Banken im Schweizer Crowdfunding Markt: Chancen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

by Gastbeitrag on 19. Januar 2015

Gastbeitrag von Dr. Michael Beier und Prof. Dr. Kerstin Wagner, HTW Chur

Mit der Basellandschaftlichen Kantonalbank hat die erste Bank eine eigene Crowdfunding-Plattform am Schweizer Markt gestartet. Weitere Schweizer Banken beschäftigen sich derzeit mit der Frage, inwieweit sie sich ebenfalls im hiesigen Crowdfunding-Markt enga­gieren wollen und wie sie dies bewerkstelligen können. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, ein­mal aus der Perspektive digitaler Strategien zu untersu­chen, wie sich die Situation im Schweizer Crowdfunding-Markt für Banken darstellt und welche Handlungsoptionen sich für diese ergeben. Die Analyse ori­entiert sich an den Anforderungen an neue Geschäfts­modelle und die Unternehmensentwicklung im Bereich von Online-Plattformen und Crowdfunding, auf deren Grundlage jede Bank letztendlich aus ihrer konkreten Situation heraus individuelle Lösungsansätze entwickeln muss.

Immer mehr Einzelpersonen, Unternehmen und andere Organisationen (z.B. Vereine) nutzen die Möglichkeit, über Online-Communities Geld zu akquirieren. Crowd­funding erlaubt es Projektinitiatoren, einen direkten Auf­ruf über das Internet an die Öffentlichkeit, die „Crowd“, zu starten, um Geld für ihre innovativen Vorhaben zu be­schaffen (Schwienbacher/Larralde 2012). Dabei wer­den auf einer Crowdfunding-Plattform das Projektvor­haben beschrieben, die notwendigen Geldmittel erfragt und mögliche Gegenleistungen angeboten. Crowdfunding-Plattformen bieten web-basierte standardisierte Dienstleistungen an und dienen als Informations-,  Kommunikations- und Transaktionsplattform (Belleflamme et al. 2013). Dabei können die Gegenleistungen, die den Geldgebern angeboten werden, reine Spenden, nicht­monetäre Gegenleistungen wie projektnahe Geschenke oder das Produkt bzw. die Dienstleistung selbst sein. Über 90% der existierenden Plattformen in der Schweiz, in Europa und den USA bieten diese Form des Crowd- fundings an (Belleflamme et al. 2013). Im Gegensatz dazu gibt es Plattformen, auf welchen den Geldgebern, hier dann auch Investoren genannt, als Gegenleistung Unternehmensbeteiligungen in Form von Eigenkapital („Crowdinvesting“) oder als Kredite in Form von Fremd­kapital („Crowdlending“) angeboten werden.

Crowdinvesting und Crowdlending betreffen im Gegen­satz zu Crowdfunding (donation-/reward-based) derzeit noch vergleichsweise kleine Märkte, sind aktuell von restriktiven Regulierungen betroffen und folgen gänzlich anderen Funktionsweisen. Dementsprechend bleiben diese hier unberücksichtigt.

Crowdfunding im Vergleich zum Bankgeschäft

Auf den ersten Blick erscheint Crowdfunding als eine Banken-ähnliche Dienstleistung. Das Bankengeschäft besteht seit jeher aus der Finanzintermediation. Als Ver­mittler bzw. Intermediär bedient die Bank zwei Seiten von Kunden, die aufgrund der Tätigkeit der Bank nicht direkt in Kontakt kommen. So sammelt die Bank auf der einen Seite Geldmittel von Geldgebern ein mit der Aus­sicht auf Renditen. Auf der anderen Seite werden die eingesammelten Geldmittel gegen Zinsen an Nachfra­ger von Geldmitteln vergeben. Auch beim Crowdfunding finden Geschäfte statt, bei denen zwischen zwei Seiten vermittelt wird. Crowdfunding basiert allerdings eher auf einer Art Gegenbewegung zur klassischen Finanzinter­mediation (Disintermediation), da die bisherigen Ver­mittler in ihrer Funktion herausgekürzt werden (Schmidt et al. 1999). Vergleichbare Entwicklungen sind in ande­ren Netzwerkmärkten bereits weiter fortgeschritten z.B. bei Verlagen, Fernsehen, Musik, Einzelhandel. Die darin zunehmend verbreiteten Online-Plattformen folgen ei­nem Geschäftsmodell zweiseitiger Plattformen (Osterwalder/Pigneur 2011). In diesem Geschäftsmodell ist ein klassischer Intermediär nicht mehr nötig, der Ange­bot und Nachfrage koordiniert, da diese Aufgaben durch die Online-Plattform selbst erledigt werden. Im Fall von Crowdfunding heisst das: Initiatoren stellen in einer On­line-Plattform ihre Projekte vor und fragen nach Geld­mitteln. Potentielle Geldgeber finden in der Plattform Gelegenheiten, Projekte finanziell zu unterstützen und dafür Gegenleistungen zu erhalten. Kern des Crowdfun-ding-Geschäfts ist daher der Betrieb und die Vermark­tung einer Online-Plattform. Damit einhergehend erge­ben sich völlig andere Chancen und Herausforderungen für die Betreiber als im herkömmlichen Bankgeschäft.

