Wirtschaft wird im Web nicht richtig erklärt! Das ist Quatsch

by Dirk Elsner on 5. Juli 2013

Auf der nun schon viele Wochen zurück liegenden re:publica ging es in dem Panel über Finanzblogs auch um die Frage, ob Wirtschaftsthemen im Web nicht zu abgehoben und abstrakt dargestellt werden, so dass die Themen nur von einer kleinen Minderheit verstanden werden. Zugespitzt könnte man das auf die Behauptung der Überschrift zuspitzen, dass Wirtschaft im Web nicht richtig erklärt wird. Ich halte das aber für Quatsch.

Richtig ist, dass viele Texte in fachspezifischen Blog, wie auch in Finanzblogs, sich eher an Spezialisten richten. Ohne ein gewisses Vorverständnis oder fachliche Grundkenntnisse lassen sich manche Texte nicht voll verstehen. Das ist aber kein spezielles Phänomen der Finanzblogs, sondern gilt im Grunde für alle Texte oder jede Form der Kommunikation. Auch wenn man einen Artikel in der Tagespresse liest über Angela Merkel oder ein Ministertreffen der Europäischen Union werden hier bestimmte Sachkenntnisse voraus gesetzt, etwa: “Was ist eine Kanzlerin?” oder “Was ist eine europäische Union”.

Klar, ich gehe einmal davon aus, dass mehr Menschen wissen, was eine Kanzlerin macht, als wie der EFSF funktioniert. Aber es ist nicht so, dass im Web mittlerweile nicht alle Grundlageninformationen verfügbar sind. Am vergangenen Wochenende wühlte ich mich einmal durch die Videos, die Hans-Jörg Joost in seinem YouTube-Kanal Hans erklärt mittlerweile produziert hat. Joost ist nach den Informationen seiner Webseite Ausbilder bei der IHK. Er berät dabei Menschen bei finanziellen Entscheidungen. Mit seinen Videos will er Grundlagenwissen vermitteln und hat dafür das Projekt Finanzgrips ins Leben gerufen. Hier ist mittlerweile eine bemerkenswerte Video-Sammlung entstanden, mit der er Themen wie Schuldenschnitt oder Eurobonds erklärt. Die Abrufzahlen sind durchaus beachtlich, könnten aber natürlich noch viel höher sein, wenn das Angebot bekannter wäre.

Einer der mit seinen Lehrvideos den Durchbruch geschafft hat, ist Salman Khan mit seiner Khan Academy. Er mischt, so schrieb Roland Lindner auf Netzwirtschaft, mit seinen Gratislektionen im Internet das Bildungswesen auf. Um die 6 Millionen Nutzer sehen sich im Monat seine Videos an. Eine bemerkenswerte Zahl. Mittlerweile hat Khan, dessen Angebot kostenlos ist, prominente Förderer erhalten. Dazu gehören die Stiftung von Bill Gates, der Internetkonzern Google und der mexikanische Milliardär Carlos Slim.

Klar ist, dass solche privaten Angebote auch Kritiker auf den Plan rufen, denen das Niveau nicht hoch genug ist, die sachliche Fehler entdecken oder pädagogische Defizite erkennen wollen. Ich bin froh, dass die Macher dieser Angebote diese Kritiker ignorieren. Wenn einzelne Videos vorher erst durch eine „Expertenkommission“ freigegeben werden müssten, hätten wir gar keine solchen Informationsangebote im Netz. Wir haben ja außerdem gelernt, dass es in der Ökonomie oft keine richtigen Antworten gibt.

Neben diesen Lehrseiten gibt es eine Fülle weitere Informationen über wirtschaftliche Themen. Das Niveau reicht dabei von ultraflach bis in Tiefen, die selbst Fachleute zufrieden stellen.  Das eigentliche Defizit liegt viel eher darin, dass  Seiten im Web (professionelle Medienseiten und Blogs) meist solche und ähnliche Erklärstücke zu wenig zur Kenntnis nehmen und diese etwa mit ihren Artikel vernetzten. Das ist aber allerdings auch nachvollziehbar, denn niemand kann Artikel schreiben, die vom Grundlagenwissen bis zur Grundlagenforschung alle Ansprüche bedienen. Und Erklärungen sind nicht nur Bringschulden.

Dennoch wünscht man sich manchmal zu speziellen tagesaktuellen Themen einen Kurator, der einfach nur die im Netz steckende Schätze hebt.

Lutz Breunig Juli 6, 2013 um 13:41 Uhr

Aktivitäten und Kräfte, die innerhalb „der Wirtschaft“ wirken, können sicherlich nur mit einer Vielfalt unterschiedlichster Meinungen und Standpunkte – auf unterschiedlichen Levels – annähernd beschrieben und erklärt werden. Wie soll das besser gelingen als über freie Blogs?

Nixda Juli 5, 2013 um 13:04 Uhr

Gerade die Ökonomie braucht auch die freien Blogs. An den Universitäten ist die Lehre stark von neoliberalen Mainstream geprägt, und die Wirtschaftspresse wagt es auch nicht das vermeintlich alternativlose auch fachlich zu hinterfragen, weil sie die Komplexität des Themas ihren Lesern nicht zumuten will.

Die Blogs schließen hier eine Lücke und nehmen damit eine wichtige Funktion im gesellschaftlichen Diskurs ein.

Florian Semle Juli 5, 2013 um 12:16 Uhr

Dem „Quatsch“ schließe ich mich an. Das Grandiose an der Ökonomischen Blogosphäre ist ja gerade die Vielfalt und die Möglichkeit, sich das Einstiegsniveau auszusuchen. Die Vorstellung, dass Blogs sich immer noch wie Tagebücher lesen lassen müssen, ist naiv, webfern und – für mich jedenfalls – ziemlich langweilig…

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