Kunst als Geldanlage: Hohe Risikobereitschaft und eigenes Fachwissen sind unabdingbar

by Karl-Heinz Thielmann on 20. Januar 2015

Fortsetzung des Beitrags von Donnerstag, dem 15. Januar zum Thema „Kunst als Geldanlage“

 

Jeder Kunstsammler sollte sich bewusst sein, dass er sein Geld in einem höchst riskanten Markt investiert: Er ist relativ intransparent, die sehr subjektiven Qualitätskriterien können sich wandeln, die Transaktionskosten sind sehr hoch. Darüber hinaus werden die Preise und angebotenen Mengen vielfach stark manipuliert. Langfristig gesehen kann es böse Überraschungen geben, wenn ein Kunstwerk dem Zeitgeist nicht mehr entspricht oder die „Marktpflege“ von Galeristen und Großsammlern nachlässt. Wie die Performanceauswertungen von Mei Moses zeigen, ist gerade in Anlage in teuren und sehr populären Kunstwerken – welche zumeist ebenfalls von Experten hochgelobt und empfohlen werden – langfristig ein relativ sicheres Rezept für finanziellen Misserfolg.

Insbesondere Sammler, die auf eine durch Marktinterventionen gestützte Reputation ihrer Künstler vertrauen, begeben sich langfristig in eine gefährliche Situation. Zwar haben sie scheinbar große Wertgewinne, die sich jedoch relativ schnell in Luft auflösen können, wenn sich der Zeitgeist ändert bzw. Galeristen oder Großsammler die Preise ihrer Werke bei Auktionen nicht mehr stützen.

Andererseits stehen den finanziellen Risiken des Kunstmarktes aber auch große Chancen gegenüber: Wenn ein Künstler populär wird, ist eine explosionsartige Wertentwicklung mit einer Vervielfachung des Kaufpreises möglich. Hiervon profitieren in der Regel vorwiegend Insider bzw. Anleger, die sich eigene Expertise zum Kunstmarkt erarbeitet haben.

In den vergangenen Jahren haben sich vor allem zwei Typen von Sammlern herauskristallisiert, die am Kunstmarkt wirtschaftlich erfolgreich agieren. Ich möchte sie einmal in Anlehnung an die Investmentstile für Wertpapiere „Momentum“ sowie „Venture-Art“ bezeichnen möchte. Die momentumgetriebenen Käufer sind relativ kurzfristig ausgerichtet, was im Kunstbereich einer Besitzdauer von einigen Monaten bzw. wenigen Jahren entspricht. Venture-Art-Sammler haben hingegen einen sehr langfristigen und teilweise generationenübergreifenden Anlagehorizont.

Art-Flipper – die Trittbrettfahrer der Kunstwelt

Momentum-Anleger konzentrieren sich auf Künstler, die in der Kunstwelt gerade populär gemacht werden. Der Erfolg dieser Strategie hängt entscheidend davon ab, dass man relativ frühzeitig investiert ist – wobei man nicht selten auf Insiderinformationen angewiesen ist – und im Erfolgsfall – auch gegen den Willen von Galeristen – rechtzeitig Gewinne mitnimmt. Diese Momentuminvestoren werden oftmals auch als „Art-Flipper“ bezeichnet, weil sie zeitgenössische Kunstwerke nur mit Blick auf kurzfristige Wertsteigerungen kaufen und schnell wieder verkaufen. Am berühmtesten ist der britische Medienunternehmer Charles Saatchi geworden, über dessen spektakuläre Transaktionen und zynische Einstellung gegenüber dem Kunstmarkt auch gerne in der Presse berichtet wurde.

Art-Flipper sind in der Kunstwelt äußerst unbeliebt und werden von einigen Künstlern und Galeristen sogar boykottiert. Bei Künstlern dürfte der Hauptgrund für die Ablehnung darin liegen, dass diesem Typ von Anlegern offensichtlich nicht an der Ästhetik ihrer Werke, sondern nur am Partizipieren an einem Modetrend gelegen ist. Galeristen fürchten hingegen, dass Art-Flipper ihr System der Preisgestaltung stören. Die Kunstbewertungen können schneller und stärker hochgetrieben werden, als es dem Galeristen recht ist. Die Gewinnmitnahmen bei hohen Preisen wiederum können sehr teure Stützungsmaßnahmen provozieren, um den Eindruck in der Öffentlichkeit zu vermeiden, der jeweilige Künstler würde an Popularität verlieren. Dennoch sind vor allem die Galeristen selbst verantwortlich, wenn Art-Flipper mit ihrer Methode viel Geld verdienen können. Denn mit ihren Marktmanipulationen schaffen sie erst die Basis für diesen Typ des Spekulanten, der als Trittbrettfahrer des Kunstbooms von vorprogrammiert erscheinenden Preissteigerungen profitieren will.

