Beliebte Politikerfloskeln und ihre Übersetzung ins Deutsche

by Gastbeitrag on 9. Juli 2013

Gastbeitrag von Jakob Wega

Bereits vor 65 Jahren hat der Zukunftsforscher George Orwell in seiner bahnbrechenden Studie „1984“ (http://de.wikipedia.org/wiki/1984_%28Roman%29) die Tendenz der modernen Gesellschaft zum „Doppelsprech“ (Doublespeak) untersucht und beschrieben. Damit wird das Phänomen bezeichnet, dass man in der Öffentlichkeit etwas völlig anderes sagt als man eigentlich meint. Vor allem Politiker bedienen sich gerne einer formelhaften Sprache, die ihre eigentlichen Absichten völlig verschleiert. Teilweise können sich viele schon gar nicht mehr anders ausdrücken.

Dies erschwert natürlich die Auswahl der richtigen Partei für den interessierten Wähler. Um vor der nächsten Bundestagswahl die Auseinandersetzung mit den echten politischen Inhalten zu ermöglichen, und damit es durch möglicherweise missverständliche Wortwahl von Politikern nicht zu falschen Wahlentscheidungen kommt, sind hier viele für ihren Sprachgebrauch typische Ausdrücke gesammelt worden. Sie wurden ergänzt durch ihre richtige Bedeutung in der deutschen „Normalsprache“, die von ganz gewöhnlichen Menschen benutzt wird.

  1. Wir sind empört => Die Anderen haben einen Fehler gemacht.
  2. Wir sind entsetzt => Die Anderen haben einen doofen Fehler gemacht.
  3. Das ist skandalös => So schaffe ich es vielleicht in die Bildzeitung .
  4. Ich habe einen Fehler gemacht => Hoffentlich reicht das, damit meine Anwälte den Deal mit der Staatsanwaltschaft noch durchkriegen.
  5. Mein Mitarbeiter hat einen Fehler gemacht => Mein Mitarbeiter wollte eh in den vorzeitigen Ruhestand gehen, dann passt das.
  6. Ich hatte hiervon keine Kenntnis. => Ich habe die Angelegenheit nicht richtig geprüft.
  7. Niemand hat einen Fehler gemacht. => Hoffentlich kocht das jetzt nicht noch weiter hoch.
  8. Das sind alles nur haltlose Unterstellungen. => Das kann doch niemand stichhaltig beweisen.
  9. Ich darf das nicht annehmen. => Du bist doch sicher wieder so ein Scheiß-Journalist, der mir eine Falle stellen will.
  10. Wie ich schon immer gesagt habe. => Vielleicht kann man eine alte Äußerung von mir in die Richtung interpretieren.
  11. Es ist meine tiefste Grundüberzeugung . => Irgendwo habe ich das schon einmal gelesen.
  12. Wir werden das ernsthaft prüfen. => Die Idee ist nicht doof, aber wir haben keine Zeit und kein Geld für so etwas.
  13. Wir werden schell und entschlossen handeln. => Wiedervorlage nach der Sommerpause reicht.
  14. Das kann so nicht weitergehen! => Wenn ich dazu noch sehr entschlossen aussehe, müsste es eigentlich für die Tagesschau reichen.
  15. Es gibt noch zahlreiche offene Fragen => Ich glaube, man hat mich komplett verarscht.
  16. Wir stehen fest zu unseren Verpflichtungen. => Wir müssen mit dem nachverhandeln noch etwas warten.
  17. Wir werden uns darum bemühen. => Vergiss es.
  18. Wir werden uns ernsthaft darum bemühen. => Wir müssen uns irgendeine PR-Aktion überlegen.
  19. Wir werden uns ernsthaft und mit Nachdruck darum bemühen => Wenn die Presse das noch weiter aufgreift, müssen wir tatsächlich irgendwann noch mal was machen.
  20. Ich bin sehr betroffen. => Dumm gelaufen.
  21. Ich bin zutiefst erschüttert. => Ich darf meine Schadenfreude nicht zu offen zeigen.
  22. Ich bin sehr betroffen und zutiefst erschüttert. => Ein bischen leid tut es mir schon.
  23. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. => Normalerweise sollte mir niemand etwas nachweisen können.
  24. Ich bin für mehr soziale Gerechtigkeit. => Wir brauchen noch mehr Wählerstimmen.
  25. Ich bin für mehr Leistungsgerechtigkeit. => Wir brauchen noch mehr Parteispenden.
  26. Schön, wieder einmal an diesem wunderbaren Ort mit so vielen netten Menschen zusammen zu sein. => Mein Assistent hat wieder mal vergessen, mir aufzuschreiben, wo wir hingefahren sind.
  27. Das müssen wir entschieden zurückweisen. => Lass uns in einer Woche noch mal darüber reden.
  28. Das müssen wir mit Nachdruck zurückweisen. => So leicht lasse ich mich nicht über den Tisch ziehen.
  29. Das müssen wir entschieden und mit Nachdruck zurückweisen. => Wenn wir in einer Woche noch mal darüber reden, muss die andere Seite zu mehr Zugeständnissen bereit sein.
  30. Ist dass aber ein süßes Kind. => Hoffentlich hat das Kind keine ansteckenden Krankheiten.
  31. Ich nehme gerne später noch eine von diesen leckeren Bratwürsten. => Urgghh, mein Magengeschwür platzt gleich.
  32. Jetzt rede ich mal Klartext. => Alle außer mir sind doof.
  33. Ich werde ihre Frage später beantworten. => Wenn mir irgendwann ein Allgemeinplatz als Antwort einfällt, sage ich noch was dazu.
  34. Das ist aber wirklich interessant. => Vielleicht kann unsere PR-Frau etwas knackiges daraus machen.
  35. Ich verspreche ihnen. => Ich verspreche mich.

Lieber Leser. Diese Aufstellung ist naturgemäß unvollständig, da der Autor leider bei längerem Kontakt mit Politikeräußerungen zu schwersten allergischen Reaktionen neigt (heftige Bauch- und Kopfschmerzen etc.). Sollte Ihnen noch die eine oder andere Formulierung und ihre Bedeutung im „Normaldeutsch“ bekannt sein, bitte ich Sie diese unten bei den Kommentaren zu ergänzen. Im Umgang mit Politikern unerfahrenen Lesern wird so möglicherweise sehr geholfen.

Vielen Dank.

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