Investitionsangst – Teil1: Droht eine säkulare Stagnation?

by Karl-Heinz Thielmann on 14. Oktober 2014

Warum erholt sich die Weltwirtschaft selbst 6 Jahre nach der Finanzkrise nur so zögerlich? Weshalb kommt die Eurozone einfach nicht aus ihrem Wachstumsloch heraus? Im Grunde sind sich alle Ökonomen einig, dass dies vor allem an einer ausgesprochenen Schwäche der realwirtschaftlichen privaten Investitionen liegt. Denn nicht nur bei den Kriseneuropäern will keine so rechte Lust hierzu aufkommen. Wenn man vom Fracking-Sonderboom im Energiebereich absieht, sind auch die USA nicht besonders investitionsfreudig. In den Schwellenländern macht sich nach der Euphorie des vergangenen Jahrzehnts ebenfalls Vorsicht breit.

Großunternehmen und die Wohlhabenden dieser Welt schieben Unmengen von Geldern vor sich her und wissen nicht, wie sie diese produktiv einsetzen sollen. Neue Zahlen der Financial Times zeigen, dass die 1.000 weltweit größten Unternehmen außerhalb des Finanzsektors die Rekordsumme von 3,5 Billionen US$ als Liquidität halten. 1,6 Bill. US$ gehören US-Firmen und sind vorwiegend in Steuerparadiesen geparkt; fast 1 Bill. US$ liegen auf den Bankkonten europäischer Gesellschaften. Eine aktuelle Studie des Informationsdienstes Wealth-X schätzt für die 2.325 Milliardäre auf dieser Welt ein Durchschnittsvermögen von ca. 3,1 Milliarden US$; wovon 600 Millionen US$ (also ca. 20%) als Liquidität gehalten werden.

Sofern man überhaupt klare Aussagen über die Ursachen für diese Misere finden kann, so lassen sie sich auf zwei Faktoren reduzieren:

1)    Grundsätzliche Befürchtungen bzgl. des globalen Wachstums.

2)    Verunsicherung bzgl. politischer Entwicklungen und Interventionen.

Droht eine „säkulare Stagnation“ wie in den 30er Jahren?

Beide Begründungen hängen eng zusammen und bergen die Gefahr eines Teufelskreises in sich, worauf Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller vor Kurzem hingewiesen hat. In dem Essay „Parallels to 1937“ zeigte er beunruhigende Ähnlichkeiten in den Entwicklungen nach der Wirtschaftskrise 1929 und der Finanzkrise 2008 auf. In beiden Fällen blieb in vielen Ländern die Erholung nach dem Einbruch stecken, was zu Hoffnungslosigkeit bei breiten Bevölkerungsschichten und zur Anfälligkeit für nationalistische Ideologien führte. Abschottung, Konflikte und Krieg waren die Konsequenz. Shiller wies insbesondere darauf hin, wie sich sich die wirtschaftliche Lage in der Ukraine mit der Finanzkrise veränderte: vorher Boom-Region, erlebte dieses Land 2009 einen ökonomischen Absturz, von dem es sich bisher nicht erholen konnte. Dies hat Shillers Ansicht nach entscheidend dazu beigetragen, dass die jüngsten Konflikte und Auflösungserscheinungen in der Ukraine angeheizt wurden.

Insbesondere wichtig ist für Shiller, wie sich die mentale Einstellung zum Thema Wirtschaftswachstum verändert hatte: Damals wie heute wird von Ökonomen ernsthaft über Grenzen des Wachstums diskutiert, Theorien von einer „säkularen Stagnation“ gewannen damals und gewinnen heute wieder an Popularität. „Unterkonsumption“, also übertriebenes Sparen aufgrund allgemeiner Unsicherheit, wird zum Massenphänomen, was zum wirtschaftlichen Krebsgang beiträgt. Psychologisch fatal ist für Shiller insbesondere, wenn zu viele Menschen das Gefühl bekommen, dass sich für sie persönlich nichts mehr verbessern kann. Dies führt zu Frustration, Verbitterung sowie möglicherweise am Ende auch zu Abschottung und Gewalt.

Wer kein Vertrauen in die Zukunft hat, der investiert nicht. Er empfindet die Möglichkeit einer Investition mehr als Gefahr für sein Vermögen und weniger als eine Chance, den zukünftigen Lebensstandard zu verbessern. „Safety first“ ist aber kein sehr vorausschauendes Motto der Zukunftsvorsorge.

Denn fatalerweise geht es bei Investitionen um mehr, als lediglich um die Wahrnehmung von Chancen. Sie sind nicht nur Voraussetzung für eine bessere Zukunft, sondern Grundbedingung dafür, dass sich nichts verschlechtert. Wer nicht investiert, sägt zwar nicht den Ast ab, auf dem er gerade sitzt. Er bekommt aber später auch keinen neuen Ast, wenn die alte Sitzgelegenheit abgenutzt und morsch geworden ist sowie abzubrechen droht. Besteht aufgrund der Investitionsangst die Gefahr eines Teufelskreises aus Pessimismus, Investitionsunlust und Niedergang?

Fragwürdige Patentrezepte

Die meisten Ökonomen erscheinen etwas ratlos, wenn sie danach gefragt werden, wie denn nun die allgemeine Investitionsschwäche zu bekämpfen sei. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die zwei üblicherweise aus der Mainstream-Wirtschaftswissenschaft abgeleiteten Lösungsvorschläge derzeit alles andere als unproblematisch sind:

1)    Soll die Geldpolitik noch lockerer werden, um über niedrige Zinsen die Investitionen anzukurbeln?

