Im Schaltraum des überaus holprigen Facebook-Debüts

by Gastbeitrag on 20. Mai 2012

Gastbeitrag von Markus Gärtner*

In der englischsprachigen Presse wurde am Wochenende das vermasselte Debüt von Facebook unter die Lupe genommen. Es hagelt erwartungsgemäß nicht nur Kritik an der Art, wie das IPO aufgeblasen wurde, sondern auch daran, wie die Nasdaq den Auftakt des Handels verduselte und wie Morgan Stanley die komplette Show an sich riss.

Hier ein paar Beispiele, die jeweils aus verschiedenen Blickwinkeln einen Einblick in das Geschehen hinter der Bühne geben.

1 REUTERS – Morgan Stanleys große Wette – Die Nachrichtenagentur berichtet nicht nur, dass die Konsortialbanken in den letzten 20 Minuten des Handels 2 Mrd. Dollar in den Ring warfen, um den Auftaktkurs von 38 zu verteidigen. Sie illustriert auch, wie es Morgan Stanley gelang, die gesamte Konkurrenz bei Pricing und Informationspolitik komplett auszubooten. – Lehre daraus: Haie fressen sich auch gegenseitig.

2 WASHINGTON POST – Mit Facebook wird auch ein Image der USA “verkauft”. Die Zeitung beschreibt in dem Bericht, wie sich das Wesen der IPOs in den vergangenen 50 Jahren gewandelt hat. Früher kamen etablierte Firmen an den Markt, die schon 40-50 Jahre Bestand hatten, etabliert waren und eingeführte Produkte vorweisen konnten. Die WP nennt viele Beispiele in dem Bericht. Heute dagegen sei es möglich, “für wenig mehr als eine Marketing-Idee und große Erwartungen” Milliarden einzusammeln.

3 FORBES – Peter Cohan untersucht dort in einer Analyse, welche Botschaft das gefloppte Börsendebüt von Facebook an die Wall Street sendet. Cohan beginnt mit einem Eingeständnis: “Ich dachte, die Aktie beendet den Handelstag bei 100 Dollar.” Dann macht der Autor den Kleinanlegern ein Kompliment. Sie seien lange nicht so bedingungslos gierig gewesen, wie es sich die Konsortialbanken erträumt hatten.

Erst die Trades, später die Kurse dazu ? Wie soll das gehen, fragt NANEX (Punkt 5):

Die Banken bekamen laut Cohan gleich mehrere Schläge ins Gesicht. Sie verloren durch üppige Käufe am Ende der Sitzung, wo sie den Einstandspreis von 38 Dollar massiv verteidigen mussten, nicht nur die einkassierten Gebühren. Sie erlitten auch einen gehörigen Kratzer am Image, weil das Monster-IPO nicht glatter verlief und nur schlappe 23 Cent zulegen konnte. Cohan berechnet auf Basis erwarteter Facebook-Gewinne einen “fairen” Aktienkurs von 7,89 Dollar.

4 MONEY CONTROL (CNBC) schildert den ersten Handelstag aus der Sicht vieler Anlage- und Vermögensberater, die ab 4:00 Uhr morgens mit SMS traktiert worden waren und sich die Finger wund telefonierten, um ein paar Aktien zu erwischen – nur um den Kunden dann stundenlang erklären zu müssen, wieso es immer noch keine Bestätigung für eine Order gab.

5 NANEX – Schildert die Orderabläufe in eindrucksvollen Grafiken, unterschieden nach Volumina, Börsen und anderen Kriterien. In einer Sekunde sollen einmal über 12.000 Trades abgewickelt worden sein. Besonders interessant, das CHART 13. Hier wird in Millisekunden-Abfolge dargestellt, was passierte, als die Nasdaq endlich Kurse stellte und Millionen von Trades explosionsartig abgewickelt wurden. Der Facebook-Urknall sozusagen.

Kurios – und äußerst bedenklich – laut Nanex: Einige Trades wurden bis zu 900 Millisekunden vor den dazugehörigen Kursen (die ja aus den Trades entstehen) eingezeichnet. Das ist physikalisch unmöglich, wenn es mit rechten Dingen zugeht. Hier werden wir wahrscheinlich eine Welle von Klagen auf die Nasdaq zurollen sehen. Die Securities and Exchange Commission (Börsenaufsicht) hat sich die Protokolle des ersten Handelstages ja bereits besorgt.

6 ZEROHEDGE – Befasst sich in seiner Analyse – “Die komplette forensische Nachlese auf Facebook” – mit dem krassen Missverhältnis zwischen den Gebühreneinnahmen der Konsortialbanken aus dem Facebook-IPO (67 Mio. für Morgan Stanley, wenn ich mich recht erinnere) und den hunderten von Millionen Dollar Verlust, die zumindest eine oder zwei der Banken gemacht haben dürften, als sie in zwei Runden – zum Auftakt am Freitag, und die letzten 20 Minuten vor Ende der Börsensitzung – eine immense Wagenburg aufbauten, um den Kurs von 38 Dollar zu verteidigen.

* Markus Gärtner ist freier Journalist und lebt und arbeitet in Vancouver. Seinen Beitrag, der ursprünglich hier erschienen ist, übernehme ich als Crossposting mit seiner Zustimmung.

FDominicus Mai 20, 2012 um 09:36 Uhr

Das ist in meinen Augen super gelaufen. Wenn die Banken ordentlich einen mitbekommen haben, kann ich dara nichts Schlechtes finden. Lag ich mit meinem „altmodischen“ KGV vielleicht doch nicht so daneben. Und mein Muppet faktor trifft es sicherlich doch besser 😉

Manchmal wen es einen nicht direkt betrifft ist es schön mit Seinen Vorhersagen richtig zu liegen. Ich würde Facebook genau dann nehmen, wenn es mir jemand schenkte. Und mitmachen würde und werde ich gar nicht. Sollen Die Leute doch Ihre Daten Facebook „schenken“.

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