Chancen für Banken

Mit einem Engagement im Schweizer Crowdfunding- Markt ergeben sich für Banken verschiedene Potenziale für Mehrwerte. Im Folgenden werden die drei wesentli­chen Stossrichtungen für Potenziale systematisch dis­kutiert.

1. Crowdfunding-Plattform als eigenständiger Business Case einer Bank

Es stellt sich zunächst die Frage, inwieweit sich für Ban­ken der Betrieb einer eigenen Crowdfunding-Plattform als eigenständiger Business Case rechnen kann. Die grossen, etablierten Crowdfunding-Plattformen in der Schweiz (100-days.net, wemakeit.ch) nehmen derzeit 5-6% der erfolgreich vermittelten Projektsummen als Provisionen ein. Darüber hinaus werden noch Transak­tionsgebühren berechnet, die an die entsprechenden Fi­nanzdienstleister gehen. Diese Transaktionsgebühren dürfte eine Bank als Betreiber einer Crowdfunding- Plattform ebenfalls (mindestens anteilig) selbst verbu­chen dürfen. Darüber hinaus stehen die eingenommen Gelder der Bank über die Laufzeit der Crowdfunding- Kampagnen kostenlos zur Verfügung und können ent­sprechend im Bankgeschäft renditeträchtig eingebracht werden. Von den zu erwartenden Margen bzw. Renditen dürfte sich der Betrieb einer Crowdfunding-Plattform als attraktiv darstellen. Entscheidend wird allerdings sein, inwieweit eine Bank in der Lage ist, die Plattformum­sätze auf eine Höhe zu bringen, die die aufzuwendenden Kosten für die Plattform und deren Betrieb und Ver­marktung rechtfertigen.

2. Nutzen für das weitere Bankgeschäft

Neben der aufgezeigten direkten Monetarisierung der Plattformaktivitäten besteht für Banken zudem die Mög­lichkeit, indirekte Mehrwerte für das weitere Bankge­schäft daraus zu generieren. Erstens lassen sich Mar­keting- und Kommunikationseffekte erzielen. So er­scheint es gerade zu Beginn für Banken noch möglich, sich mit Crowdfunding-Aktivitäten PR-wirksam als hilf­reicher Unterstützer innovativer, sozialer und regionaler Projekte zu präsentieren sowie als Vorreiter digitalen Wandels. Dies kann – wenn die Positionierung gelingt – sowohl bei der Reichweite als auch hinsichtlich der Re­putation bei eher Bank-fernen Zielgruppen positive Ein­flüsse entfalten. Zweitens besteht die Möglichkeit, vertriebsrelevante Aktivitäten durchzuführen. So ist es zum einen möglich, im Rahmen der Plattform direkt Produkte der Bank zu bewerben und auf relevante Produkt- und Verkaufsseiten zu verlinken. Zum anderen können die Plattform-Daten in das Customer Relationship Manage­ment (CRM) der Bank eingebunden werden, um z.B. Marketing-Kampagnen zu Bankprodukten besser oder weitreichender steuern zu können. Drittens erlauben Analysen der Plattformdaten Erkenntnisse über das Verhalten von Zielgruppen und Kunden, die bisher nicht verfügbar waren. Auf diese Weise ist es möglich, aktu­elle und potentielle Kunden besser zu verstehen und zu bedienen.