Nach Aussagen der Auktionshäuser Christies und Sothebies spielen die Art-Flipper derzeit nur eine geringe Rolle, zumal die hohen Transaktionskosten eigentlich ihrem relativ kurzfristigen Aktionismus entgegenstehen. Zudem wurden sie in der starken Korrektur des Kunstmarktes nach der Finanzkrise stark abgestraft, als die Manipulationen am Kunstmarkt für viele Galeristen und Großsammler finanziell nicht mehr tragbar waren und die Preise für zeitgenössische Kunst zeitweise einbrachen. Dies zeigt die extremen Risiken eines solchen Vorgehens. Sollten Art-Flipper allerdings wieder verstärkt auftreten, könnte dies ein starkes Signal für eine spekulative Überhitzung des Marktes sein.

Venture Art – den Zeitgeist vorausanhnen

Den anderen Typus von erfolgreichen Kunstinvestoren repräsentieren Sammler wie Jean Pigozzi. Er hat vor Kurzem in einem Interview seinen Ansatz so beschrieben: „So wie ich es mache, ist Kunst sammeln sehr ähnlich wie Venture Capital“. Seit den 80er Jahren investiert Pigozzi in Technologie-Start-ups (u. a. Facebook) und hat damit enorme Gewinne erzielt. Und genau die gleichen Schlüsselgrößen – gute persönliche Beziehungen zu den relevanten Personen, ein gutes Gespür für Markttrends sowie Detailwissen und ggf. Hartnäckigkeit beim Verfolgen der Ziele – machen seiner Ansicht nach auch die Erfolgsfaktoren im Kunstmarkt aus. Natürlich ist es ebenfalls wichtig, dass man Kunst – genau wie die Einstiegsbeteiligung beim Venture Capital – sehr billig erwirbt. Da relativ viele Investments eine unbefriedigende Wertentwicklung haben können, ist es um so wichtiger, dass die Zugewinne bei den erfolgreichen Anlagen sehr hoch sind.

Meiner Ansicht nach trifft Pigozzi mit seiner Analogie von langfristigen Investments in Kunst und Venture Capital den Nagel auf den Kopf. Der relativ hohen Wahrscheinlichkeit einer nur mäßigen und vielleicht sogar negativen Wertentwicklung steht die geringe Chance auf spektakuläre Gewinne entgegen. Ökonomisch sind beide Anlageformen am ehesten mit einem Optionsgeschäft zu vergleichen, das aus einer weit aus dem Geld liegenden und sehr langlaufenden Kaufoption besteht. Allerdings gibt es solche langlaufenden Optionen z. B. bei Aktien oder Renten nur sehr selten; und wenn, dann nur außerbörslich im Direktgeschäft mit Investmentbanken. Gemeinsame Charakteristika sind insbesondere diese Faktoren:

  • Die Transaktionskosten sind im Vergleich zum Gegenwartswert relativ hoch; in Relation zu den möglichen Wertgewinnen aber vernachlässigbar.
  • Die Anlage ist relativ illiquide.
  • Die Erfolge werden nur sehr langfristig sichtbar.
  • Ob die möglichen Wertgewinne realisiert werden können, hängt sehr stark davon ab, dass man die Wertentwicklung der Anlage besser einschätzen kann als die übrigen Marktteilnehmer. An Wertpapiermärkten ist dies aufgrund der hohen Informationseffizienz allerdings sehr schwierig, deswegen scheitern hier auch die meisten Anleger mit Optionsgeschäften. Am Kunstmarkt hingegen eröffnet die Intransparenz dem Anleger eine Möglichkeit. Ob man diese nutzen kann, hängt aber davon ab, ob man a) Insidervorteile nutzen kann; oder b) sich aufgrund der eigenen Kunstbegeisterung eigenes Expertenwissen angeeignet hat.
  • Eine passive Haltung gegenüber dem Investment, wie sie für die meisten Kapitalanleger typisch ist, reicht nicht aus, um Erfolg zu haben.

