Irrelevanz der Geldpolitik wegen der abnehmenden Bedeutung der Bankkredite?

by Dirk Elsner on 30. Januar 2012

Zwischen Patrick Bernau (FAS) und einigen Blogs hat sich ein hoch anspruchsvolle Debatte entzündet zu den möglichen Konsequenzen der Geldschwemme. Es geht letztlich um die Frage, ob durch die Geldschwemme neue Blasen drohen. Ich möchte diese Debatte (angestoßen durch den Beitrag “Die große Geldschwemme. Oder: Wo wächst die nächste Blase?” und erwidert durch Henry Kaspar auf Kantoos in Assetblasen, Boom-Bust-Zyklen”) hier gar nicht nachzeichnen, das kann Bernau viel besser, etwa in seinem letzten Beitrag dazu “Wie schlimm ist die Geldschwemme? Eine Antwort”.

Ich auch weder geldpolitisch noch geldtheoretisch besonders versiert, sondern habe als praktisch arbeitender Betriebswirt eine andere Perspektive, die ich aber in dieser anspruchsvollen Debatte vermisse. Meine Wahrnehmung von der Wirkung der Geldpolitik der Zentralbank ist nämlich sehr durch die Kreditpraxis geprägt, die in den oft theoretischen Ausführungen der für Medien und Blogs schreibenden Geldpolitiker zu selten Beachtung findet. Ich frage mich nämlich insbesondere vor dem Hintergrund eines Aufsatzes im letzten Monatsbericht der Bundesbank, ob nicht die Wirkung geldpolitischer Instrumente viel zu sehr überschätzt wird.

Die Geldpolitik wirkt, so jedenfalls mein Verständnis, über sogenannte geldpolitische Transmissionsmechanismen (Details dazu unten aus einer Erklärung der österreichischen Nationalbank). Ein zentrales Kernelement dieser Wirkungsmechanismen ist die Kreditversorgung der Realwirtschaft durch den Banksektor. Banken sollen von der Zentralbank zur Verfügung gestelltes Geld und Zinssenkungen vor allem an die Kreditnehmer der Realwirtschaft weitergeben, um so die Investitionsneigung und damit die Konjunktur beflügeln. Die Kreditversorgung der Realwirtschafts durch die Banken spielt aber eine immer untergeordnetere Rolle, wie die Untersuchung der Bundesbank zeigt. Ich frage mich daher, ob nicht die Geldpolitik zunehmend irrelevant wird.

Anhand der Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung zeigt die Deutsche Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht, dass das gesamte Finanzierungsvolumen von Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar nominal und real zugenommen hat. Dabei hat die Bedeutung des traditionellen Bankkredits jedoch deutlich abgenommen.

Die Bedeutung der Außenfinanzierung nahm in den letzten 10 Jahren in starken Schwankungen ab. Von 290 Mrd € Nettomittelaufnahme im Jahr 2000 auf 128 Mrd. € im Jahre 2010. In Deutschland haben dabei in den vergangenen Jahren alternative Finanzierungsformen signifikant an Bedeutung gewonnen, stellt die Bundesbank fest. Der Anteil der Kreditfinanzierung über Banken betrug 1991 noch 32% (bei Gesamtverbindlichkeiten von 2.042 Mrd. €) und ging auf 18% (gesamt 4.718 Mrd. €) zurück. Deutlich gewachsen sind dagegen im gleichen Zeitraum die Kredite anderer Gläubiger, darunter Versicherungen, sonstige Finanzinstitute und andere Unternehmen. Ihr Anteil hat sich von circa 6% 1991 auf 13,8% 2010.

Folgende interessante Tabelle veröffentlicht die Bundesbank dazu auf Seite 21:

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Die These der abnehmenden Bedeutung der Bankfinanzierung wird also anhand dieser Daten bestätigt. In welchem Umfang kann so eigentlich noch der Durchstich der Geldpolitik der Notenbank gelingen? Die Untersuchung der Bundesbank zeigt, dass sich die Realwirtschaft von wesentlichen Teilen des geldpolitische Transmissionsmechanismus abgekoppelt hat, nämlich der Kreditversorgung der Banken. Die Zins- und Geldmengenpolitik kann dann aber schlicht kaum noch eine Rolle für die Unternehmensfinanzierung spielen.

Ich persönlich wundere mich seit Jahren, dass ständig mit einer Niedrigzinspolitik und expansiver Geldmengenpolitik auch bestimmte konjunkturpolitische Erwartungen verbunden sind. In der Wirtschaftspraxis wird aber nach ganz anderen Kriterien entschieden. Ich finde die aktuelle Untersuchung spricht eher für eine steigende Irrelevanz der Geldpolitik der Zentralbank für die Realwirtschaft.


Hintergrund Wirkungmechanismen der Geldpolitik

“Aufgrund des Einflusses, den die Geldpolitik auf die Finanzierungsbedingungen (nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Verfügbarkeit von Krediten oder die Bereitschaft der Banken, bestimmte Risiken einzugehen) in einer Volkswirtschaft ausübt und auch aufgrund ihres Einflusses auf Konjunktur- und Inflationserwartungen kann die Geldpolitik auf Güterpreise, Vermögenspreise, Wechselkurs sowie auf Konsum und Investitionen einwirken.