3. Strategischer Aufbau von Kompetenzen und Hand­lungsoptionen

Wenn Banken sich mit einer eigenen Crowdfunding- Plattform im Markt positionieren, müssen dafür neuar­tige Aktivitäten aufgesetzt werden. Aus strategischer Sicht ergibt sich dadurch für Banken die Chance, Kom­petenzen in aktuellen Themen der Finanzintermediation bzw. Online-Plattformen und den damit verbundenen Geschäftsmodellen zu entwickeln. Wie unten im Detail gezeigt wird, werden sich Banken mit vielen Aspekten des Online- und Plattform-Business befassen müssen, die ausserhalb ihres aktuellen Kerngeschäfts liegen. Mit der Einführung eines neuartigen Geschäftsfeldes kön­nen sie Prozesse des digitalen Wandels testen und etablieren, die ihnen in ihren angestammten Betäti­gungsfeldern aufgrund von historisch gewachsenen Ge­gebenheiten und Pfadabhängigkeiten bisher nicht mög­lich waren.

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Herausforderungen für Banken

Je nachdem, welche Ziele eine Bank mit dem Engage­ment in eine eigene Crowdfunding-Plattform verfolgen möchte, sind die im Folgenden aufgezeigten Herausfor­derungen von unterschiedlicher Relevanz und dement­sprechend individuell zu gewichten.

1. Technologische Umsetzung

Die Herausforderung der technologischen Umsetzung der Crowdfunding-Plattform dürfte unabhängig von den Zielen der Bank von der geringsten Bedeutung sein. Weltweit werden über 550 Crowdfunding-Plattformen betrieben, meist von kleinen Startups, die ihre Plattform teilweise über Outsourcing-Dienstleister entwickeln las­sen haben (Swissinfo 2013).

Crowdfunding folgt relativ standardisierten Prozessen und die Technologie kann von zahlreichen unabhängigen Dienstleistern gekauft werden oder über die Cloud eingebunden werden. Auf dem Schweizer Markt werden von verschiedenen Anbie­tern von der Ausstattung sehr ähnliche sog. „White La­bel“ Lösungen angeboten, die somit nicht unter der Marke der Hersteller, sondern unter der Marke der Bank und in deren Online-Design betrieben werden können. Trotz ähnlicher Leistungen bewegen sich die Angebote in recht unterschiedlichen Preis-Segmenten. Der wohl bekannteste und grösste Anbieter einer White Label Lö­sung in der Schweiz ist derzeit die Swisscom, deren An­gebot auf der Plattform-Technologie von wemakeit.ch basiert (Swisscom 2014). Daneben bieten einige klei­nere Anbieter ebenfalls Lösungen an. So bietet z.B. die Schweizer Plattform 100-days.net ihre Technologie un­abhängig von einem grossen Partner zu entsprechend geringeren Preisen als standardisierte White Label Lö­sung an. Die Zürcher Feinheit GmbH beispielsweise setzt dagegen stärker auf individualisierte Lösungen und ein designorientiertes Leistungsangebot.

Letztendlich müssen Banken nach ihren internen Anforderungen entscheiden, welcher Entwicklungs- und Integrations­aufwand für sie tragbar und welche Leistungsspezifika zwingend erforderlich sind sowie welche Reputations­wirkungen sich ergeben können. Gemäss der Maxime risikoaverser Beschaffungsentscheidungen „Nobody Ever Got Fired For Buying IBM” wäre nachvollziehbar, wenn eine etablierte Bank ihre Plattformtechnologie beim Schweizer Marktführer für industrielle IT-Dienst- leistungen bezieht, zumal dieser auch sonst bereits im Bankensektor aktiv ist. Andererseits könnten je nach Anforderungen der Individualisierung und Weiterent­wicklung der Crowdfunding-Plattform für eine Bank auch andere Anbieter interessant sein.

2. Betrieb und Vermarktung

Eine Online-Plattform technisch umzusetzen, ist aller­dings eine völlig andere Aufgabe als eine Online-Platt­form erfolgreich in den Markt einzuführen und diese nachhaltig zu betreiben. Zwar bieten alle Anbieter am Markt etablierte IT-Lösungen, die sich bereits vielfach als sichere und funktionale Transaktionsplattformen er­wiesen haben. Neben der IT-Implementierung ist jedoch vielmehr entscheidend, ob es gelingt, die Crowdfunding- Plattform erfolgreich zu betreiben und zu vermarkten.

Erhebungen in Crowdfunding-Plattformen zeigen, dass es quasi keine Laufkundschaft auf den Plattformen gibt. Crowdfunding-Plattformen übernehmen lediglich die Rolle des Interaktions- und Transaktionsdienstleisters. Die Aufmerksamkeit potentieller Geldgeber und Unter­stützer müssen Projektinitiatoren allerdings vornehmlich selbst auf ihre Projektseite auf der Plattform lenken. Dazu bedarf es wohlkoordinierter Massnahmen im Mar­keting, Online-Kommunikation und Public Relations durch die Projektinitiatoren, die genau auf den Zeitplan der Crowdfunding Kampagne abgestimmt sind (Beier/Wagner 2014). Unabhängige Datenanalysen weisen für etablierte Crowdfunding Plattformen Quoten zwischen 34-48% erfolgreicher Projektfinanzierungen aus (Beier/Wagner 2014; Mollick 2014; TechCrunch 2013).