Langfristig hohe Wertgewinne kann man vor allem mit Kunst erzielen, die zu ihrem Kaufzeitpunkt vom Markt unterschätzt oder sogar negativ gesehen wird. Ihre Preissteigerung resultiert aus einem Kulturwandel, den der Investor vorausahnen muss. Dies ist genau so wie bei Venture Capital, wo der Investor einen bestimmten Technologiewandel richtig einschätzen muss. Spektakuläre Preissteigerungen gab es insbesondere deshalb auch bei Kunstrichtungen, die anfangs vom Zeitgeschmack stark abgelehnt wurden, wie der Impressionismus vor 150 Jahren, die Pop Art vor 50 Jahren oder die in den vergangenen Jahren sehr teuer gewordene afrikanische Stammeskunst.

Ein berühmtes Beispiel für einen Venture-Art Sammler war der Schokoladefabrikant und promovierte Kunsthistoriker Peter Ludwig (1925-1996), der in den 60er Jahren die Pop Art für sich entdeckte. Er antizipierte, dass diese Kunstform in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der Konsumgesellschaft den kommenden Zeitgeist reflektieren würde, und baute eine umfangreiche Sammlung der wichtigsten Vertreter wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg oder Roy Liechtenstein auf. Der heutige Marktwert dieser Werke entspricht ein Zigfaches der Einstandspreise; wobei man allerdings relativierend feststellen muss, dass sehr wahrscheinlich der Markt für Bilder dieser Periode (speziell bei Andy Warhol) durch Marktinterventionen von Großsammlern derzeit massiv manipuliert wird. Ein weiteres Beispiel sind die amerikanischen Sammler, die Ende das 19. Jahrhunderts in Paris impressionistische Kunst kauften, welche von den meisten französischen Zeitgenossen regelrecht verachtet wurde. Während die damals hochgehandelten Werke inzwischen längst vergessen sind, erhöhten sich die Werte der impressionistischen Bilder seitdem dramatisch.

Dubiose Experten

Sehr kritisch sind daher die Empfehlungen vieler „Art Consultants“ zu sehen, die ihren Kunden vorwiegend hochpreisige und meist dem Zeitgeist entsprechende Werke andienen. Solche Kunst sollte man nur als Art-Flipper kaufen und rechtzeitig wieder abstoßen.

Gerade zu absurd ist es, wenn einige Vermögensverwalter oder Private Banker Kunst als „stabile“ Anlage für konservative Anleger anpreisen. So hieß es z. B. in einem Werbeinterview für den inzwischen gescheiteten Berenberg Art Fund: „Kunst ist, wenn es die richtige Kunst ist, eine verhältnismäßig sichere und stabile Kapitalanlage.“ Solch eine Aussage widerspricht jeder Erfahrung am Kunstmarkt.

Kunst ist als Investment genau das Gegenteil von stabil: Sie ist sehr aufregend, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: als Einkaufserlebnis, ästhetisch und finanziell. Um als Anleger erfolgreich zu sein, muss man sich mit der Kunst selbst intensiv auseinandersetzen, weil man sonst zu leicht ein Opfer der Manipulationen des Kunstmarktes wird. Dies macht man i.d.R. aber nur, wenn man von sich aus Begeisterung und Faszination für die Kunst mitbringt.

Wer vor allem aus rein finanziellen Motiven investiert (und keine illegalen Absichten wie z. B. Geldwäsche hat), ist mit anderen Anlageformen viel besser bedient. Dies gilt insbesondere, wenn auf eine gewisse Sicherheit Wert gelegt wird.

 

Der ersten beiden Beitrage erschien in Blicklog vom 16.12.2014 mit dem Thema: Kunst als Geldanlage: Ein sehr spezieller Markt sowie im Blicklog vom 13.1.2015 zum Thema: Der Wert der Kunst Teil 1.

Dieser Beitrag sowie die Texte zum Wert der Kunst erschien in leicht abgewandelter Form ebenfalls in „Mit ruhiger Hand“ Nummer 33 vom 5. Januar 2015.

Bijan Kholghi Januar 21, 2015 um 18:18 Uhr

Eine interessante Weiterführung der Artikelserie. Ich teile die Auffassung des Autors. Es würde mir nie in den Sinn kommen, Kunstgegenstände lediglich zum Zwecke der Geldanlage zu erwerben. Ich denke eine derartige Anlageform ist lediglich „nice to have“, wenn man sich wirklich für einen Bereich interessiert und vor allem den künstlerischen Wert zu schätzen weiß. Dass ein solcher Gegenstand dann vielleicht auch gleichzeitig Wertanlage ist, dass wäre für mich lediglich ein Bonus.

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