In der letzten Woche haben die Entwicklungen im Next Generation Finance ja richtig Fahrt aufgenommen. Sehr dezent und im Trubel anderer Aktivitäten ist bankless24 gestartet. Damit ist endlich eine Crowdinvesting-Plattform an den Markt gegangen, die nicht nur Startups, sondern auch Wachstumsunternehmen finanziert und vor allem auch mit Beträgen über 100.000 Euro[1]. Damit grätscht sie genau dort hinein, wo der größte Finanzierungsbedarf herrscht: Eigenkapital für den breiten Mittelstand.
In meinem Beitrag über Corporate Crowdfunding für das Buch “Finanzdienstleister der nächsten Generation“ spreche ich genau diese Lücke an. „Dem Beteiligungskapitalmarkt mangelte es in der Vergangenheit an ausreichenden alternativer Möglichkeiten zur Verbesserung der Eigenkapitalquote. Die KfW stellte bereits 2003 in einer Studie fest, dass die etablierten Zugangswege zu Eigenkapital für “ganz normale” Mittelständler aus verschiedenen Gründen kein adäquates Angebot darstellen. Eine Angebotslücke sah die Studie vor allem im Bereich von Beteiligungssummen zwischen 1 Mio. € und 5 Mio. €.[2] An dieser Feststellung hat sich bis heute nichts geändert, denn für viele Beteiligungsgesellschaften sind Investments unter 5 Mio. € oft nicht attraktiv, weil der Prüf- und Abwicklungsaufwand zu hoch ist.“
Hier setzt jetzt bankless24 einen vielversprechenden Meilenstein, der hoffentlich weitere Plattformen inspiriert. Solche Plattformen übernehmen bestimmte Funktionen von Banken bzw. Beteiligungsgesellschaften und vermitteln Finanzmittel direkt zwischen großen Gruppen (Crowds) und Einzelpersonen bzw. Unternehmen. Das Grundprinzip basiert auf dem Konzept des Crowdsourcings und funktioniert ähnlich wie Peer-to-Peer-Kredite. Über eine Internetplattform suchen Unternehmen Finanzmittel und stellen sich vor. Interessierte Personen können sich bereits mit kleinen Beträgen beteiligen. Unternehmen emittieren auf bankless24 standardisierte Genussrechte mit einer gewinnabhängigen Ertragsbeteiligung. Eine Finanzierung kommt erst zustande, wenn genügend Anleger finanzieren wollen.
Anleger können bereits ab 100 Euro in mittelständische Unternehmen investieren, deren Management und Geschäftsmodell sich schon am Markt bewährt hat. Damit steht Anlegern hier eine etwas weniger riskante Anlageklasse zur Verfügung als bei der aktuell noch dominierenden Startup-Finanzierung im Crowdfunding/-investing[3]. Die Plattformen selbst fungieren als Dienstleister, die den Prozess zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern vereinfachen. Sie stellen die Infrastruktur für die Information bereit und wickeln die Transaktion ab.
Wie es im Detail geht, verrät die Plattform in einer Pressemitteilung: „Mittelständler stellen sich und ihr Finanzierungsprojekt auf der Plattform mit einem Factsheet, ihren Finanzdaten sowie den Details zum Finanzierungsprojekt vor. Anders als bei den bisher aktiven Crowdinvesting Plattformen sind die Unternehmen bei bankless24 nicht auf Beträge bis 100.000 Euro limitiert, sondern können Finanzierungsprojekte im Bereich mehrerer Mio. Euro realisieren. Registrierte Nutzer können dann innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen bereits ab 100 Euro Teilbeträge in das Projekt investieren. Die Finanzierung kommt zustande, wenn 75% des Maximalvolumens erreicht sind. Für Transparenz und Sicherheit sorgen das Rating unseres Partners Creditreform Rating AG und die Abwicklung über ein Treuhandkonto bei unserem Partner Fidor Bank AG. Während der Laufzeit der Finanzierung werden die Anleger regelmäßig über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens informiert.“
Die ersten Finanzierungsprojekte sind bereits auf der Plattform zu finden. Die möchte und kann ich jetzt allerdings nicht bewerten, da die meisten Daten nicht öffentlich sind. Um die Details der Projekte zu erfahren, muss man sich registrieren, was zum Standard gehört. Über die einfache Registrierung erhält man einen Einblick in die Eckdaten des Projektes und in Finanzkennzahlen. Erst wenn man sein komplettes Benutzerprofil ausgefüllt hat, kann man weitere Dokumente herunter laden. Dazu soll dann auch ein Verkaufsprospekt gehören, wenn der eingeworbene Betrag über 100.000 Euro liegt (die aktuellen Projekte liegen allerdings bei exakt 100.000 Euro). Richtig gut finde ich, dass den Investoren ein Creditreform Bilanzrating zur Verfügung gestellt wird, in dem Creditreform die einjährige Ausfallwahrscheinlichkeit angibt sowie eine Ampelanalyse wichtiger Geschäftsbereiche.