2)    Oder befinden wir uns in einer Situation der Unterkonsumption, in welcher der Wirtschaftskreislauf durch mehr Staatsausgaben – wie z. B. mit Investitionsprogrammen – wieder angekurbelt werden muss?

Beide Vorschläge haben einen fragwürdigen Nutzen bzw. negative Nebenwirkungen. Denn reine Geldpolitik kann nur die Zinsen, aber nicht das grundsätzliche Vertrauen in die Zukunft beeinflussen. Solange dies nicht wieder da ist, werden höchstens Ersatzinvestitionen vorgenommen, egal wie günstig der Zins ist. Zudem würden kreditfinanzierte Investitionen die Schuldenspirale wieder ankurbeln, die uns erst in die Finanzkrise geführt hat. Genau das gleiche gilt für staatliche Ausgabenprogramme, die durch Kreditaufnahme finanziert würden.

Die Knackpunkte, warum weder leichte Geldpolitik noch schuldenfinanzierte Staatsausgaben so richtig vertrauenserweckend sind, liegen im Wesentlichen in zwei Punkten begründet:

  • Sie lösen nicht das allgemeine Problem politischer Unsicherheit, was sich durch immer kompliziertere Regulierungen und steigende geopolitische Konflikte ergibt.
  • Beide zielen letztlich darauf ab, die Wirtschaft durch eine Erhöhung der Verschuldung anzukurbeln, sie es indirekt im privaten Sektor wie bei der Geldpolitik oder direkt im Staatsbereich wie bei Ausgabeprogrammen. Nach einer Finanzkrise durch zu hohe Schulden sollte aber ein Abbau der Gesamtverschuldung oberste Priorität sein, nicht eine erneute Aufblähung.

Bedauerlicherweise hat auch der vor ein paar Tagen zu Ende gegangene G20 Gipfel wenig Hoffnung gemacht. Zwar wurden vollmundig eine deutliche Ankurbelung des globalen Wachstums versprochen und eine Reihe von neuen Ideen hierzu präsentiert. Bei näherer Betrachtung stellen sich die brillanten Neuvorschläge jedoch als recht einseitig heraus. So soll jetzt verstärkt das Verstecken von Gewinnen in Steuerparadiesen bekämpft werden. Weiterhin sollen sich jetzt private Anleger verstärkt an öffentlichen Infrastrukturinvestitionen beteiligen dürfen.

Mit dem Titel „Planwirtschaft trifft Größenwahn“ beschrieb Spiegel Online recht zutreffend diesen Politikansatz. Denn die angebliche Wachstumsförderung ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel. So notwendig einige der angestrebten Maßnahmen auch sein mögen, primär geht es darum, private Gelder zur Stopfung von Haushaltslöchern umzuleiten. Konsequenz ist damit nicht die Förderung privater Investitionen, sondern ihre Substitution durch staatliche Programme.

Der Beitrag wird in 2 Tagen fortgesetzt.

Beate Oktober 15, 2014 um 07:55 Uhr

Mein Gott, da haben Deutschlands Ökonomen drei Sätze drauf.

Senkt die Löhne.
Schränkt den Konsum zugunsten der Gewinne ein.
Das wird die Investitionen beflügeln usw.

Und jetzt wissen sie nicht weiter.

Kapitalismus ohne weiteren Schuldenaufbau ist kein Kapitalismus mehr.
Wie arte sehr schön in einer Dokumentation gdarlegte, war nicht Adam Smith der Begründer des Kapitalismus, sondern Cortez.
Die Konquistadoren waren hoch verschuldet.
Das Blut spritzte nur so um die Schulden abzutragen.

Schon richtig. Die Finanzierung öffentlicher Infrastruktur durch private Investoren ist eine versteckte Mehrwertsteuererhöhung. Da die Nutzungsgebühren auf die Preise umgelegt werden.

Wobei wir wieder am Ausgangspunkt sind:

Senkt den Reallohn.
Schränkt den Konsum ein, …

Stefan Rapp Oktober 14, 2014 um 11:32 Uhr

Ich frag mich ob niedrige Zinsen ab einem gewissen Punkt, nicht letztendlich auch eine unmittelbare Ursache für mangelnde Investitionsbereitschaft sein können. Wenn ich weniger Zinsen bezahlen muss, muss ich mich natürlich auch weniger anstrengen um die Zinsen zu bedienen. Bzw. ich brauche möglicherweise auch weniger ins Risiko zu gehen.
Nehmen wir mal an, bei 2 % Zinsen werden bestimmte Investitionen getätigt, jetzt versucht man durch noch niedrigere Zinsen sagen wir mal 1 % weitere Investitionen anzukurbeln. Wie wirkt sich aber der Niedrigere Zins auf die Investitionen aus die so oder so auch bei höheren Zinsen getätigt worden wären, werden diese dann nicht möglicherweise etwas geschwächt und irgendwann überwiegen die Nachteile die Vorteile bzw. sie sind ausgeglichen.

Wurde eigentlich auch schon mal über alternativen diskutiert indem anders als durch niedrige Zinsen versucht wird den Markt mit Geld anzukurbeln. Nehmen wir mal die Möglichkeit das der Staat hingeht und sein Steueraufkommen verzögert einsammelt, ging als Beispiel bei der Körperschaftssteuer, wenn diese erst nach Abgabe der Bilanz beim Finanzamt fällig wäre. Der Staat musste natürlich das fehlende Geld zwischen finanzieren. Würde speziell dafür die EZB allen Euroländern für diesen Fall unverzinsten Kredit zur Verfügung stellen. Wo wäre das Problem ? Zieht die Konjunktur an, wird das Steuereintreiben wieder beschleunigt und die EZB bekommt ihr Geld wieder zurück.

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