Zwei zentrale Erfolgsfaktoren werden für den Betrieb einer Crowdfunding-Plattform demnach ent­scheidend sein: Zum einen muss es gelingen, hinrei­chend viele Projektvorhaben für die Plattform zu moti­vieren. Zum anderen müssen die Projektinitiatoren in der Plattform darin unterstützt werden, ihre Erfolgschancen in den Kampagnen bestmöglich zu nutzen. Auf diese Weise wird die Attraktivität der Plattform sowohl für Pro­jektinitiatoren als auch für Geldgeber gesteigert. Dar­über hinaus sind es gerade die Erfolgsgeschichten von Projekten, die für die Aussenwahrnehmung und damit für Reichweite und Reputation sorgen. Und nicht zuletzt sind bei einem erfolgsbasierten Provisionsmodell die er­folgreichen Projekte entscheidend für die Umsätze, die über die Plattform generiert werden. Sowohl die Ver­marktung der Plattform bei Projektinitiatoren und Geld­gebern als auch die Unterstützung von Projekten bei der Planung und Umsetzung stellen allerdings völlig neue Leistungsaspekte dar, für die Banken neue Kompeten­zen und Ressourcen entwickeln müssen.

3. Integration in die bestehende Organisation

Eine weitere zentrale Herausforderung für Banken stellt die Integration der Aktivitäten mit einer neuen Crowdfunding-Plattform in die bestehende Organisation dar. Für die Crowdfunding-Plattformen, die bereits auf dem Markt sind, ist Crowdfunding das Kerngeschäft. Sie können ihr Geschäftsmodell iterativ weiterentwickeln, ohne andere Geschäftsfelder und deren Strategien be­rücksichtigen zu müssen. So dürften für Banken auf der einen Seite die Entwicklungsoptionen im Vergleich zu anderen Crowdfunding-Plattformen eingeschränkt sein. Auf der anderen Seite bestehen Chancen auf Synergien zwischen der neuen Plattform und bestehenden Ge­schäftsfeldern. Dazu sind allerdings die davon betroffe­nen Strategien, Strukturen und Prozesse der Bank hin­reichend zu koordinieren. Die IT-Integration mit Hinblick auf eine risikoarme Implementierung und Nutzung der Technologie innerhalb der bestehenden Infrastruktur dürfte da eine der geringsten Herausforderungen dar­stellen. Diese Aufgabe kann von den IT-Abteilungen und IT-Diensteistern wie gewohnt bearbeitet werden. Weit komplexer wird die Integration der Crowdfunding- Plattform, wenn es um die Einbindung in das Geschäfts­modell und die weiteren Aktivitäten der Bank geht. Die dazu notwendigen Schritte und Kompetenzen lassen sich mit den Anforderungen im Customer Relationship Management (CRM) vergleichen. Geht es doch auch hier darum, Mehrwerte aus Kundenbeziehungen und – interaktionen und dazu vorhandenen Daten zu generie­ren (Eid 2007). Neben der sauberen IT-Implementie- rung können derartige Massnahmen nur gelingen, wenn zudem auch den weiteren sozialen und geschäftlichen Anforderungen entsprochen wird (Coltman 2007). So wird es für Banken entscheidend sein, entsprechende Strukturen und Prozesse zu schaffen, in denen die ver- füg-baren Daten und Erkenntnisse auch in operative und wertschöpfende Prozesse überführt werden z.B. für die verbesserte Aussteuerung von Produkt-Kampagnen oder die Optimierung von Cross-Selling Angeboten in­nerhalb der Crowdfunding-Plattform. Zudem müssen rund um den technischen Betrieb Kommunikations­massnahmen durchgeführt und Serviceangebote ge­schaffen werden, damit potentielle Projektinitiatoren und Geldgeber zur Beteiligung an der Plattform bewegt werden können.

Erfolgsfaktoren

Um die Realisierung der aufgezeigten Chancen zu un­terstützen und den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen, werden im Folgenden einige Erfolgsfak­toren beschrieben, die bei der Planung und Implemen­tierung eines derartigen Projekts von Bedeutung sein werden.