Eine Zinssenkung trägt zum Beispiel zu einer Verringerung der Kreditkosten bei, die zu höherer Investitionstätigkeit sowie zum Kauf langlebiger Güter führt. Die Erwartung eines Konjunkturaufschwungs kann die Banken auch dazu veranlassen, ihre Kreditvergabepolitik zu lockern, was wiederum dazu führt, dass Unternehmen und Haushalte ihre Ausgaben erhöhen können. Bei niedrigeren Zinssätzen werden Aktien attraktiver, sodass das Vermögen der Haushalte steigt, was ebenfalls zu höheren Konsumausgaben beiträgt, während für Unternehmen die Attraktivität ihrer Investitionsprojekte zunimmt. Ein niedrigerer Zinssatz führt tendenziell auch zu einer Abwertung der Währung: Wenn importierte Güter teurer werden, steigt die Nachfrage nach inländischen Gütern. Alle diese Faktoren bewirken höhere Produktion und Beschäftigung sowie höhere Investitions- und Konsumausgaben. Wenn Güter- und Arbeitsmärkte ausgelastet sind, kann jedoch diese erhöhte Nachfrage ein Ansteigen der Preise und Löhne zur Folge haben.

Die genauere Art und Weise, wie sich geldpolitische Entscheidungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen und das Preisniveau im Besonderen auswirken, wird geldpolitischer Transmissionsmechanismus genannt. Die einzelnen Verbindungen, über die diese geldpolitischen Impulse übertragen werden, werden als Transmissionskanäle bezeichnet. Die wichtigsten geldpolitischen Übertragungswege (Transmissionskanäle) sind in der Abbildung vereinfacht und schematisch dargestellt.”

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n i g e c u s Januar 30, 2012 um 21:48 Uhr

1/5 ist weniger als ich gedacht habe. Ich denke schon dass die Zentralbanken entscheidend für Wechselkurse sind, was nicht unrelevant ist in einer Welt wo Gläubiger/Investoren die Schuldtitel sich auf der ganzen Welt zusammenkratzen können.
Was die Kreditvergabe betrifft sind die Regulierungsregime (bzw. „sonstige“ Restriktionen) der Gläubiger viel wichtiger als Geldpolitik.

Robert Michel Januar 30, 2012 um 21:09 Uhr

Ich denke dass der Einfluss der Geldpolitik eher unterschätzt wird. Die Eurokrise ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sowohl in der Peripherie als auch in Deutschland, die gleiche Geldpolitik betrieben wurde, obwohl eine differenzierte Politik nötig gewesen wäre um Ungleichgewichte zu verhindern. Die Wirtschaftsstrukturen die sich in China entwickeln sind vor allem auf die Wechselkurs und Geldpolitik zurückzuführen.

egghat, was du anführst zeigt doch das Geldpolitik eine Wirkung hat, sie bestimmt, ob ein Land viel exportiert oder viel importiert. Denn mit den Export von Kapital muss ein Export von Waren einhergehen.

Dirk Elsner Januar 31, 2012 um 04:32 Uhr

Die Überschrift meines Beitrags ist natürlich etwas provokativ. Ich behaupte in dem Beitrag ja auch nicht, dass die Geldpolitik nicht wirkt. Mir geht es nur darum, dass der Transmissionsmechanismus zur Realwirtschaft nur eingeschränkt wirken kann, wenn die Kreditvergabe über das Bankensystem für Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

egghat Januar 30, 2012 um 17:24 Uhr

Du hast völlig recht. IMHO ist dass der Punkt, den Bernau nicht entsprechend gewichtet. (OK, er sagt ja selber, dass es vor allem eine Bubble wird, und tippt auch selber auf eine an den Assetmärkten und damit nicht unbedingt etwas, was man unter „Realwirtschaft“ fassen würde und zu Inflation führen wird).

Die ganze Kreditseite wird in volkswirtschaftlichen Betrachtungen oft viel zu stark ignoriert, das hat auch Thomas Mayer von der DeuBa auf #oend angemerkt. In den Modellen fehlt das teilweise vollständig. Was nur erneut zeigt, welch unglaubliche Annahmen dort oft getroffen werden.

Ich würde gerne noch ein Punkt ergänzen, der die These der zunehmenden Irrelevanz der Geldpolitik unterstützt. Ich glaube nämlich auch, dass das Geld zunehmend vagabundiert. Wenn in der Eurozone Geld billig wird, heisst das (selbst wenn es zu Krediten führt, was aber keineswegs sicher ist, wie du ja schreibst) noch lange nicht, dass der Kredit auch in der Eurozone vergeben wird. Wer weiss, was irgendwo auf diesem Planeten damit finanziert wird.

OK; im Moment mag dieses Problem nicht so entscheidend sein, weil die Zinsen *überall* auf der Welt niedrig sind. Aber im Fall der Schweiz und vor allem Japan (seit 2 Jahrzehnten!) kann man glaube ich schön sehen, was diese beiden Länder alles finanziert haben: Billige Häuser in Osteuropa, SUVs in Island, Tanken auf den Weltmeeren, etc. pp. Nur eben nicht die Unternehmer und Häuslebauer im eigenen Land. Damit verliert eine nationale Geldpolitik natürlich massiv an Wirkung …

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