Ich finde den Ansatz von bankless24 sehr vielversprechend, weil es sich an den aus meiner Sicht für Crowdinvestings zu hohen regulatorischen Anforderungen[4] orientiert und der Informationsprozess professionalisiert wird. Mit dem Bilanzrating von Creditreform geht bankless24 den folgerichtigen Schritt hin zu einer risikoorientierten Unternehmenspräsentation. Mir waren aus Anlegersicht zu viele Präsentationen einiger anderer Plattformen zu oberflächlich und jubilierend. Gerade im Startup-Segment sind die Risiken extrem hoch. Das Risiko an ich halte ich dabei nicht für das Problem, allerdings das Kleinreden und verstecken. Früher oder später wird das zu entsprechenden Diskussionen führen. Meine Kolumne im Wall Street Journal „Crowdfunding ist nichts für Muppets“ hatte ich mit den Sätzen geschlossen: „Qualität heißt nicht, dass Investments ohne Risiko sein müssen. Qualität heißt, dass die Risiken möglichst klar benannt werden.“ Wie tief die Darstellung auf bankless24 tatsächlich geht, lässt sich allerdings erst prüfen, wenn dort größere Projekte am Start sind.
Der Bedarf nach Eigenkapital für den Mittelstand hat vor dem Hintergrund verschärfter Regulierungsanforderungen an den Finanzsektor bereits zugenommen. Eine Stärkung des Eigenkapitals über Crowdfunding könnte eine interessante Alternative sein, wenn Unternehmen nicht den Zugang zu Kapitalgesellschaften und Family & Friends Programm haben. Allerdings sollte man den Aufwand auch nicht unterschätzen, denn gerade die geforderte Transparenz kostet Zeit, Geld und ist nicht nach dem Geschmack aller Unternehmer.
Für mehr Hintergrund sollte man sich einfach durch die Webseiten von bankless klicken. Im Blog Crowd Street gibt es außerdem ein Interview mit dem Gründer Dirk Littig
Nachtrag
Der Crowdfunding-Pionier Seedmatch hat heute angekündigt, im Startup-Bereich auch Finanzierungen über 100.000 Euro ohne Prospekt anzubieten. In einer Pressemeldung schreibt Seedmatch u.a.:
„Um die Finanzierungen über 100.000 Euro zu ermöglichen, wird bei Seedmatch ein neues Vertragswerk eingeführt. Startups können so ohne aufwendige und kostenintensive Erstellung eines Verkaufsprospekts Summen über 100.000 Euro einsammeln.
…
Der Beteiligungsvertrag hat dabei statt der bisherigen stillen Gesellschaft nun die von der BaFin bescheinigte Form eines partiarischen Nachrangdarlehens. Dies gilt als eine der ältesten Beteiligungsformen in der Wirtschaft und fand bereits im alten Venedig Anwendung. Ein Unternehmen erhält mit Begründung einer Nachrangigkeit wirtschaftliches Eigenkapital. Auch das neue Vertragsmodell benötigt keine Lizenz, so dass keine zusätzlichen Kosten entstehen, die durch hoheGebühren an anderer Stelle wieder finanziert werden müssten.“
[1] Aus Fachkreisen wird möglicherweise jemand einwenden, die Plattform Bergfürst sei doch schon längst gestartet. Nach eigenen Informationen von Bergfürst folgt aber die erste Emission im ersten Quartal 2013. Auch die Plattform Devexo will nicht ausschließlich der Startup- (“Crowdfunding”) Finanzierung anbieten, sondern auch Wachstumsfinanzierungen. Siehe auch Gründerszene mit Interview mit Devexo-Gründer Edwin Davis. Derzeit findet man auf der Plattform allerdings nur Angebote geschlossener Fonds.
[2] KfW, Eigenkapital für den ´breiten´ Mittelstand, Abschlussbericht der AG “Eigenkapital für den ´breiten´Mittestand unter Leitung der KfW, Frankfurt a. M., 2003, S. 17.
[3] Ich verwende die Begriffe Crowdfunding und –investing häufig synonym. Die Plattformbetreiber selbst verstehen unter das Crowdfunding meist die sogenannte donation-based-Variante, bei der eher der Spenden- oder Projektcharakter im Vordergrund steht. Beim Crowdinvesting handelt es sich in der Regel um eine finanzielle Beteiligung, bei der die Investoren mit einer Gewinnausschüttung und der Rückzahlung rechnen.
[4] Mit den bankaufsichtsrechtlichen Bedingungen des Crowdfundings hat sich ausführlich Jörn Begner von der BaFin befasst: Crowdfunding im Licht des Aufsichtsrechts.
Hallo Herr Elsner,
vielen Dank für den Artikel.
Sie haben nicht nur sehr treffend beschrieben, was wir tun, sondern auch, warum wir es tun.
Deshalb nochmals: vielen Dank!
Beste Grüße
Dirk Littig
Hallo Herr Elsner,
danke für diesen Artikel und den Hinweis auf das Finanzierung Gap für Eigenkapital im KMU Bereich. Die auslaufenden Mezzaninen-Programme (HEAT, PREPS etc) werden den Bedarf sicher noch vergrössern.
Unter http://www.united-equity.de bieten wir zurzeit die Möglichkeit in ein solides und höchst innovatives KMU (Tiefbauunternehmung) ab 100€ zu investieren.
https://www.united-equity.de/unternehmen/DOMS%20Kabel-%20und%20Kanalbau%20GmbH/investmentangebot/4/Finanzierung
Würde mich freuen wenn Sie mal reinschauen..
Adrian Porger
Danke für den Hinweis auf eine weitere Finanzierung eines bestehenden Unternehmens über Crowdinvesting. Auch bei diesem Angebot sind die Hinweise über die Risikoeinstufungen durch Dritte hilfreich.
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