Eigenständige Positionierung entwickeln

So erscheint es für Banken erstrebenswert, eine eigen­ständige Identität im Crowdfunding zu entwickeln. Ur­sprünglich ist die Idee des Crowdfundings aus dem Be­dürfnis entstanden, sich von einflussreichen Entscheidern und Kapitalgebern (z.B. Förderinstitutionen, Plat­tenlabels, Banken) unabhängig zu machen (Agrawal et al. 2013). Daher sind die ersten Crowdfunding-Projekte in der Schweiz bei diesen eher Bank-fernen Zielgruppen zu verorten, die auch als „Early Adopter“ oder „First Mo­ver“ bezeichnet werden können. Dass Crowdfunding auch ein Instrument für kleine und mittelgrosse Unter­nehmen (KMU) sein kann, ist eine sehr neuartige Ent­wicklung und bedarf noch eines umfassenden Kommu­nikationsaufwandes in der Schweiz (Beier et al. 2014). Damit sich Crowdfunding-Plattformen für Banken rech­nen, müssen sie zu dem bestehenden Volumen an Pro­jekten im Markt umfangreich neue Teilnehmer sowohl auf Seite der Initiatoren als auch bei den Förderern von Projekten mobilisieren. Dazu müssen sie Crowdfunding stärker im Mainstream ansiedeln. Diese Art der Positio­nierung sollte Banken allerdings auch leichter fallen, als glaubhaft mit der Authentizität der etablierten Plattfor­men im Markt zu konkurrieren. So könnte die Chance für Banken darin liegen, Crowdfunding stärker als ban­kenähnliche Dienstleistung zu positionieren und diese ihrer bestehenden Kundschaft als neues Produkt anzu­bieten.

Koordinierter Aufbau und Inbetriebnahme der Plattform

Bei der Erschliessung des breiten Mainstream-Marktes stehen Banken vor der Herausforderung, zunächst eine hinreichende Anzahl an Projekten anzubieten. Dabei können Banken im Vergleich zu anderen Crowdfunding- Plattformen darauf aufbauen, dass sie bereits über eine umfangreiche Stammkundschaft verfügen. So erscheint es sinnvoll, zu-nächst mit einer kleinen, vorselektierten Zahl an Projekten zu starten, die intensiv begleitet wer­den, um durch erste Erfolge bei potentiellen Nutzern Vertrauen in die Plattform zu erzeugen. Die ersten Pro­jekte müssen entsprechend vor allem auf ihre Erfolgs­chancen sowie auf eine breite Abdeckung attraktiver Projektkategorien hin ausgewählt werden.

Gelingt es, verschiedene, hochwertige Projekte in der Plattform anzubieten, können im zweiten Schritt die Stammkunden der Bank auf diese aufmerksam ge­macht werden und sich beteiligen. So können sich po­tentielle Geldgeber und Projektinitiatoren besser vorstel­len, wie erfolgreiche Projekte aussehen. Zudem liegen dann erste Erfahrungswerte vor, wie Prozesse in der Plattform besser moderiert und unterstützt werden kön­nen.

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Begleitung der Projektinitiatoren

Der neuralgische Punkt bei der Umsetzung von Crowdfunding-Plattformen durch Banken dürfte die dauer­hafte Generierung hochwertiger Crowdfunding-Kam- pagnen sein. Wie empirischen Studien zeigen, besteht die Hauptqualität von Crowdfunding-Kampagnen aller­dings nicht in den Eigenschaften eines Projekts selbst, sondern in der Güte der Planung, Koordination und Aus­führung von begleitenden Kommunikationsmassnah­men, die von den Projektinitiatoren selbst ausgeführt werden müssen (Beier/Wagner 2014). Möchte eine Bank also Einfluss auf die Erfolgschancen der Kampag­nen in der eigenen Crowdfunding-Plattform nehmen, ist es notwendig, Dienstleistungen anzubieten, mit denen Projektinitiatoren überhaupt erst auf Projektideen ge­bracht und zur Initiierung von Kampagnen motiviert werden. Zudem müssen Projektinitiatoren zur Planung und Durchführung der Kampagnen und den damit verbun­denen Kommunikationsmassnahmen befähigt werden.

Crowdfunding als Projekt der Unternehmensentwick­lung

Ein wesentlicher Faktor, um eine Crowdfunding-Plattform als Projekt oder neues Geschäftsfeld einer Bank erfolgreich aufzubauen, liegt darin, es nicht als IT-Projekt, sondern als ein Projekt der Unternehmensentwick­lung aufzufassen. Wie oben ausgeführt, müssen weitere strategische Entscheidungen und Rahmenbedingungen über die Crowdfunding-Plattform hinaus einbezogen werden. Selbst wenn die Crowdfunding-Plattform ledig­lich als eigenständiger Business Case betrachtet wird, müssen neue Strukturen und Prozesse aufgesetzt und Mitarbeiter entwickelt werden, um die Plattform erfolg­reich betreiben zu können. Letztendlich bedarf es auch einer Offenheit in der Kultur und dem Selbstverständnis einer Bank, möchte sie authentisch und integriert eine Crowdfunding-Plattform betreiben. Denn dies bedeutet ein Stück weit auch eine Abkehr von der reinen Finan­zintermediation hin zu komplexeren Online-Geschäfts­modellen.


Literaturnachweise

Agarwal, A. / Catalini, C. / Goldfarb A. (2013): Some Simple Economcis of Crowdfunding,” SSRN Elec­tronic Journal: http://ssrn.com/ abstract=2281044

Beier, M. / Wagner, K. (2014): Das richtige Timing beim Crowdfunding – Eine explorative Studie zu Projekten auf 100-Days.Net. SSRN Electronic Journal: http://ssrn.com/abstract=2484799

Beier, M. / Früh, S. / Wagner, K. (2014): Crowdfun- ding für Unternehmen – Plattformen, Projekte und Erfolgsfaktoren in der Schweiz. SSRN Electronic Journal: http://ssrn.com/abstract=2430147

Belleflamme, P. / Lambert, T. / Schwienbacher, A. (2013): Individual Crowdfunding Practices. Ven­ture Capital, 15(4): 313-333.

Coltman, T. (2007): Can Superior CRM Capabilities Im- prove Performance in Banking. Journal of Finan­cial Services Marketing, 12: 102-114.

Eid, R. (2007): Towards a Successful CRM Implemen­tation in Banks: An Integrated Model. Service In­dustries Journal, 27(8): 1021-1039.

Mollick, E. R. (2014): The Dynamics of Crowdfunding: An Exploratory Study. Journal of Business Ventur- ing, 29(1): 1-16.

Schmidt, R.H. / Hackethal, A. / Tyrell, M. (1999): Dis­intermediation and the Role of Banks in Europe: An International Comparison. Journal of Financial Intermediation, 8(1-2): 36-67.

Schwienbacher, A. / Larralde, B. (2012): Crowdfunding of Small Entrepreneurial Ventures. In: The Oxford Handbook of Entrepreneurial Finance, D. Cum- ming (Hrsg.), New York: Oxford University Press, 369-391.

Swisscom (2014): Swisscom lanciert Crowdfunding Plattform als Service für Firmen und Organisatio­nen, wemakeit liefert die Software, Pressemittei­lung, Swisscom AG, 03.09.2014. http://www.swisscom.ch/de/about/me- dien/press-releases/2014/09/20140901 -MM- Crowdfunding.html

Swissinfo (2013): Wenn Konsumenten zu kreativen Köpfen werden. Swissinfo.ch – internationaler Ser­vice der Schwei-zerischen Radio- und Fernsehge­sellschaft, 21.03.2013. http://www.swis- sinfo.ch/ger/wie-konsumenten-zu-kreativen- koepfen-werden-/35259108

TechCrunch (2013): Kickstarter Reportedly Owns Indiegogo With Around 6X More Total Dollars Raised, Average Success Rate Much Higher. TechCrunch, 30.08.2013.

http://techcrunch.com/2013/08/30/kickstarter-owns-indiegogo-with-around-6x-more-total-dollars-raised-average-success-rate-much-higher/


*  Autoren

Dr. Michael Beier

Prof. Dr. Kerstin Wagner

Weitere Informationen und Veröffentlichungen unter:

http://www.htwchur.ch/management/institut-sife/schwerpunkt-gruendung-und-wachstum.html


Die Veröffentlichung der Studie erfolgt mit Zustimmung von Frau Dr. Wagner.  Bei Recherchen und Zitaten bitte immer die Originalarbeit heranziehen, die hier als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.

Patrick Januar 23, 2015 um 10:52 Uhr

Sehr informativer und interessanter Artikel über ein komplexes Thema, in das ich mich gerade am einarbeiten bin! Wenn die Banken dies als eigenständiges Produkt positionieren können, kann es eine Chance sein.

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