Investitionsangst – Teil 2: Die Weltwirtschaft ist resitenter, als man denkt

by Karl-Heinz Thielmann on 16. Oktober 2014

Dies ist die Fortsetzung des Beitrags „Investitionsangst – Teil 1: Droht eine säkulare Stagnation?„, der sich mit der aktuellen Schwäche privater realwirtschaftlicher Investitionen und Befürchtungen hinsichtlich der Konsequenzen befasst hat.

 

Das Offensichtliche wird ignoriert

Auf die relativ offensichtliche Idee, dass man das Klima für private Investitionen verbessern könnte, indem man Regulierungen vereinfacht und die Eigenkapitalbildung steuerlich begünstigt, scheinen derzeit weder Ökonomen oder Spitzenpolitiker zu kommen. Während bei Ökonomen diese Einfallslosigkeit relativ erstaunlich ist, hat sie in der Politik damit zu tun, dass solche Maßnahmen nicht nur die Steuereinnahmen vermindern würden, sondern ebenfalls viele Wählerstimmen kosten könnten. Denn die aktuelle Diskussion um eine wachsende soziale Ungleichheit in den westlichen Gesellschaften hat die fatale Konsequenz gehabt, dass das alte Feindbild vom bösen Kapitalisten in Form der Figur des „Superreichen“ wiederbelebt wurde. Maßnahmen zur Förderung der Kapitalbildung werden allgemein abgelehnt, weil sie ja die verhassten Superreichen begünstigen könnten.

Dies ist extrem kurzsichtig. Denn:

a)    mit zunehmender Eigenkapitalbasis steigt auch wieder die Fähigkeit zur Verschuldung, was die Wirksamkeit der traditionellen Geldpolitik wieder verbessern könnte.

b)    der sozialen Ungleichheit könnte man z. B. durch Förderung der Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand entgegen wirken (warum sind eigentlich Mitarbeiteraktien so aus der Mode?).

c)    man könnte gezielt Start-ups oder den Mittelstand förden, die i.d.R. mit ihren Investitionen besonders viel Wachstum und Arbeitsplätze schaffen sowie die Gewinne hinterher nicht in Steuerparadiese verschieben.

d)    selbst wenn ein Superreicher durch die von seinen Investitionen geschaffene Wertschöpfung überproportional profitiert; so ist dies für die Gesamtwirtschaft immer noch besser, als wenn er überhaupt nichts macht. Vor allem in Asien nimmt man daher wachsende soziale Ungleichheit gerne in Kauf, solange im Ergebnis die Wirtschaft an sich vorankommt. Dies ist einer der Gründe für die anhaltende wirtschaftliche Dynamik in dieser Region.

Totgesagte leben länger: Die Weltwirtschaft ist nicht so einfach kaputt zu machen

Muss man jetzt pessimistisch werden, wenn man es nicht schon ist? Ich meine nein, weil es trotz der kontraproduktiven Politik drei Faktoren gibt, aufgrund derer sich die heutige Situation grundlegend von den 30er Jahren unterscheidet. Sie werden auch dafür sorgen, dass es kein Abgleiten der Weltwirtschaft in eine säkulare Stagnation geben wird:

  • Die Weltbevölkerung wächst weiter mit ca. 0,8% p.a. Insbesondere die für das Wachstum wichtige Mittelschicht in den Schwellenländern gewinnt weiter an Bedeutung. Sie hat nach wie vor einen gewaltigen Nachholbedarf, ist konsumfreudig und generell sehr leistungsbereit.
  • Die Globalisierung schreitet trotz der nationalistischen Bestrebungen einzelner Länder unaufhaltsam voran. Nach einem scharfen Einbruch im Welthandel 2009 wurde 2012 mit einem Volumen von 17,8 Billionen US$ (bzw. 22 Billionen incl. Dienstleistungen) das Niveau vom bisherigen Rekordjahr 2008 wieder deutlich übertroffen.
  • Die Innovationskraft von Wissenschaftlern und Unternehmern ist noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil, in vielen Bereichen wie der Informationsindustrie; der Pharmazeutik; den alternativen Energien; der Materialtechnik etc. haben sich eine Reihe von vielversprechenden neuen Technologien entwickelt, die vor der Markteinführung stehen. Asiatische Wissenschaftler spielen bei der Hervorbringung echter Neuheiten eine immer größere Rolle, was die Innovationsdynamik noch verstärkt.

Wachstum trotz Politik

Schlechte Wirtschaftspolitik ist kein exklusives Phänomen der heutigen Zeit. Tatsächlich lässt sich für die meisten Phasen der ökonomischen Entwicklung in den vergangenen Jahrhunderten feststellen, dass Wachstum nicht wegen, sondern trotz politischer Interventionen erfolgt ist. Lediglich in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang es der Politik erfolgreich, durch eine beispiellose Kombination aus restriktiver Geldpolitik, Protektionismus und übertriebener Sparpolitik die Wachstumskräfte zeitweise komplett abzuwürgen. Insofern hat Robert Shiller schon recht, davor zu warnen, dass Fehler aus dieser Zeit wiederholt werden und sich Pessimismus in den Köpfen festsetzt. Selbst wenn global gesehen kaum eine Dauerstagnation zu befürchten ist, sieht dies regional – wie in einigen Nationen Osteuropas und bestimmten Ländern der Eurozone – teilweise ganz anders aus.

Vielleicht kommen irgendwann einmal wieder Phasen besserer Politik, Anleger sollten darauf aber nicht warten. Denn insbesondere Perioden schlechter Marktstimmung und pessimistischer Erwartungen eröffnen gute Einstiegschancen an den Aktienmärkten. Dabei sind vor allem Unternehmen interessant, die gerade in diesem verunsicherten Umfeld weitsichtig in die Zukunft investieren. Wenn alles wieder sicher erscheint, sind die guten Gelegenheiten ebenfalls weg. Nur wenn Angst regiert, und die Folgen von Investitionen überwiegend als Gefahren empfunden werden, bieten sich echte Chancen.

Dieser Artikel erschien in leicht abgewandelter Form ebenfalls in „Mit ruhiger Hand“ Nummer 30 vom 6. Oktober 2014.

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