Sicherheit der Familienunternehmen nicht an die Form des Unternehmens geknüpft ist. Auch auf öffentliche AGs trifft das Gleiche zu, sofern sie eine starke Familie im Hintergrund haben, die auf langfristige Entwicklung wert legt und das Management kontrolliert.

Comments on this entry are closed.

{ 1 trackback }

Previous post:

Next post: